Ist euch das auch schon passiert? Man ist gerade am Einschlafen, da macht es plopp, plopp, plopp. Mist noch mal, der Wasserhahn ist nicht ganz zugedreht und tropft. Du ziehst dir die Bettdecke über den Kopf und versuchst trotzdem einzuschlafen, aber auch unter der Decke hörst du noch dieses plopp, plopp, plopp. Bis du aus dem Bett springst und den verflixten Hahn zudrehst. Und nun stellt euch erst mal vor, ihr wärt eine Badewanne, und der Wasserhahn über euch ist undicht. Plopp, plopp, plopp fallen die Tropfen in die leere Wanne und dröhnen. Was kann eine alte Badewanne dagegen machen? Die versucht natürlich auch erst einmal, trotzdem einzuschlafen. Bis es ihr zu dumm wird.
„He, kannst du nicht endlich dieses verdammte Tropfen abstellen. Ich krieg ja die ganze Nacht kein Auge zu.“
„Was kann ich denn dafür? Ich bin eben nicht mehr ganz dicht“, brummt der Wasserhahn und tropft weiter, plopp, plopp, plopp.
Also noch mal versuchen einzuschlafen!
Plopp, plopp, plopp, nichts zu machen. Jetzt reicht es, jetzt muss was passieren!
Und was machen die beiden, meine alte Badewanne und ihr Wasserhahn? Die kommen zu mir ans Bett geschlichen, mitten in der Nacht. Zum Glück habe ich einen gesegneten Schlaf. Ich wache erst auf, als mir der Wasserhahn dreimal auf die Nase tropft, plopp, plopp, plopp. Ich mache die Augen auf und glaube, ich träume noch: die Badewanne und der Wasserhahn neben meinem Bett. „He, was wollt ihr denn hier?“
„Ich bin undicht“, sagt der Wasserhahn. Und die Badewanne stöhnt: „Und ich krieg die ganze Nacht kein Auge zu.“
Wie bitte, mich deswegen aus dem Schlaf zu reißen? „Bin ich vielleicht der Hausmeister?“ sage ich und drehe mich auf die andere Seite.
Aha, also der Hausmeister repariert undichte Wasserhähne. Meine Badewanne watschelt mit dem Wasserhahn runter ins Erdgeschoss und läutet unseren Hausmeister raus. Der geht sowieso gleich immer an die Decke, und erst recht, wenn eine Badewanne und ein Wasserhahn vor seiner Tür stehen, mitten in der Nacht. „Ich werde noch wahnsinnig in diesem Saftladen hier! Reitet euch denn der Teufel?“
„Ich bin undicht“, sagt der Wasserhahn. Plopp, plopp, plopp. Und die Badewanne stöhnt: „Und ich krieg die ganze Nacht kein Auge zu.“
„Hoffnungslos. Hab ich schon dreimal repariert. Das ist doch alles Schrott“ , schimpft der Hausmeis-ter. “ Und überhaupt, bin ich vielleicht der Arzt? Der macht Nachtdienst, aber nicht der Hausmeister.
Der Wasserhahn ist gekränkt, dass er nur Schrott sein soll. Er dreht voll auf und spritzt dem Hausmeister kräftig ins Gesicht, bevor der die Tür zuknallt.
Aha, der Arzt macht also Nachtdienst. Meine Badewanne watschelt mit dem Wasserhahn auf die Straße und klingelt den nächsten Arzt heraus. „Nun, wo fehlt es uns denn?“ meint der Arzt.
„Ich bin undicht“, sagt der Wasserhahn. Plopp, plopp, plopp. Und die Badewanne stöhnt: „Und ich krieg die ganze Nacht kein Auge zu.“
Der Arzt sieht den Wasserhahn einmal scharf an. Sieh an, der Kerl tropft. Klarer Fall von Schnupfen. Und schon schiebt er eine Handvoll Tabletten in den Wasserhahn rein. Aber wie soll ein undichter Wasserhahn Tabletten schlucken? Sie fallen natürlich gleich wieder raus und bekleckern den blütenweißen Arztkittel.
„Raus“, schimpft der Arzt. „Wer zu dumm ist, Tabletten einzunehmen, dem kann ich auch nicht helfen. Und überhaupt, bin ich vielleicht der Klempner?“
Aha, der Klempner repariert also kaputte Wasserhähne. Meine Badewanne watschelt mit dem Wasserhahn zum nächsten Klempner. Der ist vielleicht begeistert, dass er von einer Badewanne und ei-nem Wasserhahn aus dem Bett geholt wird, mitten in der Nacht. Und er fährt die beiden an: “ Ihr seid ja wohl nicht ganz dicht.“
„Nein“, sagt der Wasserhahn. „Nur ich bin undicht.“ Plopp, plopp, plopp. Und die Badewanne stöhnt: „Und ich krieg die ganze Nacht kein Auge zu.“
„Na ja“, meint der Klempner gutmütig, „es ist ja nur ein Handgriff. Hahn abschrauben, neue Dichtung rein und wieder zuschrauben. Aber habt ihr auch Geld dabei?“
Wo sollen eine alte Badewanne und ein Wasserhahn Geld hernehmen? Aber ohne Geld macht der Klempner nun mal keinen Finger krumm.
„Wenn es aber doch bloß ein Handgriff ist,“ bettelt die Badewanne. „Ich krieg doch die ganze Nacht kein Auge zu.“
„Nein, nein, ihr Süßen. Entweder bar auf die Hand, oder ihr bringt mir eine Auftragsbestätigung von eurem Hausbesitzer.“
Aha, eine Auftragsbestätigung vom Hausbesitzer braucht man also für so eine Reparatur. Meine Badewanne watschelt mit dem Wasserhahn zum Hausbesitzer, und das ist ganz schön weit. Und obendrein gießt es inzwischen in Strömen, das Regenwasser sammelt sich in der Wanne, sie wird schwe-rer und schwerer und kommt kaum noch vorwärts auf ihren Stummelbeinchen. Doch der Wasserhahn findet Regen schön. Da merkt nämlich keiner, dass er tropft.
Klingelt ihr mal euren Hausbesitzer wegen einer Auftragsbestätigung aus dem Schlaf, mitten in der Nacht! Da kriegt ihr bestimmt das Gleiche zu hören wie die Badewanne und der Wasserhahn: „Unerhört. Empörend. Der Gipfel.“
„Wenn ich aber doch undicht bin,“ sagt der Wasserhahn. Plopp, plopp, plopp. Und die Badewanne stöhnt: „Und ich krieg die ganze Nacht kein Auge zu.“
Dann will der Hausbesitzer aber doch wissen, aus welchem Haus sie kommen. „Wie bitte? Diese Bruchbude? Da steck ich keinen Pfennig mehr rein. Die wird doch sowieso bald abgerissen. „
Die Badewanne glaubt, sie hört nicht recht. Das Haus abreißen, in dem sie seit über fünfzig Jahren wohnt? Das ist doch noch immer gut in Schuss. Die Badewanne geht nach vorn hoch und kippt dem Hausbesitzer das ganze gesammelte Regenwasser in den Hausflur. Das hat er davon!
Ja, aber was sollen sie jetzt machen? Der Wasserhahn tropft ja immer noch. Und die Badewanne kriegt die ganze Nacht kein Auge zu.
„Wenn du in die Jahre kommst,“ jammert der Wasserhahn, „dann hilft dir keiner mehr.“ Plopp, plopp, plopp. Aber meine Badewanne steckt deswegen noch lange nicht auf. „Dann müssen wir uns eben selber helfen.“
Es ist für eine dicke Badewanne weiß Gott keine Kleinigkeit, die enge Kellertreppe in den Werkzeugkeller runterzusteigen, aber meine Badewanne schafft es. Nur, wie soll sie nun den Wasserhahn abschrauben? Mit ihren kurzen Stummelfüßchen vielleicht? Sie zetert so lange herum, bis die Rohrzange aus der Werkzeugkiste glotzt. „Was soll denn der Tanz hier, mitten in der Nacht?“
„Ich bin undicht“, sagt der Wasserhahn. Plopp, plopp, plopp. Und die Badewanne stöhnt: „Und ich krieg die ganze Nacht kein Auge zu. „
Die Rohrzange möchte ja gern, aber sie weiß nicht so genau, wie das geht. Sonst führt sie doch immer der Hausmeister in der Hand.
„Erst abschrauben“, sagt der alte Wasserhahn. Fast hätte ihn die Rohrzange nicht abgekriegt, das Gewinde war vom Alter ziemlich verdreckt. „Jetzt die alte Dichtung raus, die neue reinlegen. Dann wieder zuschrauben und richtig festziehen. Aua.“ Bis jetzt hat sich der Wasserhahn ja zusammengerissen, aber als die Zange ihn beim Festziehen so richtig scharf anpackt, da muss er schreien vor Schmerz.
Dann warten sie alle einen Moment, ob der Wasserhahn noch tropft. Seid mal kurz ganz ruhig! Tatsächlich, er tropft nicht mehr .
Da sind die beiden glücklich ins Badezimmer zurückgewackelt, die Badewanne ist auf der Stelle eingeschlafen und hat geschlafen: zwei Tage, drei Tage, vier Tage, und heute morgen hat sie immer noch geschlafen. Ich müsste ja längst mal wieder baden, aber ich kann sie jetzt doch nicht einfach aufwecken, wo sie eine ganze Nacht lang kein Auge zugekriegt hat. Aber passt nur auf, sobald sie wieder aufwacht, hole ich das alles nach. Dann bade ich mindestens drei Tage lang ununterbrochen.
Ursprünglich erschienen in: Johannes Merkel: Ich kann euch was erzählen. Spielgeschichten, Rotfuchs 292, Rowohltverlag Reinbek 1981
Zeichnung von Dieter Malzacher