Marie war allein zu Hause, da klingelte es an der Haustür. Sie blickte durch das Guckloch der Tür: Im Hausflur stand ein Mann vom Paketdienst mit einer großen Holzkiste. „Ist das für uns?“ fragte Marie durch die Tür.
„Wohnt hier eine Marie Müller?“ fragte der Mann von der Post.
„Das bin ich,“ antwortete Marie und machte auf.
„Dann ist diese Sendung ja für dich.“ Der Mann versuchte die Holzkiste durch die Wohnungstür zu schieben. Aber die Kiste war zu breit, sie ging nicht durch die Wohnungstür.
„Vielleicht geht sie ja durch das große Wohnzimmerfenster,“ meinte Marie. Zum Glück wohnten sie im Erdgeschoß. Sie machte das Wohnzimmerfenster auf, der Mann von der Post hob die Kiste von außen auf das Fensterbrett, kam in das Zimmer zurück und setzte sie auf den Fußboden. Dann grüßte er und ging.
Natürlich brannte Marie darauf nachzusehen, was in der Kiste war. Dazu musste sie erst den Deckel von der Kiste abnehmen, aber der war zugenagelt. Aber sie wusste sich zu helfen: Sie holte ein Stemmeisen aus dem Keller, schob es in die Ritze zwischen den Deckel und der Kiste und drückte dann mit ihrem ganzen Gewicht auf das Eisen. Da gaben die Nägel nach und zogen sich aus dem Holz. Das machte sie an allen vier Seiten und jetzt konnte sie den Deckel von der Kiste heben.
Und was fand sie in der Kiste?
Einen Umzugskarton, der mit breiten Klebebändern verschlossen war. Der war so groß. Sie hob den Karton aus der Kiste, riss die Klebebänder ab und klappte die Laschen des Kartons auf.
Und was fand sie in dem Karton?
Einen alten Lederkoffer mit zwei Schnallen. Der war so groß. Sie drückte auf die Schnallen, der Kofferdeckel sprang auf. Und was fand Marie in dem Koffer?
Einen Sack, die mit einem dicken Band verschnürt war.
Einen Schulranzen, dessen Klappe von einem Klettverschluss gehalten wurde.
Einen mit einer Schnur verschnürten Schuhkarton.
Eine Handtasche mit einem Reißverschluss.
Eine Schatzkiste aus Blech mit einem Schlüssel im Schloss.
Eine Einkaufstüte, deren Enden verknotet waren.
Ein Marmeladenglas mit einem Schraubdeckel.
Und was fand Marie in (dem letzten Behältnis)?
Eine Plastikmuschel zum Aufklappen.
Und was fand Marie in der rosaroten Plastikmuschel?
Nichts als weiße Watte. Aber als sie enttäuscht in der Watte herumwühlte, stießen ihre Finger auf ein klitzekleines rotes Pappschächtelchen. Das war so klein. Marie brauchte lange um das klitzekleine Deckelchen von dem klitzekleinen Schächtelchen zu nehmen.
Und was sah Marie in dem klitzekleinen Schächtelchen? Gar nichts sah sie, es war leer. Aber sie spürte etwas. So etwas wie einen Windhauch, der ihre Backe streifte. Dann hörte sie hinter sich eine Stimme: „Hallo, Marie.“ Sie drehte sich um, da stand ein Junge hinter ihr.
„Wer bist denn du?“ staunte Marie.
„Ich bin dein Freund.“
„Wenn du mein Freund bist, dann spielen wir jetzt zusammen,“ freute sich Marie.
„Aber nimm das klitzekleine Pappschächtelchen mit!“ sagte der neue Freund, als sie spielen gingen.
Nach einer Stunde kam Maries Mama nach Hause. Sie staunte nicht schlecht, als sie ins Wohnzimmer kam. Was lag da alles kreuz und quer im Wohnzimmer herum?
Die genannten Behälter wiederholen lassen.
Eine riesige Holzkiste, ein Umzugskarton, eine Korbkiste, eine Hutschachtel, ein hölzernes Kästchen, ein viereckiges buntbemaltes Blechkästchen, eine sechseckige Sternenschachtel und eine rosarote Plastikmuschel.
„Marie!“ rief die Mutter. „Marie!“
„Warte!“ sagte Maries neuer Freund. „Mach das klitzekleine rote Pappschächtelchen auf und sag:
Lieber Freund, mach dich klein!
Geh in deine Schachtel rein!
Und wenn ich wieder kommen soll, sagst du:
Mein Freund in deinem kleinen Haus,
Komm bitte aus der Schachtel raus!“
„Wohnst du in dem klitzekleinen roten Pappschächtelchen?“ Der Freund nickte nur.
„Marie!“ rief die Mutter wieder.
Und was sagte da Marie?
Kinder wiederholen lassen.
„Lieber Freund, mach dich klein!
Geh in deine Schachtel rein!“
Sie hörte ein feines Geräusch, wie wenn man die Luft einsaugt, und ihr neuer Freund war verschwunden.
„Marie!“ rief die Mutter und es hörte sich ärgerlich an. „Wo bleibst du?“
„Ja, ja, ich komme ja schon.“
Sie steckte das klitzekleine Schächtelchen in die Hosentasche und lief ins Wohnzimmer.
„Wie schaut das hier aus? Woher kommt denn das Zeug?“
„Ach,“ sagte Marie. „Ich hab eine so eine große Kiste bekommen. Aber stell dir vor, was da drin war!“
Könnt ihr euch denken, was sie ihrer Mama erklärte?
„In der großen Kiste war dieser Umzugskarton,
( möglichst die Kinder weiter aufzählen lassen)
im Umzugskarton dieser Lederkoffer, im Lederkoffer dieser Sack, im Sack dieser Schulranzen, im Schulranzen dieser Schuhkarton, im Schuhkarton diese Hand- tasche, in der Handtasche dieses Schatzkistchen, im Schatzkistchen diese Ein- kaufstüte, in der Einkaufstüte dieses Marmeladenglas, im Marmeladenglas diese Plastikmuschel…
„Und was war in der Plastikmuschel?“
„Nichts als weiße Watte.“
Denn von dem klitzekleinen roten Schächtelchen mit dem geheimen Freund verriet Marie nichts.
„Na so was!“ meinte die Mama und untersuchte den Kistendeckel. Dort stand nur die Adresse von Marie, aber kein Absender von dem, der die Kiste geschickt hatte.
„Möchte bloß wissen, wer sich solche blöden Scherze ausdenkt,“ meinte die Mutter.
Marie war es egal, wer die Kiste geschickt hatte. Hauptsache, sie hatte einen geheimen Freund. Und den rief Marie immer, wenn sie sich langweilte. Oder wenn sie allein war und Angst hatte. Oder wenn sie allein etwas nicht hin kriegte. Dann vertrieb ihr der geheime Freund Langeweile oder Angst oder half ihr dabei hinzukriegen, was sie allein nicht schaffte.
Wisst ihr noch, was sie sagen musste, damit er aus dem klitzekleinen roten Schächtelchen kam?
„Mein Freund in deinem kleinen Haus,
Komm bitte aus der Schachtel raus!“
Und was sie später sagen musste, damit er wieder im klitzekleinen Schächtelchen verschwand?
„Lieber Freund, mach dich klein!
Geh in deine Schachtel rein!“
Ihr könnt euch ja sicher vorstellen, was die beiden schon alles zusammen gemacht haben.
In dieser Geschichte geht es darum, dass die Zuhörenden sich jeweils passende Behälter ausdenken, die dazu gehörenden Begriffe finden und sie später wiederholend aufzählen, es geht also sprachlich um ein „Begriffsfeld“.
Beim Erzählen sind die abnehmenden Ausmaße der Behälter jeweils mit den Händen zu zeigen und es ist darauf zu achten, dass die Behältnisse auch ineinander passen, dass z. B. kein Koffer aus einer Handtasche gezogen wird.
Der geheime Freund stellt ein Wunschbild vieler Kinder dar, darum muss hier die Schlussepisode etwas ausführlicher erzählt werden. Das Thema geheimer Freund/Freundin kann man hinterher mit den Kindern zur Sprache bringen.