Es war einmal eine Amsel, die saß auf einer Mauer und sang fröhlich vor sich hin. Das hörte eine Katze, schlich sich ganz ganz leise an und sprang mit einem Satz auf die Mauer, um den Vogel zu fangen. Aber die Amsel wollte sich nicht fangen lassen. Sie hatte die Katze im letzten Moment gesehen und war aufgeflogen. Die Katze konnte den Vogel nicht erwischen.
Aber die Amsel flatterte mit den Flügeln und piepte vor Angst.
Das hörte ein Hund und fragte sie: „Warum flatterst du denn mit den Flügeln und piepst so ängstlich?“
„Weil die Katze herumschleicht und mich fangen will.“
„Was fällt dieser frechen Katze bloß ein!“ bellte der Hund. „Na warte! Sie kommt sich groß und stark vor. Aber ich bin größer und stärker. Der werde ich es zeigen!“
Damit sprang der Hund auf die Mauer, um die Katze zu beißen.
Die Katze aber wollte sich nicht beißen lassen. Sie sah den Hund auf die Mauer springen und kletterte schnell auf einen Baum. Wütend sprang der Hund an dem Baumstamm hoch und bellte, aber er konnte die Katze nicht mehr erwischen. Die Katze aber hockte ganz oben auf einem Ast und miaute jämmerlich.
Da kam eine Ziege unter dem Baum vorbei und fragte: „Was miaust du denn so jämmerlich?“
„Weil der Hund am Baumstamm hochspringt und mich beißen will.“
„Was fällt diesem blöden Kläffer bloß ein?“ schimpfte die Ziege. „Na warte! Er kommt sich groß und stark vor. Aber ich bin größer und stärker. Dem werde ich es zeigen!“
Die Ziege rannte auf den Hund los, um ihn mit den Hörnern zu stoßen. Aber der Hund wollte sich nicht stoßen lassen. Er sah die Ziege mit gesenkten Hörnern auf sich zulaufen und kroch schnell unter einen Leiterwagen, wo ihn die Ziege nicht mehr treffen konnte. Die Ziege krachte mit den Hörnern gegen den Leiterwagen. Aber der Hund fürchtete, dass der Leiterwagen zerbrechen würde, und jaulte herzzerreißend.
Da kam eine Kuh vorbei getrottet, die hörte den Hund jaulen und fragte: „Warum jaulst du denn so herzzerreißend?“
„Weil die Ziege mich mit den Hörnern stoßen will,“ jammerte der Hund.
„Was fällt der eingebildeten Ziege bloß ein!“ schimpfte die Kuh. „Na warte! Sie kommt sich groß und stark vor. Aber ich bin größer und stärker. Der werde ich es zeigen!“
Da senkte die Kuh die Hörner und rannte gegen die Ziege los, um sie in die Luft zu werfen.
Die Ziege aber wollte sich nicht in die Luft werfen lassen und rettete sich in den Ziegenstall. Die Kuh war zu dick, um sie durch die schmale Tür in den Ziegenstall zu verfolgen. Sie stand vor dem Ziegenstall und wartete, dass die Ziege wieder aus dem Stall rauskommt. Die Ziege kam aber nicht aus dem Stall raus, sie blieb drinnen und meckerte erbärmlich.
Da kam ein Pferd vorbei, das hörte die Ziege erbärmlich meckern und fragte: „Was meckerst du denn so erbärmlich?“
„Weil die Kuh vor der Tür wartet, um mich in die Luft zu werfen,“ meckerte die Ziege.
„Was fällt der aufgeblasenen Kuh bloß ein!“ wieherte das Pferd. „Na warte! Sie kommt sich groß und stark vor. Aber ich bin größer und stärker als diese Kuh. Der werde ich es zeigen!“
Das Pferd hob einen Hinterlauf um die Kuh zu treten. Aber die Kuh wollte sich nicht treten lassen, rannte über die Weide davon und muhte verzweifelt.
Da kam eine Stechmücke vorbeigeflogen und fragte die Kuh: „Was muhst du denn so verzweifelt?“
„Weil das Pferd mich treten will.“
„Was fällt diesem Großmaul von Pferd bloß ein!“ fiepte die Stechmücke. „Na warte! Es kommt sich groß und stark vor. Ich bin viel kleiner und schwächer als dieses Pferd. Aber dem werde ich es zeigen!“
Das hörte das Pferd und wieherte. „Dass ich nicht lache! Was kannst du winziger Mückenschiss mir schon zeigen?“
„Das wirst du gleich sehen!“ meinte die Stechmücke. Und damit flog sie zum Pferd, hockte sich auf sein Hinterteil und stach, was sie stechen konnte. Davon wurde das Pferd ganz verrückt, rannte wie wild über die Weide und schlug mit dem Schwanz nach der Stechmücke um sie zu vertreiben.
„Das hast du davon!“ lachte die Stechmücke. „Vielleicht merkst du jetzt, was dir so ein winziger Mückenschiss zeigen kann!“
Eine kurze Geschichte, in der stärkere Beschützer den Kleineren und Schwächeren beizustehen suchen und sich dabei letzten Endes der/die Kleinste am Ende doch als stärker und wirkungsvoller erweist als die scheinbar Größeren und Mächtigeren, zwei Themen, die für jüngere Kinder eine wichtige Rolle spielen.