1.
Es war einmal ein König, der hatte in seinem Land alle Zeitungen verboten. Auch das Radio hatte er abgeschafft und erst recht das Fernsehen. Und wollt ihr wissen, warum? Damit seine Untertanen Neuigkeiten nur aus seiner Nachrichtenbahn erfuhren.
Ja, ihr habt richtig gehört! Dieser König war nämlich ein Eisenbahnfanatiker und er hatte eine Eisenbahn bauen lassen, die durch das ganze Land, durch alle Städte und Dörfer fuhr. Aber diese Eisenbahn diente nicht nur dazu, Leute zu befördern. Wie ihr gleich hören werdet, machte es auch kein Vergnügen, mit dieser Bahn zu reisen. Der König hatte sie vor allem bauen lassen, um die Untertanen mit seinen Anweisungen bekannt zu machen.
Und das ging so: Die Waggons der königlichen Eisenbahn hatten an den Außenwänden Gestelle, in die man Tafeln einschieben konnte. Auf jeder Tafel stand ganz groß ein Buchstabe, und die Tafeln, die die Eisenbahner vor Abfahrt an den Waggons anbrachten, ergaben ganze Wörter. Weil aber auf eine Waggonwand nur wenige Wörter passten, wurden die Waggons so zusammengestellt, dass sich daraus ganze Sätze ergaben, die den Untertanen die Anweisungen des König verkündeten. Damit die Untertanen diese Anweisungen schon von weitem lesen konnte, waren die Tafeln so groß, dass für Fenster kein Platz mehr blieb, die Fahrgäste mussten bei schummeriger Beleuchtung fast im Dunklen sitzen. Damit aber auch alle Untertanen seine Anweisungen erfuhren, hatte der König in allen Städten und Ortschaften lange Brücken bauen lassen, über die zu bestimmten Zeiten die Nachrichtenzüge rollten. Durch die Hauptstadt rollten sie zum Beispiel pünktlich morgens um acht und nachmittags um sechs Uhr. Dabei fuhren sie ganz langsam, damit die Untertanen in Ruhe lesen konnten, was ihnen der König mitteilen ließ. Ich sagte ja schon, dass es wenig Spaß machte mit dieser Bahn zu reisen, nicht nur, dass die Fahrgäste im Halbdunkel saßen, sie waren deshalb auch ewig lange unterwegs, bis sie ans Ziel kamen.
Aber das kümmerte diesen König nicht. Hauptsache, dass alle seine Untertanen seine Anweisungen mitkriegten. Und das ging dann zum Beispiel so: Wenn der König einen anderen König zu Besuch hatte, wollte er seinem Besucher zeigen, wie fleißig und arbeitsam seine Untertanen waren. Dann fuhr ein Zug mit sechs Waggons durch das Land, auf denen man lesen konnte:
Morgen bleibt es – bei Strafe verboten – mit den Händen – in den Hosentaschen – am Straßenrand – herumzustehen.“
Wie viele Waggons hatte wohl dieser Zug?
Ziemlich verrückt, nicht wahr? Dabei war das noch gar nicht die verrückteste Anordnung. Eines Tages hatte er zum Beispiel gehört, es sei sehr gesund, auf einem Bein zu stehen. Was glaubt ihr, was da am nächsten Tag auf einem Zug mit fünf Waggons zu lesen stand?
Um die Volksgesundheit – zu verbessern, müssen – ab sofort alle Untertanen – zwischen sieben und acht Uhr – auf einem Bein stehen.
Wie viele Waggons hatte dieser Zug?
Oder ein anderes Mal hatten seine Minister geklagt, dass die Leute bis um zehn Uhr im Bett herumfaulenzen statt sich an ihre Arbeit zu machen. Da ließ er am nächsten Tag einen Zug fahren, mit dem er anordnete:
Alle Frauen – müssen ab sofort – morgens um sechs Uhr – so lange mit dem Kochlöffel – auf einen Kochtopf – schlagen, bis alle aufwachen – und arbeiten gehen.
Wie viele Waggons hatte wohl dieser Zug?
2.
Diese letzte Botschaft war besonders gemein, weil der König selber nie vor zehn Uhr aus dem Bett kam. Kein Wunder, dass er eine Tochter hatte, die stinkfaul war und überhaupt erst zum Mittagessen aufstand. Und auch danach lag sie nur faul herum, schaute vielleicht noch ein Viertelstündchen aus dem Fenster und legte sich aber gleich danach zum Mittagsschlaf wieder ins Bett.
Diese Prinzessin war sogar zu faul, sich eine Mücke auf ihrem Gesicht zu verjagen, und damit sie nicht immer von Mückenstichen entstellt herumlief, hatte der König eine Dienerin angestellt, die ihr die Mücken vom Gesicht verscheuchen musste. Und weil die Prinzessin fast den ganzen Tag im Bett lag, hatte sie auch keine Zeit etwas zu lernen und blieb strohdumm. Das Einzige, was sie wirklich konnte, war auf der faulen Haut zu liegen.
Solange sie ein Kind war, machte das dem König nichts aus. Er sagte sich: „Das verwächst sich!“ Aber inzwischen war die Prinzessin eine erwachsene Frau und es hatte sich kein bisschen verwachsen: Sie war immer noch stinkfaul und strohdumm.
Da begann der König sich zu fragen: „Wie soll das faule Aas jemals einen Mann kriegen?“ Er beschloss, die Prinzessin so schnell wie möglich zu verheiraten. Aber das war leichter gedacht als getan. Sämtliche Königssöhne im Umkreis von 1000 Kilometern hatten sich schon geweigert, diese stinkfaule und strohdumme Prinzessin zu heiraten. Darum ließ der König eines Tages mit der Nachrichtenbahn bekannt machen:
Jeder junge Mann, – ob arm oder reich – klug oder dumm – schön oder hässlich – darf sich ab sofort – beim König um die Hand – der Prinzessin bewerben.
Wie lang war wohl diesmal der Zug?
Was glaubt ihr, wie viele junge Männer sich darum rissen, die Prinzessin zu heiraten? Keiner, nicht ein einziger! Obwohl das der König niemals auf seiner Nachrichtenbahn bekannt gegeben hatte, hatte sich längst herumgesprochen, dass die gute Prinzessin stinkfaul und strohdumm war. Darum wollte sie auch keiner heiraten.
Der König war verzweifelt. Er rief seine Berater und Minister zusammen und erklärte: „Meine Herren, es geht um eine äußerst delikate Angelegenheit. Meine Tochter ist im heiratsfähigen Alter und ich möchte sie, je früher desto lieber, verehelichen. Sie wissen, sie ist nicht die Emsigste und nicht die Klügste, aber sie ist immerhin eine Prinzessin. Ich bitte um Ratschläge, wie wir sie an den Mann bringen.“
Die versammelten Ratgeber und Minister wussten natürlich nur zu gut, dass sich schon sämtliche Königssöhne im Umkreis von 1000 Kilometern geweigert hatten, diese Prinzessin zu heiraten, ja dass sie noch nicht einmal ein einziger Untertan des Königs haben wollte. Weil keiner einen Rat wusste, schwiegen sie betreten.
Da sagte der König zum Premierminister: „Du bist der erste Minister, du musst eine Lösung finden, sonst bist du erster Minister gewesen und wirst abgesetzt.“
Der erste Minister aber wollte erster Minister bleiben. Darum antwortete er: „Majestät, es ist davon auszugehen, dass nur ein Mann die Prinzessin heiraten kann, der ihr an Emsigkeit und Klugheit das Wasser reichen kann. Ich rate also, den dümmsten und faulsten Kerl in Ihrem Königreich zu suchen und ihn mit der Prinzessin zu verheiraten.“
„Sehr gut geraten!“ meinte der König. „Aber wie finden wir den dümmsten und faulsten Kerl des Königreiches?“
„Ganz einfach: wir schreiben über die Nachrichtenbahn einen Wettbewerb aus, mit dem wir die drei faulsten Kerle des Königreichs ermitteln. Die Gewinner bekommen einen Sack voll Gold.“
3.
Das fand der König schon deswegen großartig, weil er dafür seine geliebte Nachrichtenbahn fahren lassen konnte. Und so kam es, dass die Nachrichtenbahn am nächsten Tag die Untertanen aufforderte, sich an einem Faulheitswettbewerb zu beteiligen.
Könnt ihr euch denken, mit welcher Nachricht die Bahn am nächsten Tag durch das Königreich rollte?
Wer nachweisen kann, – dass er der faulste Mann – im gesamten Königreich ist, – erhält 1000 Goldstücke.
Zu diesem Wettbewerb drängten sich die Bewerber. Für 1000 Goldstücke wollte jeder beweisen, dass er der faulste Untertan des Königs sei. Einer nach dem andern wurden vor den König geführt und musste begründen, weshalb sie sich für den allerfaulsten Untertan hielten.
Weil sich so viele Bewerber gemeldet hatten, dauerte es Tage und Monate, bis alle vor dem König ausgesagt hatten. Am Schluss machten drei Bewerber das Rennen, die der König tatsächlich für die allerfaulsten hielt, die ihm je unter die Augen gekommen waren. Wollt ihr wissen, was die drei Kerle dem König erzählt hatten?
Der erste Faulenzer erklärte:
„Einen fauleren als mich kann es nicht geben. Ich gehe nämlich Tag für Tag hungrig ins Gasthaus und komme noch hungriger wieder heraus, weil ich zu faul bin, Messer oder Gabel in die Hand zu nehmen, um das bestellte Essen zu essen. Aber zahlen muss ich es trotzdem.“
Der zweite Faulenzer erklärte:
„Ach was! Wetten, dass ich noch viel fauler bin! Ich schieße nämlich jeden Abend mit einer Pistole die Birne in meiner Schlafzimmerlampe kaputt, weil ich zu faul bin, den Schalter auszuknipsen.“
Der dritte Faulenzer erklärte:
„Na und? Das ist doch noch gar nichts gegen mich! Wenn ich nämlich mit dem Fahrrad zum Einkaufen fahre, muss ich immer am Supermarkt vorbeirasen, weil ich zu faul bin, vom Fahrrad abzusteigen. Und dann muss ich so lange weiterfahren, bis ich endlich vor Erschöpfung vom Fahrrad falle.“
Was hättet ihr an deren Stelle dem König gesagt? Vielleicht seid ihr ja selber noch fauler als diese drei Faulenzer.
4.
Der König war sehr zufrieden mit dem Ergebnis: „Gut! Die drei schlimmsten Faulenzer haben wir!“ meinte er zu seinem ersten Minister. „Aber wie kriegen wir jetzt heraus, wer von ihnen der Dümmste ist?“
„Ganz einfach,“ erklärte der Minister. „Wir schicken drei Botschaften mit der Nachrichtenbahn herum, in denen wir die Wörter vertauschen. Die drei Faulen müssen dann raten, was damit gemeint ist. Wer die blödeste Antwort gibt, muss die Prinzessin heiraten.“
Der König war begeistert. Eine ganze Nacht lang dachte er sich verdrehte Nachrichten aus.
Am nächsten Tag fuhr die Nachrichtenbahn mit der Botschaft durchs Land:
Auf dem Mist – bohrt der Hahn – während die Prinzessin – in der Nase kräht.
Die Untertanen schüttelten nur den Kopf und dachten: „Ist dieser König denn jetzt endgültig übergeschnappt?
Im Palast ließ der König die drei Faulenzer kommen und herrschte sie an: „Welche Botschaft verbreitete heute die Nachrichtenbahn? Ihr habt fünf Minuten Zeit! Schreibt die Botschaft auf einen Zettel!“
Nun, der erste Faulenzer kratzte sich am Schädel und meinte: „Also meiner Meinung nach muss es geheißen haben …“ Und dann las er aus seinem Zettel vor: „Während der Hahn kräht, bohrt die Prinzessin auf dem Mist in der Nase.“
Der zweite Faulenzer antwortete: „Quatsch! Tatsächlich ließ der König verkünden.…“ Und dann las er vor: „Während die Nase in der Prinzessin kräht, bohrt der Hahn auf dem Mist.“
Der dritte Faulenzer meinte. „Was gibt es da zu rätseln? Es sollte natürlich heißen: „Während der Hahn in der Nase kräht‚ bohrt die Prinzessin auf dem Mist.“
Was meint ihr dazu? Wer von den dreien hat den Satz richtig zusammengestellt? Natürlich keiner!
Aber wie muss er richtig heißen?
„Während die Prinzessin in der Nase bohrt, kräht der Hahn auf dem Mist.“
5.
Den König begeisterten die Antworten der drei Faulenzer, und weil es so gut klappte, ließ er gleich einen zweiten Zug mit einer verdrehten Botschaft losfahren:
Findet die große Zehe – die Prinzessin aus dem Bett – streckt es aber – zum Aufstehen.
Was schrieben da die drei Faulenzer auf?
Der erste Faulenzer verkündete: „Zum Aufstehen viel zu kalt findet die große Zehe, die Prinzessin streckt es aber aus dem Bett.“
Der zweite Faulenzer fand heraus: „Die große Zehe streckt es aber viel zu kalt aus dem Bett, die Prinzessin findet zum Aufstehen.“
Der dritte Faulenzer erklärte: „Zum Aufstehen findet die Prinzessin die große Zehe, aus dem Bett streckt es aber viel zu kalt.“
Wer von den dreien hat den Satz richtig zusammengestellt? Natürlich keiner!
Aber wie muss er richtig heißen?
„Die Prinzessin streckt die große Zehe aus dem Bett, findet es aber viel zu kalt zum Aufstehen.“
6.
Das klappte ja vorzüglich, freute sich der König und ließ gleich noch einen dritten Zug losfahren:
Die Prinzessin – schnarcht die Milch – so tierisch laut – im Kühlschrank – dass davon sauer – wird im Bett.
Diesmal meinte der erste Faulenzer: „Die Milch im Bett schnarcht so tierisch laut, dass die Prinzessin im Kühlschrank davon sauer wird.“
Der zweite Faulenzer erklärte: „Die Prinzessin wird im Bett so tierisch sauer, dass die Milch im Kühlschrank davon laut schnarcht.“
Der dritte Dummkopf verkündete: „Die Prinzessin schnarcht so tierisch laut im Kühlschrank, dass die Milch im Bett davon sauer wird.“
Wer von den dreien hat den Satz richtig zusammengestellt? Natürlich wieder keiner!
Aber wie muss er richtig heißen?
„Die Prinzessin schnarcht im Bett so tierisch laut, dass die Milch im Kühlschrank davon sauer wird.“
Nun ratet!
Wer ist der Dümmste von den drei Faulenzern?
Wen würdet ihr mit der faueln Prinzessin verheiraten?
7.
Der verrückte König beauftragte einen Richter, den Dümmsten auf der Stelle dazu zu verurteilen, die Prinzessin zu heiraten. Die Dauer der Strafe lautete: lebenslang.
Dann führte der König den dümmsten und faulsten Mann des Königreichs zu seiner Tochter, der Prinzessin, und sagte: „Hier bringe ich dir deinen zukünftigen Ehemann.“
Die Prinzessin war gerade am Dösen, sie machte ein Auge auf und fragte: „Und deswegen weckst du mich?“
Der König wurde ungehalten: „Steh auf! Heute wird deine Hochzeit gefeiert!“
„Du kannst ja Hochzeit feiern, wenn dir danach ist. Ich muss mich erst etwas ausruhen!“ Und damit klappte das Auge wieder zu.
Aber gleich darauf klappte das zweite Auge auf und sagte: „Und überhaupt! Meinen Mann suche ich mir selber aus. Merk dir das!“ Und damit klappte auch das zweite Auge wieder zu.
So strohdumm war sie ja doch nicht, dass sie sich irgendeinen Blödmann als Ehemann andrehen ließ. Stinkfaul war sie aber wohl dennoch, denn kaum hatte sie das Auge zugemacht, fiel die Prinzessin schon wieder in einen tiefen Schlaf. Da konnte der König sie rütteln und schütteln, so viel er wollte, sie wachte einfach nicht auf. Vielleicht hat sie sich auch nur schlafend gestellt, das weiß ich nicht. Jedenfalls musste die Hochzeit abgesagt werden und möglicherweise ist die stinkfaule und strohdumme Prinzessin bis heute noch nicht verheiratet, weil sie zu faul war, sich selber einen Ehemann zu suchen.
Angeregt wurde diese Geschichte durch das ukrainische Volksmärchen von der faulen Prinzessin.
Sie versucht Satzstruktur und Satzbildung über eine absurde Erzählung bewusst zu machen.
Im zweiten Teil können zerrissene Satzteile über ein gemeinsame Erzählspiel zu sinnvollen und regelgerechten Sätzen zusammengefügt und darüber Regeln der Satzbildung angewendet werden. Das kann in gemeinsamer Überlegung mündlich geschehen, indem man zusammen überlegt, wie der Satz lauten muss.
Dabei kann man auch Lesen und Schreiben einbeziehen. Dann können einzelne Kinder bereits die Anweisungen auf den Nachrichtenzügen von vorbereiteten Zetteln vorlesen. (Dazu lassen sich schematische Züge zeichnen, auf deren Waggons die Satzteile erscheinen.)
Im zweiten Teil dürfen wiederum Kinder erst die verdrehten Nachrichten vorlesen, danach bekommen sie Zettel, um darauf die richtige Reihenfolge der verdrehten Satzteile zu notieren.
In diesem Fall verlesen die Erzählenden die Lösungen der Dummköpfe von mitgebrachten Notizzetteln, bevor die Kinder ihre „richtigen“ Sätze vortragen.