Geschichten, die die Sprachbeherrschung anregen

Dass in ihrer Umgebung gesprochen wird, regt Kleinkinder an zu sprechen. Wenn ihnen erzählt wird, versuchen sie auch selbst zu erzählen. Die Sprache in Erzählungen fällt aber anders aus als die der alltäglichen Verständigung. Wer erzählt, berichtet von fremden Menschen und fern liegenden Dingen, auf die man nicht wie am Frühstückstisch mit dem Finger zeigen kann. Die erzählte Sprache steht am Übergang von der Alltagssprache zur „literalen“ (geschriebenen) Sprache. Das Hören von Erzählungen unterstützt die sprachliche Ausdrucksfähigkeit: Unbekannte Wörter werden über den Zusammenhang verstanden, sich wiederholende Sätze und Reden („Formeln“) führen vor, welche grammatische Regeln zu beachten und wie Sätze zu konstruieren sind.

Geschichten, die sprachliche Regeln vermitteln wollen, werden nicht selten als „zu didaktisch“ abgelehnt. Aber Lernen und Vergnügen sind keine Gegensätze, Kinder entnehmen jeder Art von Erzählungen auch Informationen, z.B. wie Menschen miteinander umgehen, wie man in vergangenen Zeiten oder in fremden Gesellschaften lebte, aber eben auch, wie man sich in der Muttersprache ausdrückt. Wo solche Geschichten genügend Witz entfalten, regen sie eigene Äußerungen an. Je mehr die Erzählung begeistert, desto besser werden auch die sprachlichen Formen übernommen und befestigt. Und wenn Geschichten Kinder animieren mitzuerzählen, werden die sprachlichen Formen auch gleich angewendet. (Siehe dazu die „Mitmachgeschichten“.)

Ob die folgenden Texte das leisten, mag jeder und jede für jede einzelne Geschichte selbst entscheiden. Findet man sie zu gestellt, sollte man sie beiseitelegen, weil die eigene Einstellung auf die Zuhörenden zurückwirkt. Man sollte sie auch keinesfalls erzählen wegen der darin enthaltenen sprachlichen „Lernziele“. Sie sind nichts weiter als Beiwerk. Entscheidend ist, wie die Geschichte bei den zuhörenden Kindern ankommt, ob sie mitziehen und auf die Einfälle eingehen, sich mit Spaß daran beteiligen. Wo sie das nicht tun, ist die entsprechende Geschichte aus dem Verkehr zu ziehen, ganz gleich, ob man sie selbst für lehrreich oder für zu aufgesetzt hält.

Der Zirkusbesuch

Enkel Robert darf mit Oma und Opa eine Zir­kus­vor­stel­lung besu­chen. Aber die Oma hat ihre Bril­le ver­ges­sen, Robert muss ihr immer erklä­ren, was in der Mane­ge läuft. Und Opa ist schwer­hö­rig und fragt ihn immer hin­ter­her, was er zur Oma gesagt hat. Dazu hat Robert nicht lan­ge Lust und fängt an, Num­mern zu flun­kern, die gar nicht vor­ge­führt wurden.

Die Schatzsuche

Von dem India­ner, der von einem Schatz träum­te, den Pira­ten ver­gra­ben hat­ten und wie er die­sen Pira­ten­schatz tat­säch­lich auf einer ein­sa­men Insel entdeckte.

Die Steinsuppe

Als sich die Leu­te des Dor­fes wei­gern, dem hung­ri­gen alten Land­strei­cher Essen und Unter­kunft zu geben, denkt er sich einen Trick aus, um den­noch satt zu wer­den. Zum Wür­zen wirft er einen Stein in den Topf, und bit­tet die Kin­der ihm noch etwas zu brin­gen, damit die Sup­pe köst­lich schmeckt.

Herr Meier spart

Der red­se­li­ge Herr Mei­er beschließt eines Tages, die Wör­ter, mit denen er um sich warf, zusam­men zu hal­ten. Er übt sich dar­in, so wenig zu sagen, wie es nur geht. Jedes gespar­te Wort notiert er und bewahrt es in sei­nem Haus auf, bis das so voll ist, dass es dar­in für ihn kei­nen Platz mehr gibt. 

Der Gedanken lesende Papagei

Das put­zi­ge Tier­chen, das Gedan­ken frem­der Men­schen hört und sie immer gleich her­aus­krächzt, ver­rät dem Kauf­mann, was sei­ne Kun­den den­ken. Aber lei­der ver­rät er auch, was der Kauf­mann über sei­ne Kun­den denkt. Das hät­te ihn fast sein Geschäft und sein Leben gekostet.

Die kluge Else

Eine Frau, die vor Angst zit­ter­te, weil sie sich vor­stell­te, was viel­leicht unter Umstän­den Furcht­ba­res pas­sie­ren könn­te, woll­te selbst der dum­me Hans nicht heiraten.