Johan­nes Merkel

Auf die von Kin­dern oft geäu­ßer­te Bit­te, doch eine Geschich­te zu erzäh­len, begeg­nen die meis­ten Erwach­se­nen mit der Aus­flucht, sie wüss­ten kei­ne und grei­fen lie­ber nach einem Kin­der­buch, das ja schließ­lich jemand geschrie­ben hat, der das ver­steht. Ein dop­pel­ter Irr­tum: Ein­mal erzäh­len Schrift­stel­ler nicht von vorn­her­ein die bes­se­ren Geschich­ten, sie haben sie nur bes­ser zu schrei­ben gelernt. Und beim Erzäh­len kommt es nicht auf die geschlif­fe­ne For­mu­lie­rung an. Zwei­tens kann kein Buch die per­sön­li­che Zuwen­dung erset­zen, die das Erzäh­len über­haupt, und beson­ders für Kin­der so beein­dru­ckend macht. Denn ob er es will oder nicht, teilt der Erzäh­ler nicht nur eine Geschich­te, son­dern auch sich sel­ber mit, sei­ne Art die Din­ge zu sehen, sei­ne Erfah­run­gen, sei­ne Nei­gun­gen, sei­ne Gefüh­le. Die Zuhö­ren­den haben nicht nur eine Geschich­te, son­dern den gan­zen Men­schen mit­be­kom­men. Und des­we­gen bleibt eine erzähl­te Geschich­te auch dann hin­rei­ßend, wenn sie weni­ger per­fekt gebaut und aus­for­mu­liert ist.

Neben­bei gesagt
Wenn vom Erzäh­len gere­det wird, wird damit meist das Schrei­ben von Erzäh­lun­gen gemeint, und dar­an zeigt sich, wie sehr wir die­ses Medi­um, das uns doch allen ver­füg­bar ist und das wir seit der Kind­heit hand­ha­ben, an Schrift­stel­ler und Medi­en­ma­cher abzu­ge­ben bereit sind. Wenn im fol­gen­den vom Erzäh­len gespro­chen wird, ist damit aus­schließ­lich die per­sön­li­che und münd­li­che Erzäh­lung zwi­schen Men­schen gemeint, die sich sehen, hören, rie­chen und begrei­fen können.

Die Dop­pel­na­tur von Geschich­ten
Geschich­ten stel­len stets eine Mischung von „Wirk­lich­keit“ und „Phan­ta­sie“ dar: Wir ver­set­zen unse­re sozia­le Erfah­rung mit unse­ren Wün­schen, Ängs­ten und Erwar­tun­gen. Es ist die­se Mischung, die sie so anzie­hend und unter­halt­sam macht, weil sie die sonst hart erfah­re­ne Gren­ze zwi­schen der per­sön­li­chen inne­ren und der sozia­len Außen­welt ver­wischt, bei­de Berei­che mensch­li­cher Erfah­rung mit­ein­an­der ver­söhnt, die sich in der „Wirk­lich­keit“ meist so hart anein­an­der sto­ßen. Will man Geschich­ten erfin­den, kann man von bei­den Sei­ten aus­ge­hen, ent­we­der das Mate­ri­al der Erfah­rung mit Phan­ta­sie ver­set­zen oder phan­tas­ti­sche Ein­fäl­le in der sozia­len All­tags­welt durchspielen.

Abteilung Eins: Geschichten nach der Erfahrung

1.1. Erlebnisse aus der eigenen Kindheit

Im übri­gen ist die Angst, nichts erzäh­len zu kön­nen, eigent­lich unbe­grün­det. Alle mensch­li­che Erfah­rung kris­tal­li­siert zu erzähl­ba­ren Erleb­nis­sen, man braucht sich nur dar­auf ein­zu­las­sen. Am ein­fachs­ten geht das mit Erleb­nis­sen aus der eige­nen Kind­heit, ein The­ma, das Kin­der des­to bren­nen­der inter­es­siert, je näher sie dem Erzäh­ler ste­hen.
Man wird dabei rasch eine bezeich­nen­de Beob­ach­tung machen: Je öfter und je begeis­ter­ter man davon erzählt, eine des­to leuch­ten­de­re und bedeut­sa­me­re Kind­heit wird man gehabt haben – und nach wie­der­hol­tem Erzäh­len selbst nicht mehr recht unter­schei­den kön­nen, was man „wirk­lich“ erlebt und was man im Eifer des Erzäh­lens aus­ge­schmückt hat. Es liegt in der Natur des Erzäh­lens Lücken zu ergän­zen und Erleb­nis­se abzu­run­den, und je unbe­fan­ge­ner wir uns dar­auf ein­las­sen, des­to offe­ne­re Ohren wer­den wir fin­den. Und für die­je­ni­gen, die die Vor­stel­lung plagt, des­halb als Tat­sa­chen­ver­dre­her und Lüg­ner dazu­ste­hen, sei gesagt, dass sie die „Wahr­heit“ so wenig zu ver­mit­teln ver­mö­gen wie die His­to­ri­ker, die uns in immer neu­en Anläu­fen immer neue Sicht­wei­sen des Mit­tel­al­ters oder des Zwei­ten Welt­kriegs geben. Denn was wir ges­tern erlebt haben, ist schon heu­te Geschich­te und ist nur noch so weit leben­dig, wie wir es zu erzäh­len vermögen.

1.2. Das Ausschmücken des Erlebten

Statt dass uns „Ver­bes­se­run­gen“ nur unter­lau­fen, las­sen sich unse­re Erleb­nis­se auch bewusst als Stein­bruch für gute Geschich­ten nut­zen. Man braucht dazu nichts wei­ter tun als die vie­len klei­ne­ren und grö­ße­ren Ereig­nis­se, die wir aus der Kind­heit oder aus spä­te­ren Jah­ren erin­nern, wei­ter­zu­spin­nen und aus­zu­phan­ta­sie­ren. Es lohnt sich zu beob­ach­ten, in wel­che Rich­tung unse­re Aus­schmü­ckun­gen gehen und die­se Rich­tung dann kon­se­quent wei­ter­zu­ver­fol­gen. Inter­es­san­ter­wei­se sind sie nicht belie­big und nicht zufäl­lig: Sie suchen die Geschich­te run­der zu machen, das „Geschich­ten­sche­ma“ voll­stän­di­ger aus­zu­fül­len und dazu unse­re Hel­den und ihre Hand­lun­gen deut­li­cher her­vor­zu­he­ben, plas­ti­scher her­vor­tre­ten zu las­sen. Und vor allem eine gelun­ge­ne Poin­te ans Ende zu set­zen, die uns die „Wirk­lich­keit“ im all­ge­mei­nen ver­wei­gert. Und da wir schon am Flun­kern sind, spielt es auch kei­ne Rol­le mehr, ob uns das tat­säch­lich selbst pas­siert ist oder wir es nur vom Hören­sa­gen ken­nen. Ent­schei­dend ist, dass eine ver­gnüg­li­che Geschich­te dabei her­aus­springt.
Beim spon­ta­nen Erzäh­len sind es vor allem die sicht­ba­ren und unter­schwel­li­gen Reak­tio­nen unse­rer Zuhö­rer, nach denen wir unse­re Erzäh­lun­gen anrei­chern und aus­ge­stal­ten. Ihre Erwar­tun­gen an eine voll­stän­di­ge und unter­halt­sa­me Erzäh­lung aber lässt sich vor­weg­neh­men, da wir sie mit den Zuhö­rern tei­len. Wir alle haben schon in der Kind­heit gelernt, wie sich eine gute Geschich­te auf­baut und was sie erzähl­bar macht. Wir kön­nen des­halb das Mate­ri­al, das uns All­tags­er­leb­nis­se lie­fern, schon vor jeder Erzäh­lung und sozu­sa­gen im stil­len Käm­mer­lein zu einer erzähl­ba­ren Geschich­te aus­bau­en. All­täg­li­ches ist aller­dings nicht erzähl­bar, erst wo etwas pas­siert, das die gewöhn­li­chen und erwart­ba­ren Abläu­fe stört, kann dar­aus eine Geschich­te wer­den. Meist blei­ben aber auch die­se Stö­run­gen der all­täg­li­chen Rou­ti­ne zu klein, um Anlass für eine gute Erzäh­lung zu bie­ten. Die umge­sto­ße­ne Tas­se und der sich über den Tisch lau­fen­de Kaf­fee ergibt erst dann eine gute Geschich­te, wenn das klei­ne Miss­ge­schick in einer Ket­ten­re­ak­ti­on unge­ahn­te und immer unwahr­schein­li­che­re Kon­se­quen­zen nach sich zieht. Dazu soll­te er wenigs­tens in Tan­te Lisas Pass lau­fen, den sie neben dem Früh­stücktel­ler gelegt hat­te, ihr Visum für Gam­bia ver­schmie­ren, wes­halb sie bei der Ein­rei­se drei Tage auf dem Flug­ha­fen fest­ge­hal­ten wird und über den Hun­ger­ra­tio­nen ihre stän­di­gen Gelenk­schmer­zen verschwinden.

1.3. Die Montage aus Splittern der Erfahrung

Um All­tags­er­eig­nis­se grö­ßer und erzäh­lens­wer­ter zu machen, las­sen sich kurio­se Ereig­nis­se, die man erlebt oder von denen man gehört hat, mit­ein­an­der mon­tie­ren. Statt ein­zel­ne Ereig­nis­se zu ver­grö­ßern mon­tie­ren wir aus dem Mate­ri­al erleb­ter oder gehör­ter Sto­rys neue denk­ba­re Geschich­ten. Das ist nicht ganz ein­fach und ver­langt beträcht­li­che Ein­grif­fe in das Mate­ri­al, weil die ver­schie­de­nen Fund­stü­cke sonst kaum zusam­men­pas­sen und auf­ein­an­der auf­bau­en wür­den. Nur mit einem guten Schuss Phan­ta­sie ver­setzt, wer­den sie sich zu einer durch­ge­hen­den Geschich­te zusam­men­fü­gen, und es kos­tet beträcht­li­che Mühe, sie so mit­ein­an­der zu ver­schwei­ßen, dass eine Erzäh­lung aus einem Guss entsteht.

1.4. Material aus Medienberichten

Fund­stü­cke für Geschich­ten fin­den sich auch immer wie­der in Pres­se und Medi­en­be­rich­ten, ins­be­son­de­re auf den Sei­ten, die „aus aller Welt“ berich­ten oder in den auf­ge­bausch­ten Sto­rys der Bou­le­vard­zei­tun­gen, deren Erfolg zu einem guten Teil dar­auf beruht, dass sie unter der Ober­flä­che tat­sa­chen­ori­en­tier­ter Berich­te kurio­se Geschich­ten erzäh­len (und wo es das Mate­ri­al nicht her­gibt, auch Geschich­ten erfin­den). Ähn­lich ver­fah­ren übri­gens die Quas­sel­sen­dun­gen des Fern­se­hens, in deren „Talk­shows“ unter dem Deck­man­tel ange­reg­ter Unter­hal­tung mög­lichst kurio­se Figu­ren und ihre auf­re­gen­den Lebens­er­fah­run­gen ser­viert wer­den. Benutzt man sol­ches Mate­ri­al, ist dar­auf zu ach­ten, dass man die Form der Nach­richt, in der sie von Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten gebracht wer­den, in eine Erzäh­lung über­führt, die sie ihrem Cha­rak­ter nach sind. Ähn­lich hat man aus den zer­split­ter­ten Gesprächs­bei­trä­gen in Funk und Fern­seh­sen­dun­gen die zusam­men­hän­gen­de Geschich­te her­aus­zu­fil­tern. In der Sen­dung selbst wür­de ja eine Erzäh­lung, die eine län­ge­re Rede­zeit ver­langt weder vom Mode­ra­tor noch von den übri­gen Teil­neh­mern akzep­tiert.
Wenn bei­spiels­wei­se in einem Bade­teich Baden­de von einem geheim­nis­vol­len Tier gebis­sen wer­den – eine Sto­ry, die man in schö­ner Regel­mä­ßig­keit alle paar Jah­re in der Zei­tung lesen kann -, dann wird der Sen­sa­ti­ons­jour­na­list einen Zoo­lo­gen befra­gen, der die Ansicht äußert, es könn­te sich mög­li­cher­wei­se um ein aus­ge­setz­tes Kro­ko­dil han­deln, das sich ein Lieb­ha­ber in der Bade­wan­ne hielt, das ihm dann aber zu gefähr­lich wur­de, und das er aus­setz­te. Will ich dar­aus eine Erzäh­lung machen, könn­te ich ein Kind sich an einem Kie­sel ver­let­zen las­sen, das beim Ver­las­sen des Teichs von einem besorg­ten Erwach­se­nen mit einem Heft­pflas­ter ver­sorgt und neben­bei gefragt wird, was ihr pas­sier­te. Auf die Ant­wort: „Ach irgend­so ein Vieh hat mich gebis­sen“, mel­det das der gute Mann den Behör­den, der See wird für Baden­de gesperrt, die Zei­tun­gen schrei­ben immer wil­de­re Berich­te, bis die besorg­ten Behör­den eines Nachts ein Netz durch das Gewäs­ser zie­hen, aber außer einem Paar alter Schu­he und einer ver­gam­mel­ten Kis­te nichts fin­den. Die Kis­te könn­te aller­dings mit einem ros­ti­gen Schloss ver­schlos­sen sein. Was befin­det sich in dem Kist­chen? Und schon könn­te die Geschich­te auf einem neu­en Gleis weitergehen.

Zwi­schen­be­mer­kung:
Um eine Geschich­te aus­zu­ar­bei­ten ist es übri­gens nicht nötig, eine wört­li­che Fas­sung aus­zu­schrei­ben – und das gilt nun glei­cher­wei­se für alle übri­gen Ver­fah­ren, Geschich­ten zu erfin­den. Die genaue For­mu­lie­rung lässt sich im Moment des Erzäh­lens impro­vi­sie­ren. Was wir aller­dings brau­chen, ist eine genaue Vor­stel­lung, was wann pas­siert, wer wann in wel­cher Wei­se han­delt und was dabei her­aus­kommt. Man soll­te des­halb den Hand­lungs­ab­lauf in kur­zen Sät­zen oder auch in Stich­wor­ten fest­hal­ten und sich ihn als Bild­fol­ge genau ein­prä­gen (oder nach einer Faust­for­mel, die sich als prak­ti­ka­bel erwie­sen hat. eine Art „inne­ren Film“ der Hand­lung bilden).

Abteilung zwei: Phantasiegeschichten

Wie sich schon an die­sen Bemer­kun­gen gezeigt hat, sind unse­re Erfah­run­gen und Erleb­nis­se, gemes­sen an den Anfor­de­run­gen an eine erzähl­ba­re Geschich­te, meist recht unge­nü­gend und man­gel­haft. Da wir ums Flun­kern ja doch nicht her­um­kom­men, kön­nen wir uns gleich unver­hoh­len dar­auf einlassen.

2.1. Einfälle und Wortmaterial als Auslöser

Wo wir uns in gelös­ter Atmo­sphä­re unter­hal­ten, sind die Gesprä­che fast immer durch­setzt von kurio­sen oder wit­zi­gen Ein­fäl­len, die wei­ter­ge­spon­nen und mit immer neu­en Ein­fäl­len ange­rei­chert, sich zu einer Geschich­te ver­dich­ten kön­nen. Selbst die erbos­te Bemer­kung: „Da kannst du dich auf den Kopf stel­len und mit den Bei­nen wackeln“ kann zur Geschich­te von dem Mann wer­den, der kopf­un­ter auf den Hän­den durch die Stra­ßen ging.
Über­haupt kön­nen sprach­li­che Fund­stü­cke zur Kris­tal­li­sa­ti­on von Geschich­ten wer­den: Namen zum Bei­spiel, die selt­sa­me Eigen­schaf­ten andeu­ten, dop­pel­deu­ti­ge Sät­ze, die wört­lich oder über­tra­gen zu ver­ste­hen sind, oder auch nur merk­wür­dig klin­gen­de Wör­ter, auf denen man her­um­kau­en kann. Auch las­sen sich uner­hör­te Din­ge oder Wesen ent­de­cken, indem man Wör­ter auf Zet­tel­chen notiert und dann wahl­los zwei davon aus­sucht und zu einem Wort ver­bin­det. Wel­che Asso­zia­tio­nen löst zum Bei­spiel ein Amei­sen­löf­fel aus? Wie kam es zu die­sem selt­sa­men Gerät und wozu dient es wohl? Man kann auch gleich merk­wür­di­ge Wör­ter notie­ren und ver­su­chen aus einer wahl­los gezo­ge­nen Fol­ge eine Geschich­te impro­vi­sie­ren. Unter Umstän­den kann das auch als Gesell­schafts­spiel ange­legt wer­den, bei dem jeder Teil­neh­mer ein Wort zie­hen und die vom Vor­gän­ger begon­ne­ne Erzäh­lung damit wei­ter­zu­füh­ren hat. Ach­tung! Sol­che Spie­le sind zwar für die Teil­neh­men­den sehr erhei­ternd, erge­ben aber meist dis­pa­ra­te Geschich­ten, weil die Über­gän­ge oft etwas gequält aus­fal­len. Sie lie­fern des­halb im bes­ten Fall Roh­ma­te­ri­al, aus dem erst noch eine exakt gebau­te Geschich­te zu kon­stru­ie­ren ist.
Brauch­ba­re Anre­gun­gen zum Spiel mit der Spra­che als Aus­gangs­punkt für Geschich­ten fin­den sich in Gian­ni Roda­ri: „Gram­ma­tik der Phan­ta­sie. Die Kunst Geschich­ten zu erfin­den“, Leip­zig 1992.
Nach einer eben­falls von Roda­ri emp­foh­le­nen Metho­de kann man Geschich­ten nach der Fra­ge „Was wäre, wenn….“ bil­den. Er nennt bei­spiels­wei­se: „Was wäre, wenn ein Kro­ko­dil an eure Tür klop­fen und um ein biss­chen Ros­ma­rin bit­ten wür­de?“ (s.32).

2.2. Traumvorlagen

Träu­me zei­gen eine über­ra­schen­de Ver­wandt­schaft zu Geschich­ten. Aller­dings erle­ben wir in Träu­men meist Sze­nen und Hand­lun­gen, die zu dis­pa­rat erschei­nen und zu unver­mit­telt abbre­chen, um sich zu Geschich­ten aus­zu­for­men. Was uns dabei ver­lo­ren geht, kön­nen wir uns ergän­zen: Indem wir uns vor­stel­len, wie es zu die­ser ver­rück­ten Traum­sze­ne gekom­men ist, und wie die Traum­er­zäh­lung geen­det hät­te, wären wir nicht plötz­lich aus dem Schlaf geschreckt. Die bewuss­te­re Bear­bei­tung bei hel­lem Tages­licht sorgt dann dafür, dass die sozia­le Erfah­rung nicht nur als „Tages­rest“ in die Erzäh­lung ein­geht, son­dern sich Traum und sozia­le Wahr­neh­mung ver­bin­den und so zu einer erzähl­ba­ren Geschich­te verschmelzen.

2.3. Erzählen nach Bildvorlagen

Wir haben offen­bar eine unaus­rott­ba­re Nei­gung, zusam­men­hangs­lo­sen Bil­dern, wie sie uns auch das Träu­men so oft prä­sen­tiert, einen zusam­men­hän­gen­den Sinn zu unter­le­gen. Man kann die Pro­be dar­auf machen, indem man aus Zeit­schrif­ten belie­bi­ge Bil­der – mög­lichst in einem ein­heit­li­chen For­mat – aus­schnei­det und nach dem Zufalls­prin­zip neben­ein­an­der legt: Unwill­kür­lich asso­zi­iert unser Gehirn Über­gän­ge von einem Bild zum nächs­ten. Die­se Eigen­schaft lässt sich benut­zen, um sich zu Geschich­ten anre­gen zu las­sen: Man schnei­det dann eine fes­te Anzahl Bil­der aus, etwa ein Dut­zend, und ver­sucht sie so neben­ein­an­der zu legen, dass sich eine Geschich­te abzeich­net. Wir haben dabei zwar kaum Pro­ble­me, die Bil­der in einen Zusam­men­hang zu brin­gen, er fällt aber meist zu luf­tig aus, unse­re Phan­ta­sie macht zu wil­de Sprün­ge und wirkt auf­ge­setzt. Das Ver­fah­ren lie­fert uns nur eine Skiz­ze, die noch wei­ter­ge­spon­nen, auf ihre Kon­se­quenz und Brauch­bar­keit kon­trol­liert und abge­än­dert wer­den muss. Kon­se­quen­ter und wirk­lich­keits­be­zo­ge­ner wer­den die Ergeb­nis­se, wenn die Bil­der eine Per­son oder den glei­chen Per­so­nen­kreis in unter­schied­li­chen Situa­tio­nen zei­gen. Dazu kann man auch selbst Fotos oder Kol­la­gen machen, ein Ver­fah­ren das sich beson­ders für das Erfin­den von Geschich­ten mit Kin­dern eig­net. Die­se Fotos soll­ten mög­lichst unab­ge­schlos­se­ne Hand­lun­gen fest­hal­ten, da sie dadurch für jede Rich­tung offen blei­ben. Ein Mensch, der die Klin­ke in der Hand in einer halb geöff­ne­ten Tür steht, kann das Haus betre­ten oder auch ver­las­sen.
Wie­der­um kann das Erzäh­len nach Bil­dern als Gesell­schafts­spiel betrie­ben wer­den: Dann decken die Teil­neh­mer nach­ein­an­der ein Bild auf, legen es zum vor­her­ge­hen­den und fügen es in die Erzäh­lung des Vor­gän­gers ein.

2.4. Erzählen mit Gegenständen

Beim Phan­ta­sie­ren nach einer belie­bi­gen Bil­der­se­rie hat man bei jedem ein­zel­nen Bild die Wahl, es kon­kret oder meta­pho­risch auf­zu­fas­sen. Eine durch die Wol­ken schwe­ben­de Ver­kehrs­ma­schi­ne kann je nach dem Kon­text der umge­ben­den Bil­der eben­so gut wie die tat­säch­li­che Rei­se des Hel­den auch sei­nen Wunsch oder gar sei­ne unüber­wind­li­che Abnei­gung zu flie­gen bezeich­nen. Noch unbe­fan­ge­ner lässt sich mit Funk­tio­nen und Bedeu­tun­gen jon­glie­ren, wenn wir die Bil­der durch Gegen­stän­de erset­zen und uns nun durch eine belie­bi­ge Aus­wahl von Din­gen zu einer Erzäh­lung anre­gen las­sen. Ähn­lich wie bei den Bil­dern kommt es nun dar­auf an, die Lücken zwi­schen den ein­zel­nen Gegen­stän­den zu fül­len, den Über­gang von einem zum nächs­ten zu fin­den. Die Din­ge in ihrer über­tra­ge­nen Bedeu­tung zu neh­men, erwei­tert nicht nur den Bewe­gungs­spiel­raum, es eröff­net auch wit­zi­ge Wei­sen der Vor­füh­rung: Das Löf­fel­chen ist nicht mehr dar­auf beschränkt, den Zucker im Kaf­fee umzu­rüh­ren, es kann sich als Kind mit der Mut­ter strei­ten, die (war­um wohl?) von der zän­ki­schen Gabel oder dem gut­mü­ti­gen Sup­pen­löf­fel gespielt wird. Na und wer gibt dann wohl den stren­gen Vater ab? Übri­gens eig­nen sich dafür jene Gegen­stän­de am bes­ten, die vie­le Funk­tio­nen aus­fül­len kön­nen, und Küchen­ge­rä­te sind wegen ihrer all­täg­li­chen Ver­traut­heit dafür ganz beson­ders prä­de­sti­niert. Aber auch Werk­zeu­ge wie Ham­mer und Zan­gen oder Tücher emp­feh­len sich durch ihre viel­sei­ti­ge und über­ra­schen­de Ver­wend­bar­keit. Ähn­lich wie beim Bil­der­le­gen soll­ten nicht zu vie­le Gegen­stän­de ver­wen­det wer­den, wie­der am bes­ten nur etwa ein Dut­zend, damit sie über­schau­bar blei­ben und zu aus­rei­chen­den Phan­ta­sie­sprün­gen herausfordern.

2.5. Erzählen mit festen Figuren

Ins­be­son­de­re beim impro­vi­sie­ren­den Erzäh­len für Kin­der ist es sehr hilf­e­reich, fes­te Figu­ren zu ver­wen­den, deren Eigen­schaf­ten, Reak­tio­nen und Hand­lungs­wei­sen fest­ge­legt sind und das Impro­vi­sie­ren erleich­tern. Am bes­ten erfin­det man die­se Figu­ren gleich mit den zuhö­ren­den Kin­dern oder benutzt Kuschel­tie­re, Freun­de oder auch ver­trau­te Gegen­stän­de, um Phan­ta­sie­fi­gu­ren zu erfin­den. Man kann natür­lich auch aus Mär­chen, Kin­der­li­te­ra­tur oder Fern­se­hen usw. bekann­te Gestal­ten benut­zen, aber dabei ist eini­ge Vor­sicht am Plat­ze: Die Zuhö­rer wer­den dann auf den vor­ge­ge­be­nen Eigen­schaf­ten die­ser Gestal­ten bestehen, der eige­ne Ein­falls­reich­tum ist damit behin­dert und vor allem gelingt es nicht mehr ohne wei­te­res die Sto­rys auf die Lebens­welt, Nei­gun­gen und Wün­sche der Zuhö­ren­den zu beziehen.

2.6. Das Geschichtenerfinderspiel

Geschich­ten fol­gen einer fest­ge­leg­ten Struk­tur, die uns über­haupt instand setzt sie von Anfang an als Geschich­ten zu erken­nen und die beim Hören unse­re Erwar­tun­gen steu­ert. Man kann die­se obli­ga­to­ri­sche Bau­wei­se auch als einen Satz von Regeln begrei­fen, die jeder zu beach­ten hat, der eine Geschich­te erzäh­len will. Die­se bei allen Unter­schie­den der erzähl­ten Hel­den und Ereig­nis­se doch stets zugrun­de­lie­gen­de Regel­haf­tig­keit lässt sich für das Geschich­ten­er­fin­der­spiel nut­zen. Die Anre­gung lie­fern nun nicht mehr Gegen­stän­de oder Bil­der, son­dern eine Serie sprach­li­cher Ver­satz­stü­cke. Die Teil­neh­mer schrei­ben auf Zet­tel­chen oder Kar­tei­kar­ten Wör­ter auf, die fol­gen­den Kate­go­rien ent­spre­chen (und damit die wesent­li­chen sprach­li­chen Bestand­tei­le einer Geschich­te aus­ma­chen):
– Land­schaf­ten und Orte ( z.B. Wald, Insel, Groß­stadt, Auto­bahn­rast­stät­te, Rat­haus­platz etc)
– Zei­ten (z.B. Uhr­zeit, Datum, Jahr, Lebens­zeit, his­to­ri­sche Epo­che)
– Hel­den ( Men­schen, Tie­re, Phan­ta­sie­ge­stal­ten)
– Ereig­nis­se (z.B. Auto­un­fall, Schnee­ka­ta­stro­phe, Brief­ta­sche fin­den etc)
– Hand­lun­gen (z.B. Über die Stra­ße gehen, Haus kau­fen, Bank über­fal­len)
Damit sind dann die unab­ding­ba­ren Kate­go­rien vor­han­den, aber um sie leben­di­ger und anre­gen­der zu machen, bie­tet es sich an, eini­ge wei­te­re Ele­men­te bei­zu­tra­gen, wie z.B.:
– Eigen­schaf­ten (von Lebe­we­sen oder Gegen­stän­den)
– Fort­be­we­gungs­mit­tel ( z.B. Wan­dern, Rei­ten, Auto fah­ren etc)
– All­tags­ge­gen­stän­de ( z.B. Gabeln, Hosen­knöp­fe, Kugel­schrei­ber etc)
– Wun­der­din­ge (Zau­ber­ge­gen­stän­de wie das Tisch­lein-deck-dick oder tech­ni­sche Gerä­te mit unglaub­li­chen Mög­lich­kei­ten wie den Com­pu­ter, der Gedan­ken liest)
Was bei die­sen Ele­men­ten (die durch­aus auch noch erwei­tert wer­den kön­nen) nun noch fehlt, ist der Hand­lungs­ver­lauf und das dicke oder fröh­li­che Ende. Auch dabei fol­gen die meis­ten Geschich­ten durch­schau­ba­ren Mus­tern, wie wir sie exem­pla­risch an den Mär­chen stu­die­ren kön­nen. Ein bekann­tes Mus­ter ist etwa die Geschich­te von drei Brü­dern, die gemein­sam aus­zie­hen, eine Auf­ga­be zu lösen. Der ers­te und der zwei­te schei­tern und erst der drit­te gewinnt die Königs­toch­ter. Abge­än­dert kann der glei­che Held drei Auf­ga­ben hin­ter­ein­an­der zu lösen haben, die von Mal zu Mal unlös­ba­rer erschei­nen. (Prak­ti­ka­ble Vor­la­gen fin­den sich in dem Büch­lein von Claus­sen, Claus/ Mer­kel­bach, Valen­tin: Erzähl­werk­statt, Braun­schweig 1995, dem die­ses Geschich­ten­er­fin­der­spiel ent­nom­men ist und das man jedem, der mit Erzäh­lun­gen han­tiert, nur emp­feh­len kann, Dort fin­den sich auch eine gan­ze Rei­he wei­te­rer Ver­fah­ren, Geschich­ten mit Kin­dern auszudenken).

Die Spiel­re­gel
Man nimmt eine der Struk­tur­kar­ten, jeweils so viel Hel­den wie die Struk­tur erfor­dert, eine Zeit­kar­te, von den übri­gen Kate­go­rien je drei Kar­ten.
Die Kar­ten wer­den ent­spre­chend der Struk­tur in eine Rei­hen­fol­ge gelegt.
Dann man eine Kar­te nicht unter­brin­gen oder setzt die Phan­ta­sie aus, legt man die­se Kar­ten zuun­terst auf den Sta­pel zurück und nimmt die obers­te vom Stapel.

Um auch die grund­le­gen­den Hand­lungs­mög­lich­kei­ten vor­zu­ge­ben, las­sen sich die Propp­schen Kar­ten benut­zen, die der Sys­te­ma­tik fol­gen, die Wla­di­mir Propp für die typi­schen Hand­lungs­mus­ter der Mär­chen ent­wi­ckelt hat. Sie umfas­sen ins­ge­samt 31 Vari­an­ten, die man aber auch nach Bedarf redu­zie­ren kann. (Man fin­det sie bei Roda­ri, a.a.O. auf S. 73/74).

2.7. Verwenden von Modellen

Die­se Grund­struk­tu­ren sind Mus­ter, über deren Funk­ti­on wir uns kei­ne Rechen­schaft able­gen. Was fas­zi­niert und des­halb bewusst wahr­ge­nom­men wird, ist der kon­kre­te Hand­lungs­ver­lauf, die uner­wart­ba­ren Ereig­nis­se, denen sich der Held kon­fron­tiert sieht und die Wei­se, wie er dar­auf reagiert. Aber auch sie ver­lau­fen nicht belie­big, son­dern fol­gen bestimm­ten Regel­haf­tig­kei­ten, die man sich wie­der­um für das Erfin­den von Geschich­ten zunut­ze machen kann. Neh­men wir als Bei­spiel das Mär­chen von „Hans im Glück“: Er bekommt einen Gold­klum­pen als Lohn für har­te Arbeit, ist aber so dumm ihm gegen immer wert­lo­se­re Din­ge ein­zu­tau­schen, aber geht – o Wun­der – am Ende aus die­sen unglei­chen Tausch­hän­deln als Gewin­ner her­vor. Ich kann die­se Struk­tur nun über­neh­men, mei­nen Hel­den durch die Welt von heu­te schi­cken und ihn trotz aller offen­sicht­li­chen Nai­vi­tät am Ende gewin­nen las­sen. Und übri­gens sind Mär­chen nicht per se „kind­ge­mäß“: Wo es gelingt ähn­lich ein­fa­che und über­sicht­li­che Hand­lun­gen zu erzäh­len, sie aber in der ver­trau­ten Welt zu ent­fal­ten, berüh­ren sie Kin­der tie­fer und nach­hal­ti­ger als die alten Geschich­ten, deren Umwelt für sie oft schwer nach­zu­voll­zie­hen ist.

Das dicke Ende oder Ohne Arbeit geht es nicht

Zwar gibt es gele­gent­lich „Natur­ta­len­te“, die eine gute Geschich­te aus dem hoh­len Bauch impro­vi­sie­ren. Auch kann man auch noch auf ganz ande­ren Wegen zu einer fas­zi­nie­ren­den Erzäh­lung kom­men. Im all­ge­mei­nen jedoch füh­ren die hier ange­spro­che­nen Ver­fah­ren, und ins­be­son­de­re die­je­ni­gen, die unse­rer Phan­ta­sie auf die Sprün­ge hel­fen sol­len, nicht schnur­stracks zu fer­ti­gen und erzähl­ba­ren Geschich­ten: Sie müs­sen erst noch durch­ge­ar­bei­tet wer­den, damit sie ihre aus­la­den­de Phan­ta­sie in unse­rer gewohn­ten und fest­ge­füg­ten All­tags­welt behaup­ten kann. Nach der Pha­se offe­nen Asso­zi­ie­rens, das meist als sehr lust­voll erlebt wird, folgt eine Pha­se des Kon­stru­ie­rens und Kon­trol­lie­rens, in der sich erwei­sen muss, wie weit die Ein­fäl­le tra­gen, und wie gut sie in eine kon­se­quent auf­ge­bau­te Erzäh­lung über­führt wer­den kön­nen. Vor allem am gelun­ge­nen oder gequäl­ten Schluss erweist sich, wie weit eine Geschich­te trägt, und es kann manch­mal lan­ge dau­ern, bis man den Dreh gefun­den hat, der eine Geschich­te zum über­zeu­gen­den Abschluss bringt.
Als all­ge­mei­ne Richt­schnur kann man fest­hal­ten: Sto­rys, die auf Erleb­nis­sen oder media­len „Tat­sa­chen“ beru­hen, müs­sen mit jenem Schuss Phan­tas­tik ver­setzt wer­den, der sie weit genug aus dem gewöhn­li­chen Lauf der Din­ge her­aus­nimmt. Erzäh­lun­gen dage­gen, die sich aus phan­tas­ti­schen Ein­fäl­len ent­wi­ckeln, sind mit dem nor­ma­len und durch­schnitt­li­chen All­tag zu ver­set­zen. Das heißt, sie wer­den mit den ver­trau­ten all­täg­li­chen Ver­rich­tun­gen und Gewohn­hei­ten aus­ge­malt, so dass sie auch ihre unglaub­li­chen Ereig­nis­se und Hand­lun­gen unaus­weich­lich und selbst­ver­ständ­lich erschei­nen. Sie sind also mit­ten in unse­rer all­täg­li­chen Umwelt zu „rea­li­sie­ren“. Denn jede gute Geschich­te zeich­net sich dadurch aus, dass sie die selt­sams­ten Ereig­nis­se und Ver­hal­tens­wei­sen so erzählt, dass sie sich wie selbst­ver­ständ­lich aus dem Lauf des gewöhn­li­chen Lebens erge­ben und gar nicht anders hät­ten pas­sie­ren kön­nen.
Zwar muss jeder selbst her­aus­fin­den, auf wel­chen Wegen er von sei­nen Ein­fäl­len zu einer voll­stän­di­gen Geschich­te gelangt, als Faust­re­gel kann man aber fol­gen­des Vor­ge­hen emp­feh­len:
1. Aus­ge­hend von einem Erleb­nis oder einem phan­tas­ti­schen Ein­fall wird zunächst lose asso­zi­iert, was alles dar­aus fol­gen und pas­sie­ren könn­te. Ein­fäl­le und Ideen las­sen sich sehr schön auch zu zweit oder zu dritt sam­meln, sie soll­ten aber sofort in Stich­wor­ten oder kur­zen Sät­zen notiert wer­den. Wer allein für sich Ideen spuckt, soll­te sich dafür eine ent­spann­te Situa­ti­on aus­su­chen: Etwa beim Spa­zie­ren gehen, in der Bade­wan­ne oder wo immer er sich wohl und gelas­sen fühlt.
2. Die Ein­fäl­le sind dann im nächs­ten Schritt zu ord­nen und in einen kon­se­quen­ten Ablauf zu brin­gen. Dabei ist auf zwei Din­ge zu ach­ten: Die inne­re Logik der Geschich­te und die Stei­ge­rung der Ereig­nis­se. Über das aus­lö­sen­de Ereig­nis wird die Sto­ry auf eine Schie­ne gesetzt, die ich im fol­gen­den wei­ter­hin zu beach­ten habe.
Gehe ich bei­spiels­wei­se von einer durch immer neue Zwi­schen­fäl­le unter­bro­che­nen Auto­fahrt aus (ein ver­brei­te­tes The­ma in All­tags­er­zäh­lun­gen), benut­ze ich das Modell der mit Hin­der­nis­sen gespick­ten Rei­se. Tat­säch­lich ist mir viel­leicht der Aus­puff abge­fal­len, ich bin mit knat­tern­dem Motor von der Poli­zei ange­hal­ten wor­den, muss­te den Wagen ste­hen las­sen und mit dem Zug wei­ter­fah­ren. Ich kann nun die Pro­ble­me mit mei­ner Schrott­kis­te von Mal zu Mal unwahr­schein­li­cher wer­den oder stän­dig das Ver­kehrs­mit­tel wech­seln, etwa den Zug mit­ten auf der Stre­cke zum Ste­hen brin­gen las­sen, so dass ich den nächs­ten Trak­tor anhal­ten muss, dann mit einem vom Bau­ern gelie­he­nen Fahr­rad wei­ter­fah­re, das schließ­lich zusam­men­bricht und mich zwingt zu Fuß wei­ter­zu­ge­hen. In bei­den Fäl­len errei­che ich dann gera­de noch im letz­ten Moment mein Ziel.
Die­ses kon­se­quen­te Aus­ar­bei­ten von mög­li­chen Ein­fäl­len ist nur schwer in einer Grup­pe zu leis­ten, da sich die Per­spek­ti­ven der Betei­lig­ten zu leicht über­schnei­den. Es ist bes­ser, das jeweils allei­ne zu bewerk­stel­li­gen.
3. Das Ergeb­nis soll­te nun unbe­dingt fest­ge­hal­ten wer­den. Aller­dings emp­fiehlt es sich nicht, es in einer lite­ra­ri­schen Dik­ti­on aus­zu­schrei­ben (jeden­falls sofern es als Notiz für eine münd­li­che Erzäh­lung gedacht ist). Schrei­ben und Erzäh­len erfor­dern zwei recht ver­schie­de­ne media­le Aus­drucks­wei­sen. Was ich als les­ba­re Geschich­te schrei­be, lässt sich mit sei­nen Beschrei­bun­gen und Ein­schät­zun­gen in die­ser Wei­se nicht erzäh­len. Wer Lust hat, eine les­ba­re Geschich­te zu ver­fas­sen, kann das wohl tun, soll­te sie aber nur als unge­fäh­re Vor­la­ge des münd­li­chen Erzäh­lens betrach­ten und kei­nes­falls am geschrie­ben Wort­laut kle­ben. Für das frei einen Wort­laut impro­vi­sie­ren­de Erzäh­len, reicht es aus, die Hand­lun­gen in kur­zen Sät­zen oder selbst nur in Stich­wor­ten zu notie­ren und nur ein­zel­ne für die Geschich­te wich­ti­ge direk­te Reden wört­lich fest­zu­le­gen.
4. Sobald ein pas­sa­bler Ablauf steht, soll­te man aber die Pro­be aufs Exem­pel machen, indem man sie erzählt. Das mag zunächst nur ein Freund sein, vor dem man sich nicht zu sehr aus­setzt, aber auch dann zeigt uns die offe­ne und unter­schwel­li­ge Reak­ti­on schon recht gut, wo die Geschich­te stimmt und wo sie hakt. Es gehört zu den erstaun­li­chen Erfah­run­gen des Erzäh­lens, dass man sie auch schon in unfer­ti­gem Zustand zum Bes­ten geben kann und über jedes neue Erzäh­len sie wei­ter zu ver­bes­sern und zu per­fek­tio­nie­ren ver­mag. Oder bemer­ken muss, dass sie grund­sätz­lich dane­ben gegan­gen ist und man sie wohl bes­ser in der Ver­sen­kung ver­schwin­den lässt.