Wie mit dem Erzählen von Geschichten die Sprachbeherrschung gefördert werden kann

Johan­nes Merkel 

Inhalt:
Was heißt erzäh­len? Erzäh­len heißt nicht nur reden Zur Sprach­för­de­rung im Kin­der­gar­ten War­um Erzäh­len die Sprach­be­herr­schung för­dert Zur Sprach­er­zie­hung in der Grund­schu­le Wie Kin­der zu Erzäh­lern wer­den Wie man Erzäh­lun­gen nach­be­rei­ten kann Zur Sprach­för­de­rung zwei­spra­chi­ger Kin­der Vor zwei­spra­chi­gen Kin­dern erzäh­len Woher geeig­ne­te Geschich­ten neh­men Erzäh­lun­gen impro­vi­sie­ren Mit Kin­dern Geschich­ten erfin­den Aus Erzäh­lun­gen lernen?

Bis zur Mit­te des 20. Jh.s gehör­te Erzäh­len selbst­ver­ständ­lich zu den Fer­tig­kei­ten, die von einer Erzie­he­rin oder einem Volks­schul­leh­rer erwar­tet wur­den. Erzählt wur­den aber fast aus­schließ­lich Mär­chen, und man such­te sich dabei an den sti­li­sier­ten Wort­laut zu hal­ten, den die Mär­chen­samm­ler geschaf­fen hat­ten, um die­se Geschich­ten les­bar zu machen. Mit dem Streit um die Wirk­lich­keits­fer­ne und Grau­sam­keit die­ser Erzäh­lun­gen wur­de dann auch gleich das Erzäh­len mit über Bord gewor­fen. Es tauch­te in Aus­bil­dung oder Stu­di­um kaum mehr auf und wur­de in den Ein­rich­tun­gen fast voll­stän­dig vom Vor­le­sen ver­drängt.
Wer sich den­noch ans freie Erzäh­len macht, wird dafür ent­schä­digt: Obwohl die impro­vi­sier­te Erzäh­lung weder so durch­dacht noch so sau­ber for­mu­liert sein wird wie ein von Schrift­stel­lern ver­fass­ter Text, hän­gen ihr oder ihm die Kin­der an den Lip­pen. Sie wer­den sie, ähn­lich wie bei vor­ge­le­se­nen Geschich­ten, eine Zeit lang immer hören wol­len. Und gera­de Vor­schul­kin­der, die ja oft noch ihre Schwie­rig­kei­ten mit der Spra­che haben, oder Schü­ler mit Sprach­pro­ble­men behal­ten Ein­zel­hei­ten, aber meist auch den gan­zen Bogen der Geschich­te, im Gedächt­nis, und es kann pas­sie­ren, dass die Erzäh­ler nach Wochen, manch­mal selbst nach Jah­ren, von den Kin­dern ver­bes­sert wer­den, wenn sie die Geschich­te wie­der zum Bes­ten geben. Man wird dann bald bemer­ken, dass frei­es Erzäh­len die Kin­der ihrer­seits zum Erzäh­len anregt, dass sie dabei ler­nen, vor einer Grup­pe zu spre­chen und dass sich dabei ihr sprach­li­cher Aus­druck und ihre Sprach­be­herr­schung ver­bes­sern. Erzäh­len kann einen wich­ti­gen Bei­trag zur Sprach­för­de­rung leisten.

Was heißt erzählen?

Das Erzäh­len von Geschich­ten knüpft, auch wo es um län­ge­re fik­ti­ve Hand­lun­gen geht, an das all­täg­li­che Spre­chen an. Bei All­tags­ge­schich­ten ist das offen­sicht­lich: Sie wer­den in Gesprächs­run­den erzählt, und des­halb von den Regeln bestimmt, die die Unter­hal­tung in Gesprä­chen steu­ert. Die wich­tigs­te Regel besagt, dass Gesprä­che wech­sel­sei­tig ver­lau­fen. Jeder Gesprächs­part­ner kann glei­cher­ma­ßen zur Unter­hal­tung bei­tra­gen, und auch wäh­rend der eine spricht, reagie­ren die übri­gen Gesprächs­part­ner stän­dig auf ihn und sei­ne Äußerungen.

Von der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form Erzäh­len
Dass das auch für das Erzäh­len gel­ten soll, mag auf den ers­ten Blick über­ra­schen, da es ja der Erzäh­ler ist, der anders als beim wech­seln­den Spre­chen im Dia­log wäh­rend der gesam­ten Erzäh­lung das Rede­recht inne­hat. Aber die Zuhö­rer lau­schen der Erzäh­lung nicht regungs­los und pas­siv, viel­mehr reagie­ren sie über stän­di­ge non­ver­ba­le und ver­ba­le Äuße­run­gen. Und der Erzäh­ler, der ja sei­nen Rede­text wäh­rend der lau­fen­den Erzäh­lung impro­vi­siert, rich­tet sei­nen Wort­laut nach den zustim­men­den oder ableh­nen­den Reak­tio­nen der Hörer, schmückt die Pas­sa­gen aus, die Inter­es­se erre­gen, kürzt ab, sobald er auf Ableh­nung stößt. Die­se fort­wäh­ren­de, die Erzäh­lung beglei­ten­de „Inter­ak­ti­on“ fin­det unter Erwach­se­nen nicht anders statt als mit Kin­dern, auch wenn Kin­der rascher und deut­li­cher reagieren.

Was Geschich­ten aus­macht
Um beim flüch­ti­gen Hören ver­stan­den zu wer­den, müs­sen erzähl­te Geschich­ten einem Auf­bau fol­gen, den der Hörer erwar­tet und den der Erzäh­ler des­halb beach­ten muss, um sich ver­ständ­lich zu machen. Beim Schrei­ben las­sen sich die­se Struk­tu­ren vari­ie­ren, man kann sie umstel­len, ja sogar ganz außer Acht las­sen, da der Leser in hoher Kon­zen­tra­ti­on auf den Text bezo­gen bleibt. Erzäh­lend hat man ihnen genau zu ent­spre­chen.
Die­ses soge­nann­te Sto­ry­sche­ma beschreibt einen Hand­lungs­bo­gen: Es berich­tet von einem Hel­den, der fern vom Ort und der Zeit des Erzäh­lens mit einem über­ra­schen­den Erleb­nis kon­fron­tiert wur­de oder einen außer­or­dent­li­chen Plan fass­te. Damit ist dann die Fra­ge auf­ge­wor­fen, wie er sich damit aus­ein­an­der­setzt und zu wel­chem Ergeb­nis das führt.
Zwei­tens for­dert eine Erzäh­lung, dass sich alle erzähl­ten Hand­lun­gen, so rät­sel­haft und unwahr­schein­lich sie zunächst auch sein mögen, in einer kon­se­quen­ten Fol­ge aus­ein­an­der erge­ben, die eine Hand­lungs­wei­se die nächs­te nach sich zieht, bis es gar nicht anders enden kann, als es endet. Die­se strik­te „kau­sa­le“ Abfol­ge wird als „Kohä­renz“ bezeich­net und kenn­zeich­net auf jeweils ande­re Wei­se alle vom Gespräch abge­lös­ten Äuße­run­gen. So ver­langt die Kohä­renz in einem Bericht, dass sich alle Aus­sa­gen auf das zen­tra­le The­ma bezie­hen und nicht bezie­hungs­los neben­ein­an­der ste­hen.
In Erzäh­lun­gen kann die ein­fa­che „Epi­so­de“ viel­fach vari­iert und erwei­tert wer­den, indem Epi­so­den in Wie­der­ho­lun­gen und Rei­hun­gen wie auf eine Ket­te gezo­gen wer­den. Wir ken­nen aus dem euro­päi­schen Volks­mär­chen die Geschich­te von drei Brü­dern, von denen zunächst der Ers­te, dann auch der Zwei­te an der gestell­ten Auf­ga­be schei­tern, der Drit­te schließ­lich den Dra­chen besiegt und die Prin­zes­sin befreit. Schon nach dem ers­ten Durch­gang weiß jeder, was jetzt noch kom­men wird, und doch kann man pro­blem­los wei­ter zuhö­ren. Der sche­ma­ti­sche Ablauf stört uns nicht, im Gegen­teil. Von Geschich­ten erwar­ten wir, dass sie nach Sche­ma verfahren.

Die krea­ti­ve Phan­ta­sie von Geschich­ten
Mär­chen neh­men wir selbst­ver­ständ­lich als Pro­duk­te der Phan­ta­sie hin. Dage­gen gehen wir eben­so selbst­ver­ständ­lich bei Erzäh­lun­gen, die Erleb­nis­se berich­ten, davon aus, sie wür­den wie­der­ge­ben, was irgend­wo “wirk­lich” pas­siert ist. Wie lässt sich das aber mit der Fest­stel­lung ver­ein­ba­ren, Geschich­ten wür­den nach einem ein­heit­li­chen Sche­ma gebaut, dem sie fol­gen müs­sen, um sich als erzäh­lens­wert zu erwei­sen?
Offen­bar ist es nicht so, dass Erzäh­lun­gen die gemach­ten Erfah­run­gen wie­der­ge­ben. Eher ist es umge­kehrt so, dass nur die Begeg­nun­gen und Ereig­nis­se zu Geschich­ten wer­den, deren Ver­lauf von vor­ne­her­ein die sche­ma­ti­sche Struk­tur erfüllt. Anlass zum Erzäh­len bie­ten ja nur die Erleb­nis­se, in denen die all­täg­li­che Erwar­tung über den Hau­fen gewor­fen wird, die uns mit etwas Uner­war­te­tem und Uner­hör­tem kon­fron­tie­ren, das wir zu meis­tern haben oder an dem wir schei­tern. Sel­ten genug aber haben wir Erleb­nis­se, die sich als brauch­ba­re Geschich­ten erwei­sen. Wo sie für eine gelun­ge­ne Erzäh­lung zu wenig bie­ten, wird das Erleb­te aus­ge­schmückt und umge­dich­tet, bis es sich zum Erzäh­len eig­net.
Denn Geschich­ten geben eben nicht ein­fach die „Wirk­lich­keit“ wie­der, sie kon­stru­ie­ren viel­mehr ihre eige­ne Wirk­lich­keit. Man kann sie als eine Art von Ver­suchs­an­ord­nun­gen ver­ste­hen, mit denen durch­ge­spielt wird, wie es wäre, wenn alles anders lau­fen wür­de, als wir es gewohnt sind. Immer sind es die Unwahr­schein­lich­kei­ten und Unwäg­bar­kei­ten, die in den all­täg­li­chen Lauf der Din­ge ein­ge­passt wer­den und zu einem neu­en, uner­war­te­ten Ergeb­nis füh­ren. Eine Geschich­te fällt dar­um des­to ein­drucks­vol­ler aus, je selbst­ver­ständ­li­cher sie die unglaub­lichs­ten Ver­wick­lun­gen in selbst­ver­ständ­li­cher Fol­ge­rich­tig­keit berich­tet.
Die­se Eigen­art erklärt unse­re Lust an Geschich­ten und deu­tet auf den tie­fe­ren Sinn die­ser immer irgend­wie unwahr­schein­li­chen und künst­li­chen Kon­struk­tio­nen: Mit dem erzähl­ba­ren Ereig­nis wird die selbst­ver­ständ­li­che Welt unse­res sozia­len All­tags durch­bro­chen. wer­den die Lebens­be­din­gun­gen neu gemischt. In den Ver­wick­lun­gen bre­chen sich Wün­sche und Ängs­te Bahn, die wir sonst eher ver­ste­cken. Im Erzäh­len von Geschich­ten wird die sozia­le Lebens­welt ver­än­dert und “krea­tiv” umge­baut und umge­deu­tet. Das ist es, was Geschich­ten so lust­voll und ver­gnüg­lich erschei­nen lässt, für Erwach­se­ne nicht anders als für Kinder.

Was Erzäh­lun­gen für Kin­der bedeu­ten
Etwa im Alter zwi­schen vier und acht Jah­ren kön­nen wir sagen, Kin­der befän­den sich im eigent­li­chen „Erzähl­al­ter“. Kin­der agie­ren in die­sen Jah­ren Wün­sche, Pro­ble­me und Kon­flik­te in stell­ver­tre­ten­den Geschich­ten aus, sie leben in Geschich­ten und erklä­ren sich die Welt über Geschich­ten. Kin­der die­ses Alters sind immer bereit Geschich­ten auf­zu­neh­men, und zwar in allen media­len For­men, sei­en sie erzählt, vor­ge­le­sen, einer Kas­set­te abge­lauscht oder am Bild­schirm ver­folgt. Das Erzäh­len hat gegen­über den media­len Prä­sen­ta­tio­nen aber den Vor­zug, dass die Kin­der über den Aus­tausch der Zuhö­rer­si­gna­le anders an der Geschich­te betei­ligt wer­den. Das ist auch der Grund, war­um Kin­der Erzäh­lun­gen sehr viel län­ger und genau­er erin­nern als media­le Geschich­ten.
Geschich­ten prä­sen­tie­ren Hand­lun­gen, die nicht im Hier und Jetzt statt­fin­den, son­dern im Dort und Damals. Sie erlau­ben in anschau­li­cher Wei­se die geleb­te Gegen­wart zu durch­bre­chen. Das tun Kin­der auch stän­dig in ihren gemein­sa­men Rol­len­spie­len, deren Spiel­hand­lun­gen bei den Fünf- bis Sechs­jäh­ri­gen sich an Geschich­ten annä­hern. Geschich­ten las­sen sich als ver­sprach­lich­te Rol­len­hand­lun­gen ver­ste­hen, umge­kehrt lie­fern Geschich­ten stän­dig Vor­la­gen für die­se Spie­le. Nicht anders als die Rol­len­spie­le erlau­ben Geschich­ten Hand­lungs­wei­sen nach­zu­voll­zie­hen und aus­zu­den­ken, die weit über die täg­li­che Erfah­rung hin­aus­ge­hen und in denen Erfah­run­gen und Vor­stel­lun­gen sich mit­ein­an­der verbinden.

Erzäh­len als Gestal­tung und Mit­tei­lung der Innen­welt
Indem sie Geschich­ten auf­neh­men, erhal­ten Kin­der Stoff für ihre eige­nen Phan­ta­sien, kön­nen Wün­sche und Träu­me dar­an kon­kre­ti­sie­ren. Schließ­lich wer­den sie durch das Hören von Erzäh­lun­gen ange­regt, Wahr­neh­mun­gen, Gefüh­le und Gedan­ken in die Form von Geschich­ten zu klei­den und dar­über ihrer Umge­bung mit­zu­tei­len, was sie in ihrer Vor­stel­lungs­welt bewegt.
Sich über Geschich­ten mit­tei­len aber kön­nen sie nur, soweit sie die For­men des Erzäh­lens und die Struk­tu­ren, denen die Orga­ni­sa­ti­on einer Geschich­te folgt, beach­ten ler­nen. Wie weit die kind­li­che Erzähl­fä­hig­keit aus­ge­bil­det wird, hängt vor allem von der Anre­gung ab, die sie in ihrem Umfeld bekom­men. Ähn­lich wie beim Sprach­er­werb müs­sen die Ver­hal­tens­wei­sen und Regeln, die das Erzäh­len steu­ern, zunächst im per­so­na­len Umgang erfah­ren und über­nom­men wer­den. Des­halb kön­nen Struk­tu­ren und Mit­tei­lungs­wei­sen des Erzäh­lens kaum media­len Erzäh­lun­gen ent­nom­men wer­den, da die­se, anders als ein mensch­li­cher Part­ner, nicht reagie­ren und ant­wor­ten.
Sie kön­nen schon des­halb nicht durch­schaut wer­den, weil sie in Medi­en­pro­duk­tio­nen nicht mit der glei­chen Deut­lich­keit wie beim per­so­na­len Erzäh­len her­vor­tre­ten. Das hat mit den media­len Dar­stel­lungs­wei­sen zu tun. Wäh­rend Erzäh­ler beim flüch­ti­gen Zuhö­ren nur ver­stan­den wer­den, wenn sie die Hand­lung knapp und fol­ge­rich­tig vor Augen füh­ren, len­ken bereits die zahl­rei­chen Beschrei­bun­gen in lite­ra­ri­schen Erzäh­lun­gen, so gekonnt sie auch for­mu­liert sein mögen, von die­sen Struk­tu­ren ab. Noch stär­ker ver­än­dern die Mög­lich­kei­ten der Bild­füh­rung in audio­vi­su­el­len Dar­stel­lun­gen das über­sicht­li­che Erzähl­sche­ma. Kin­der im Vor­schul­al­ter sind des­halb zunächst auf per­sön­li­che Erzäh­lun­gen ange­wie­sen, um die Gesetz­mä­ßig­kei­ten des Erzäh­lens zu durch­schau­en und selbst anzu­wen­den. Mit wach­sen­der Beherr­schung kön­nen auch die Struk­tu­ren kom­ple­xe­rer lite­ra­ri­scher und media­ler Dar­stel­lung durch­schaut und geord­net wer­den. Das Hören von Erzäh­lun­gen, noch mehr das eige­ne akti­ve Erzäh­len schafft dar­um auch eine gute Vor­aus­set­zung, um lite­ra­ri­sche und media­le Erzäh­lun­gen zu ver­ste­hen und zu verarbeiten.

Erzählen heißt nicht nur reden

Die „Hörer“ einer Erzäh­lung sind aber eigent­lich Zuschau­er, denn sie fol­gen dem Erzäh­ler auch mit den Augen. Wie jede zwi­schen­mensch­li­che Unter­hal­tung wird leben­di­ges Erzäh­len beglei­tet von ges­ti­schen und spie­le­ri­schen Zei­chen, die die sprach­li­che um eine anschau­li­che Infor­ma­ti­on ergänzen.

Bil­der erzeu­gen über Ges­tik und Spiel
Die ges­ti­sche und spie­le­ri­sche Dar­stel­lung geht in Erzäh­lun­gen aller­dings über den sprach­be­glei­ten­den non­ver­ba­len Aus­druck des All­tags­ge­sprächs hin­aus. In Unter­su­chun­gen lässt sich fest­stel­len, dass der Anteil dar­stel­len­der Ges­ten ansteigt, sobald ein Spre­cher zu erzäh­len beginnt. Das wird nach­voll­zieh­bar, wenn man sich klar­macht, was beim Erzäh­len geschieht. Damit sie sei­ner Erzäh­lung fol­gen, muss der Erzäh­ler die Zuhö­rer aus dem Hier und Jetzt des Erzäh­lens in das Dort und Damals der Erzäh­lung ent­füh­ren. Das heißt aber, er muss sie dazu brin­gen, die sinn­li­che Gewiss­heit der Gegen­wart gegen die ungreif­ba­re Welt sei­ner Fik­ti­on ein­zu­tau­schen. Wäh­rend der Leser mit dem Auf­schla­gen des Buchs sei­ne Auf­merk­sam­keit fast voll­stän­dig aus der Gegen­wart abzieht und sich auf die sprach­li­chen Zei­chen kon­zen­triert, macht der Hörer einer Erzäh­lung viel­fäl­ti­ge Wahr­neh­mun­gen. Sei­ne Augen wan­dern, beob­ach­ten abwech­selnd den Erzäh­ler, die Mit­hö­ren­den und den umge­ben­den Raum. Die sprach­li­che For­mu­lie­rung allein wür­de ihn nicht weit genug aus sei­ner sinn­li­chen Gegen­wart ent­fer­nen. Das leis­tet erst eine Dar­stel­lung über Ges­tik und Spiel, die des­halb von den Erzäh­lern des­to ein­drucks­vol­ler ein­ge­setzt wird, je geschick­ter sie zu erzäh­len ver­ste­hen.
Es sind vor allem zwei Spiel­ele­men­te, die am leben­di­gen Erzäh­len betei­ligt sind und den sprach­li­chen Text durch­set­zen: das Anspie­len der han­deln­den Per­so­nen und die den Erzähl­text illus­trie­ren­den Ges­ten. Bei­de hel­fen auf ihre Wei­se die sinn­li­che Gegen­wart zurück­tre­ten zu las­sen und in die fik­ti­ve Gegen­wart der Erzäh­lung ein­zu­tau­chen.
In bei­den Fäl­len han­delt es sich um redu­zier­te zei­chen­haf­te Dar­stel­lun­gen. Die im dar­stel­len­den Spiel aus­ge­führ­te Rol­le wird nur kurz an den ent­schei­den­den Stel­len der Hand­lung oder eines Dia­logs ange­deu­tet, um die Rol­le gleich wie­der zu ver­las­sen. Jede Per­son erhält dabei eine typi­sche Hal­tung, einen Gesichts­aus­druck oder der­glei­chen, die sie kenn­zeich­nen. Der alte Bett­ler streckt mit krum­mem Rücken bit­tend die Hand vor, für das Nas­horn wird der Fin­ger über der Nase aus­ge­streckt. Den Gro­bi­an, der die Tür ein­tritt, kann ein tre­ten­der Fuß eben­so cha­rak­te­ri­sie­ren wie die als Fuß zusto­ßen­de Hand.
Die bild­haf­te Ges­te arbei­tet noch bruch­stück­haf­ter: Sie nimmt ein Ele­ment aus einem Gesamt­bild und ahmt es über die Hand­be­we­gung oder ande­re kör­per­li­che Aus­drucks­wei­sen nach. Um den Bach durch die Wie­se flie­ßen zu las­sen kur­ven die Hän­de mit beweg­ten Fin­gern durch die Luft. Die Schrank­tür öff­net sich mit einer Vier­tel­dre­hung des vor die Brust geleg­ten Armes. Das reicht für den Betrach­ter aus, um sich das gan­ze damit gemein­te Bild der Wie­se oder des Schlaf­zim­mers zu ergän­zen. Die Ges­ten und Spiel­wei­sen des Erzäh­lers zau­bern auf über­ra­schen­de und an Magie gren­zen­de Wei­se Bil­der in die Köp­fe der Hörer. Ähn­lich wie beim Betrach­ten von Bil­der­bü­chern wer­den Bil­der zum Text gelie­fert, nur dass sie, ange­regt durch die Dar­stel­lung des Erzäh­lers, die­se Bil­der in der Vor­stel­lung selbst ent­ste­hen.
Beim Vor­le­sen sind die Hörer dage­gen aus­schließ­lich auf die sprach­li­che Infor­ma­ti­on ange­wie­sen. Der bunt­ge­web­te Tep­pich aus Sät­zen, Ges­ten und Spiel zer­reißt. Sobald das Lesen zur selbst­ver­ständ­li­chen Tätig­keit gewor­den ist, spielt die­se Ein­schrän­kung kei­ne Rol­le mehr. Jetzt kann die bild­haf­te Vor­stel­lung pro­blem­los aus dem Text ent­nom­men wer­den. Lese­ge­schich­ten bie­ten des­halb, anders als Erzähl­tex­te, aus­führ­li­che Beschrei­bun­gen, die die Auf­ga­be haben, die Vor­stel­lung anzu­re­gen. Aber so weit sind die Kin­der ja zunächst noch nicht, sie sol­len zum Lesen erst hin­ge­führt werden.

In For­meln und Wie­der­ho­lun­gen spre­chen
Auch die Sprech­wei­se des Erzäh­lers ist auf die rasche und flüch­ti­ge Auf­nah­me aus­ge­rich­tet. Anders als der Schrei­ben­de wie­der­holt er ger­ne die glei­chen For­mu­lie­run­gen, und nie­mand stößt sich dar­an. Wäh­rend beim Lesen Wie­der­ho­lun­gen als stö­rend emp­fun­den wer­den, erleich­tern sie das Erzäh­len wie das Hören. Den Erzäh­ler, der ja kei­nen fes­ten Text vor­trägt, son­dern ihn im Moment des Erzäh­lens impro­vi­siert, ent­las­tet die Wie­der­ho­lung von der Suche nach den rich­ti­gen Wor­ten. Aber auch der Hörer darf die Auf­merk­sam­keit einen Augen­blick zurück­neh­men. Er ist ja ganz anders „gespannt“ als der Leser, denn was er im Moment des Hörens nicht auf­neh­men konn­te, bleibt ihm für immer ver­lo­ren. Hören ist flüch­tig und bereits bekann­te Wen­dun­gen las­sen sich rascher auf­neh­men. Es sind vor allem die soge­nann­ten „For­meln“, jene fes­ten Wen­dun­gen, die sich beim wie­der­hol­ten Erzäh­len von Geschich­ten unwei­ger­lich ein­schlei­fen und das Erzäh­len beträcht­lich erleich­tern, weil sie als fes­te „Ver­satz­stü­cke“ Ruhe­punk­te bei der impro­vi­sie­ren­den Text­ge­stal­tung set­zen. Zugleich rhyth­mi­sie­ren sie den Sprach­fluss.
Tat­säch­lich bil­den wir sol­che fest­ste­hen­den Ver­satz­stü­cke auch schon in unse­ren All­tags­er­zäh­lun­gen. Man beob­ach­te sich nur dabei, wie sich beim wie­der­hol­ten Erzäh­len von Erleb­nis­sen For­mu­lie­run­gen ein­schlei­fen, und des­to zuver­läs­si­ger wie­der­holt wer­den, je öfter wir ein Erleb­nis berich­ten.
Man merkt das noch den Tex­ten unse­rer Mär­chen­samm­lun­gen an, obwohl deren Wort­laut von den Samm­lern für ein Lese­pu­bli­kum auf­be­rei­tet wur­de. Es gehört zum obli­ga­to­ri­schen Mär­chen­stil, dass sie mit dem „Es war ein­mal“ ein­set­zen und mit der For­mel enden: „Und wenn sie nicht gestor­ben sind…“ Die Prin­zes­sin ist wun­der­schön und hat gol­de­ne Haa­re, ihr Befrei­er ist selbst­re­dend mutig, tap­fer und stark.
Man kann nun immer wie­der beob­ach­ten, dass sich die­se for­mel­haf­ten Wie­der­ho­lun­gen Kin­dern beson­ders ein­prä­gen und wie Fund­stü­cke beim Nach­er­zäh­len oder in eige­nen Geschich­ten ver­wen­det werden.

Genaue­re Aus­füh­run­gen zur Sprech­wei­se des Erzäh­lens, zur kind­li­chen Erzähl­fä­hig­keit und zur Bedeu­tung von Geschich­ten für Kin­der fin­den sich in:
Johan­nes Mer­kel:
Spie­len, Erzäh­len, Phan­ta­sie­ren – Die Spra­che der inne­ren Welt,
Kunst­mann-Ver­lag, Mün­chen 2000
Neu­auf­la­ge Edi­ti­on Lumiè­re, Bre­men 2007

Zur Sprachförderung im Kindergarten

Sieht man sich die Ver­fah­ren und das Mate­ri­al an, die für die För­de­rung sprach­li­cher Kom­pe­tenz im Ele­men­tar­be­reich vor­ge­schla­gen und ange­wen­det wer­den, herr­schen Ver­fah­ren vor, die mit Bild­ma­te­ri­al arbei­ten. In geson­der­ten För­der­kur­sen soll über das Betrach­ten von Abbil­dun­gen ent­we­der der Wort­schatz der Kin­der erwei­tert oder sie sol­len zum eigen­stän­di­gen Spre­chen ver­an­lasst wer­den. Das star­ke Gewicht, das auf Bild­ma­te­ri­al gelegt wird, geht dar­auf zurück, dass die För­der­maß­nah­men aus den Ver­fah­ren der Sprach­heil­kun­de über­nom­men wur­den. Die­se Ver­fah­ren zie­len jedoch dar­auf, ein­zel­ne Pro­ble­me in der kind­li­chen Sprach­ent­wick­lung in the­ra­peu­ti­schen Sit­zun­gen zu behan­deln (etwa Stot­tern oder Ver­wech­seln von Laut­fol­gen). Die Abbil­dun­gen die­nen dann dazu, Sprach­äu­ße­run­gen der Kin­der in einer Situa­ti­on zu ver­an­las­sen, in der die Kin­der eigent­lich kaum Anlass haben, sich mit dem the­ra­peu­ti­schen Per­so­nal zu unter­hal­ten. Zum glei­chen Zweck wird auch Spiel­ma­te­ri­al ein­ge­setzt.
Die Sprach­för­de­rung im päd­ago­gi­schen All­tag des Kin­der­gar­tens ver­folgt ande­re Zie­le und hat in einer ganz ande­ren Situa­ti­on zu erfol­gen. Es geht nicht um die Behe­bung ein­zel­ner „Sprach­stö­run­gen“, sie soll viel­mehr die Sprach­be­herr­schung der Kin­der in allen ihren Funk­tio­nen und Aspek­ten ver­bes­sern: Eine arti­ku­lier­te Aus­spra­che eben­so wie die Beherr­schung der grund­le­gen­den Regeln zwi­schen­mensch­li­chen Kom­mu­ni­zie­rens, der Beach­tung der gram­ma­ti­schen und mor­pho­lo­gi­schen Bil­dungs­re­geln sowie den Gebrauch eines umfang­rei­chen und dif­fe­ren­zier­ten Wort­schat­zes.
Kin­der, deren Sprach­er­werb eini­ger­ma­ßen „nor­mal“ ver­lau­fen ist, die aber auf­grund von feh­len­der Anre­gung Rück­stän­de in der wei­te­ren Sprach­ent­wick­lung zei­gen, benö­ti­gen aus­rei­chend inter­es­san­te Sprech­an­läs­se und geeig­ne­te sprach­li­che Vor­la­gen, die ihnen erlau­ben, ihren Sprach­ge­brauch selbst­tä­tig zu ver­bes­sern. Bei Kin­dern, die Deutsch als Zweit­spra­che ler­nen, geht es dar­um sie dar­in zu unter­stüt­zen, sich in der neu­en Spra­che zum Aus­druck zu brin­gen und dar­über einen aus­rei­chen­den Wort­schatz sowie die grund­le­gen­den Regeln der Zweit­spra­che zu über­neh­men, damit sie sich in der fremd­spra­chi­gen Umwelt ver­stän­di­gen kön­nen und spä­ter in der Schu­le in der Lage sind dem Unter­richt zu fol­gen. In bei­den Fäl­len ist es der all­täg­li­che päd­ago­gi­sche Umgang mit den Kin­dern, der die ent­schei­den­de Anre­gung zu bie­ten hat und dar­über die Sprach­fer­tig­kei­ten beför­dern kann. Dafür sind die Gesprächs­si­tua­tio­nen im gemein­sa­men Umgang so anzu­le­gen, dass sie der sprach­li­chen För­de­rung der Kin­der dienen.

Sprach­ler­nen im gemein­sa­men Han­deln
Kin­der im Vor­schul­al­ter ler­nen „ganz­heit­lich“, das heißt auf das Sprach­ler­nen bezo­gen: die sprach­li­che Ver­stän­di­gung muss ihren Gefüh­len und ihren Hand­lungs­ab­sich­ten ent­spre­chen.
Sprach­för­de­rung kann am Inter­es­se an mensch­li­chen Bezie­hun­gen anknüp­fen, die sich im gemein­sa­men Tun rea­li­sie­ren. Sie darf sich aber gera­de des­halb nicht auf ein iso­lier­tes Trai­ning ein­zel­ner sprach­li­cher Funk­tio­nen beschrän­ken, son­dern hat die leben­di­ge kör­per­li­che, ges­ti­sche und sprach­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on zu erwei­tern, die Kin­der spon­tan im Umgang mit Erwach­se­nen und Gleich­alt­ri­gen benut­zen.
Beim Erst­sprach­er­werb ler­nen Kin­der die Bedeu­tun­gen und die Regeln der Mut­ter­spra­che zu über­neh­men, indem sie in gemein­sa­men Hand­lungs­si­tua­tio­nen die dabei geäu­ßer­ten Sprach­lau­te zu den Hand­lun­gen in Bezug set­zen. Auch wäh­rend des gesam­ten Vor­schul­al­ters bleibt das Spre­chen, das gemein­sa­mes Han­deln beglei­tet und steu­ert, die ent­schei­den­de Quel­le für die Über­nah­me und die stän­di­ge Ver­bes­se­rung des sprach­li­chen Ver­ständ­nis­ses und der Sprach­äu­ße­run­gen. Die akti­ve Sprach­äu­ße­rung erfolgt dabei, je jün­ger Kin­der sind des­to mehr, aus der kör­per­li­chen Bewe­gung her­aus. Was Kin­der zum Spre­chen moti­viert, ist die Erfah­rung, dass die­ses „Sprach­han­deln“ mehr errei­chen kann und es dif­fe­ren­zier­ter erreicht als sprach­lo­ses kör­per­li­ches Han­deln. Und das Inter­es­se am gemein­sa­men Han­deln setzt immer die Bezie­hung (zu den Betreu­ern, zu den Gleich­alt­ri­gen) vor­aus, die durch die sprach­li­che Ver­stän­di­gung gefes­tigt und bestä­tigt wird. Es ist die Wirk­sam­keit der Spra­che, die Kin­der zum Spre­chen moti­viert.
Sprach­för­de­rung kann und darf sich des­halb auch nicht auf ein­zel­ne vom all­täg­li­chen Umgang abge­lös­te För­der­stun­den beschrän­ken. Kind­li­ches Spre­chen und die Sprach­be­herr­schung der Kin­der wird viel­mehr immer dann wir­kungs­voll unter­stützt, wenn die gemein­sa­men Akti­vi­tä­ten, Spie­le und Unter­neh­mun­gen von den Fach­kräf­ten sprach­lich beglei­tet und kom­men­tiert sowie in der Kin­der­grup­pe zum Anlass für Gesprä­che genom­men wird. Denn damit wird die Fähig­keit geför­dert, mit Hil­fe der Spra­che das eige­ne und das Han­deln der ande­ren genau­er zu erfas­sen und zu beein­flus­sen und sich dar­über der gegen­sei­ti­gen Bezie­hun­gen zu ver­si­chern.
Prin­zi­pi­ell kön­nen vier Berei­che unter­schie­den wer­den, die die Fach­kräf­te beim Sprach­ver­hal­ten der Kin­der zu beob­ach­ten haben und die bei der Sprach­för­de­rung zu berück­sich­ti­gen sind:
Die „kom­mu­ni­ka­ti­ve Kom­pe­tenz“, d.h. die Fähig­keit, die Regeln ein­zu­hal­ten, die wir beim mit­tei­len­den Spre­chen erwar­ten,
die ange­mes­se­ne und für Ande­re ver­ständ­li­che Arti­ku­la­ti­on der Sprach­lau­te sowie die rhyth­mi­sche Unter­glie­de­rung sprach­li­cher Äuße­run­gen,
Umfang und inhalt­lich zutref­fen­der Gebrauch des Wort­schat­zes,
die „Satz­bil­dungs­fä­hig­keit“, also die regel­ge­rech­te Ver­knüp­fung von Wör­ter zu gan­zen Sät­zen.
Die wach­sen­de Sprach­be­herr­schung wird von dem Wunsch vor­an­ge­trie­ben, sich sprach­lich mit­tei­len zu kön­nen, dar­über in Bezie­hung zu Kin­dern und Erzie­hen­den zu tre­ten und sich über gemein­sa­me Akti­vi­tä­ten zu ver­stän­di­gen. Es kommt des­halb zunächst vor allem dar­auf an, dass sich Kin­der über­haupt äußern. Was sie mit­tei­len möch­ten, und das Motiv, war­um sie es sagen, ist wich­ti­ger als die sprach­li­che Form, in die sie es klei­den. Je mehr ein Kind bereit ist zu spre­chen, je mehr es aus­zu­drü­cken ver­sucht, des­to leich­ter wird es ihm mit der Zeit fal­len, die kor­rek­ten sprach­li­chen For­men und Bezeich­nun­gen zu benut­zen. Häu­fig kos­tet das Aus­for­mu­lie­ren der gewünsch­ten Aus­sa­gen Kin­dern aber noch viel Mühe. Man muss ihnen Zeit dafür las­sen. Sie kön­nen die­se Anstren­gung nur dann durch­hal­ten, wenn ihnen in Ruhe zuge­hört wird und sie trotz aller Schwie­rig­kei­ten aus­re­den dürfen.

Zum Sprach­ver­hal­ten der Fach­kräf­te
Für die Sprach­ver­wen­dung der Fach­kräf­te gilt dabei: Das Kind braucht einer­seits Sprach­vor­la­gen, die es ver­ste­hen und zuneh­mend auch selbst anwen­den kann, die aber ande­rer­seits etwas über dem Niveau der kind­li­chen Sprach­ver­wen­dung lie­gen, um sei­ne Sprach­kennt­nis­se zu erwei­tern. Beim Erst­sprach­er­werb stel­len sich die Betreu­er, sofern sie eine siche­re Bezie­hung zum Kind ent­wi­ckeln, auf das Ver­ständ­nis und die För­de­rung der Kin­der ein, ohne dass es ihnen bewusst wird. Die Fach­kräf­te in den Ein­rich­tun­gen haben es aber mit vie­len Kin­dern zu tun, zu denen sie die­se inten­si­ven Bezie­hun­gen nicht haben kön­nen und auch nicht haben sol­len. Sie müs­sen des­halb ihr Sprach­ver­hal­ten bewusst auf die Kin­der ein­stel­len, mit denen sie jeweils zu tun haben.
Die Fach­kräf­te kön­nen die sprach­li­chen Äuße­run­gen för­dern, indem sie stum­me Akti­vi­tä­ten der Kin­der sprach­lich kom­men­tie­ren. („Du hast einen Bau­klotz quer drü­ber gelegt, jetzt wackelt das gar nicht mehr“). Eben­so kön­nen sie ihre eige­nen Hand­lun­gen in sprach­li­chen Äuße­run­gen ver­dop­peln („Ich set­ze jetzt noch einen gel­ben Bau­stein ganz vor­sich­tig oben auf den Turm“). Die „red­un­dan­te“ dop­pel­te Bot­schaft wird bes­ser ver­stan­den, weil bereits die Hand­lung oder die Ges­te den Sinn des Gesag­ten im Ansatz ver­ständ­lich macht. Der geäu­ßer­te Satz wird sich bes­ser ein­prä­gen. Ins­be­son­de­re sprach­lich zurück­ge­blie­be­nen oder Kin­dern gegen­über, die Deutsch als Zweit­spra­che spre­chen, soll­te des­halb in erkenn­ba­ren Hand­lungs­si­tua­tio­nen und mit deut­li­chen Ges­ten gespro­chen wer­den.
Es ist dage­gen zu ver­mei­den, feh­ler­haf­te Sprach­äu­ße­run­gen zu ver­bes­sern. Kin­der kön­nen dadurch ent­mu­tigt wer­den und das nächs­te Mal stumm blei­ben. Bes­ser ist es, auf die Selbst­kor­rek­tur zu ver­trau­en. Wo die kind­li­che Äuße­rung indi­rekt wie­der­holt wird, wird ein Mus­ter vor­ge­ge­ben, nach dem sich das Kind rich­ten kann.

Bil­der als Sprech­an­lass
Die Ver­wen­dung von Bild­ma­te­ri­al als Sprech­an­lass spielt dem­ge­gen­über eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le, schon des­halb, weil das Betrach­ten von Bild­ma­te­ri­al, von Bil­der­bü­chern oder media­len visu­el­len Vor­la­gen, ja nur von Zeit zu Zeit statt­fin­den kann. Bil­der prä­sen­tie­ren ver­mit­tel­te Hand­lun­gen, sie spre­chen nur die visu­el­le Wahr­neh­mung und die inne­re Vor­stel­lung an und sind nicht mit eige­nem Han­deln und kör­per­li­cher Bewe­gung ver­bun­den. Sie stel­len des­halb einen weni­ger wirk­sa­men Sprech­an­lass dar als das gemein­sa­me Han­deln. Sie haben aller­dings gegen­über dem die Hand­lung beglei­ten­den Spre­chen einen Vor­teil:
Im han­deln­den Umgang steht das akti­ve Tun im Vor­der­grund und wird von der Spra­che umspielt und dif­fe­ren­ziert. Beim Betrach­ten von Bil­dern erschlie­ßen sich die abge­bil­de­ten Hand­lun­gen erst voll­stän­dig über das Spre­chen. Die gemein­sa­me Bild­be­trach­tung wird also im all­ge­mei­nen einen inten­si­ve­ren sprach­li­chen „Input“ erzeu­gen, sofern die Bil­der das Inter­es­se und die Vor­stel­lung der Kin­der anspre­chen. Die Bild­be­trach­tung eig­net sich daher auch für För­der­stun­den und För­der­kur­se, die abge­löst vom All­tags­han­deln zur rei­nen Sprach­för­de­rung anbe­raumt wer­den. Dabei besteht aber immer die Gefahr, dass Sprach­för­de­rung auf weni­ge För­der­stun­den beschränkt wird, die von „Spe­zia­lis­ten“ durch­ge­führt wer­den und dann im eigent­li­chen Lern­ort der Spra­che, dem all­täg­li­chen Umgang mit den Kin­dern, nicht mehr aus­rei­chend berück­sich­tigt wird.

Warum Erzählen die Sprachbeherrschung fördert

Das Erzäh­len von Geschich­ten kann die kind­li­che Sprach­be­herr­schung auf ande­re Wei­se berei­chern und erwei­tern. Ähn­lich wie die Bild­be­trach­tung beschäf­tigt es sich mit „fer­nen“, nicht gegen­wär­tig erfahr­ba­ren Hand­lun­gen und ermög­licht dar­über, eine inten­si­ve sprach­li­che Anre­gung inner­halb kur­zer Zeit­span­nen. Erzäh­len wird zwar in allen Kon­zep­ten zur vor­schu­li­schen Sprach­för­de­rung emp­foh­len, aber sel­ten genau­er in sei­nen spe­zi­fi­schen For­men und Mög­lich­kei­ten beschrie­ben. Oben­drein wird es häu­fig mit dem Vor­le­sen von Erzäh­lun­gen gleich­ge­setzt. Erzäh­len stellt aber ein eigen­stän­di­ges Medi­um dar, das sich grund­sätz­lich von lite­ra­ri­schen und media­len Dar­stel­lungs­wei­sen unter­schei­det. Soll es die Sprach­be­herr­schung von Kin­dern beför­dern, sind die­se spe­zi­fi­schen Eigen­schaf­ten zu beach­ten und zu nut­zen.
Ver­ge­gen­wär­ti­gen wir uns zunächst, dass Kin­der Spra­che von allem Anfang über den Dia­log erwer­ben. Längst bevor sie die ers­te sprach­li­che Äuße­rung zustan­de brin­gen, haben sie gelernt zu kom­mu­ni­zie­ren, zunächst über die kör­per­li­che Hand­lung, schließ­lich über sym­bo­li­sche Ges­ten. Sie betei­li­gen sich am Dia­log mit den Betreu­ern, ehe sie spre­chen kön­nen. Spä­ter wer­den die sprach­li­chen Bezeich­nun­gen dann in der wech­sel­sei­ti­gen Inter­ak­ti­on all­mäh­lich ent­schlüs­selt und übernommen.

Die Gestal­tung des Wort­lauts nach den Reak­tio­nen der Zuhö­rer
Dass Kin­der leben­di­ge Erzäh­lun­gen zunächst genau­er zu behal­ten ver­mö­gen als lite­ra­ri­sche oder in den Medi­en prä­sen­tier­te Geschich­ten, liegt vor allem dar­an, dass beim münd­li­chen Erzäh­len Erzäh­ler und Hörer in stän­di­gem wech­sel­sei­ti­gen Aus­tausch blei­ben. Die Zuhö­rer reagie­ren über kör­per­li­che Zei­chen oder auch über kur­ze Ein­wür­fe und Äuße­run­gen auf die Geschich­te und der Erzäh­ler berück­sich­tigt die­se Reak­tio­nen in sei­ner Erzäh­lung. Ande­rer­seits erwar­tet er die­se Reak­tio­nen, denn sie hel­fen ihm, die Geschich­te ein­drück­lich aus­zu­ge­stal­ten. Das heißt: Münd­li­ches Erzäh­len bleibt sehr nahe an den kom­mu­ni­ka­ti­ven Ver­hal­tens­wei­sen, in denen das all­täg­li­che Gespräch abläuft. Sprach­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on aber ist für Vor­schul­kin­der noch fast aus­schließ­lich an das per­sön­li­che Gespräch gebun­den.
Indem der Erzäh­ler sei­nen Text nach den Reak­tio­nen der Zuhö­rer impro­vi­siert, wird das Ver­ste­hen ins­ge­samt erleich­tert. Sei­ne Spra­che wird not­wen­di­ger­wei­se vom all­täg­li­chen Sprach­ge­brauch abwei­chen, aber anders als der sti­li­sier­te Schrift­text sich immer wie­der auf die Sprach­fä­hig­keit und das Ver­ständ­nis sei­ner Hörer zurück­be­zie­hen. Wo er bemerkt, dass sie ihn nicht mehr ver­ste­hen, wird er sei­ne Aus­sa­gen in ande­ren Wor­ten wie­der­ho­len und sich in der Dik­ti­on an die Hörer anzu­nä­hern ver­su­chen. Er muss das nicht üben, jeder Erzäh­ler tut das selbst­ver­ständ­lich, solan­ge er sich im Kon­takt zu sei­nem Publi­kum befin­det.
Beim Vor­le­sen tritt den Zuhö­rern dage­gen ein in sich geschlos­se­ner und sti­lis­tisch geform­ter Text ent­ge­gen. Der Wort­laut des gele­se­nen Tex­tes kann das Sprach­ver­ständ­nis der Hören­den nicht berück­sich­ti­gen. Beim eige­nem Lesen sind sie nur noch mit einem sprach­li­chen Gebil­de, aber mit kei­ner spre­chen­den Per­son mehr kon­fron­tiert. Leben­di­ges per­sön­li­ches Erzäh­len bil­det eine Brü­cke, um vom Gebrauch der Spra­che im Gespräch zu einem Ver­ständ­nis von Tex­ten als in sich geschlos­se­nen Gebil­den zu kom­men.
Die Bedeu­tung, die die gesprächs­na­he Ver­mitt­lung für Kin­der vor dem Lese­al­ter hat, wird durch einen Sei­ten­blick auf Bil­der­bü­cher unter­stri­chen. Bil­der­bü­cher regen die Vor­stel­lung über die beglei­ten­den Illus­tra­tio­nen an, zugleich wech­seln Vor­le­sen des Tex­tes und Gesprä­che, die das Betrach­ten der Bil­der beglei­ten, ein­an­der ab. Der gele­se­ne Text wird also ergänzt und umspielt von dem Gespräch, in das das Vor­le­sen ein­ge­bet­tet ist. Dar­über wird die Erzäh­lung „inter­ak­tiv“ näher­ge­bracht. Der fes­te Text wird auf­ge­bro­chen, kind­li­che Ein­drü­cke kön­nen in die Betrach­tung ein­flie­ßen, Fra­gen kön­nen gestellt und die Geschich­te auf die Erfah­run­gen und Phan­ta­sien der Kin­der bezo­gen werden..

Wort­ver­ste­hen durch ges­ti­sche Illus­tra­ti­on
Es gehört zum selbst­ver­ständ­li­chen Ver­hal­ten des Erzäh­lers die sprach­li­chen Mit­tei­lun­gen über Ges­tik und Spiel­ele­men­te zu „bebil­dern“. Ges­ten wer­den rascher ver­stan­den als Sät­ze, ein­mal weil sie Bil­der her­vor­ru­fen, die plötz­lich auf­tau­chen, wäh­rend die Ent­schlüs­se­lung von auf­ein­an­der fol­gen­den Sprach­lau­ten Zeit benö­tigt. Zudem wer­den sie in der Logik einer Spiel­sym­bo­lik gebil­det, deren Ver­ständ­nis nicht von der Sprach­be­herr­schung, son­dern von der Beweg­lich­keit der Spiel­phan­ta­sie abhängt. Gera­de wo die sprach­li­chen Äuße­run­gen nur annä­he­rungs­wei­se erfasst wer­den, wer­den Spiel und Ges­tik ein unge­fäh­res Ver­ste­hen erlau­ben. Ges­ten sind aller­dings nie­mals ein­deu­tig, sie wir­ken wie eine Art Rät­sel, das nach Ent­schlüs­se­lung ruft. Den Schlüs­sel aber lie­fert die Spra­che. Die hören­den Kin­der wer­den um so mehr bemüht sein, die sprach­li­chen Mit­tei­lun­gen zu ent­rät­seln und sich zugäng­lich zu machen.
Gera­de die For­mel­haf­tig­keit des Erzähl­tex­tes unter­stützt das Auf­neh­men unbe­kann­ter sprach­li­cher Wen­dun­gen. Kin­der schei­nen ja oft neu gelern­te Wör­ter regel­recht frisch zu kau­en, indem sie sie stän­dig wie­der­ho­len, und ähn­lich kann man beim Nach­er­zäh­len von gehör­ten Geschich­ten beob­ach­ten, dass sich gera­de die­se wie­der­hol­ten For­meln ein­prä­gen. Die­ser Effekt stellt sich beson­ders dort ein, wo die glei­che Ges­te die sich wie­der­ho­len­de For­mel begleitet.

Das Her­aus­tre­ten aus der All­tags­kom­mu­ni­ka­ti­on
Nun rückt aber die Erzäh­lung noch in einer ande­ren Hin­sicht vom Spre­chen im Gespräch ab: Sie bie­tet ja ein eigen­stän­di­ges und zusam­men­hän­gen­des Gebil­de, das sich aus der gegen­wär­ti­gen Gesprächs­si­tua­ti­on ent­fernt. Kin­der ken­nen etwas Ähn­li­ches schon aus ihren Rol­len­spie­len, wo sie auch immer wie­der aus dem Spiel her­aus­tre­ten, um über die Spiel­hand­lung und sei­ne Fort­füh­rung zu spre­chen, und sich damit auf einer „Meta­ebe­ne“ bewe­gen. Ganz ähn­lich müs­sen sie beim Hören von Erzäh­lun­gen, und noch mehr, sobald sie selbst erzäh­len, eine dop­pel­te Per­spek­ti­ve hal­ten: Ers­tens die Sicht des Erzäh­len­den, der auf die erzähl­ten Ereig­nis­se blickt, und zwei­tens die Sicht der han­deln­den Per­so­nen, die in der Erzäh­lung agie­ren.
Wäh­rend die Spiel­se­quen­zen im Rol­len­spiel jeweils neu aus­ge­han­delt wer­den kön­nen, lie­gen die Sze­nen einer Erzäh­lung fest, müs­sen von den Erzäh­len­den beach­tet und von den Hören­den beim flüch­ti­gen Hören ver­stan­den wer­den. Erzäh­len erfor­dert des­halb einen genaue­ren und über­sicht­li­chen Bau­plan.
Denn auch die Hörer einer Erzäh­lung ken­nen die grund­sätz­li­chen Bau­stei­ne einer Geschich­te und ent­wi­ckeln dar­über eine recht kla­re Erwar­tung, was wann auf­ein­an­der zu fol­gen hat. Zwar beherr­schen Kin­der, wenn sie selbst erzäh­len, das Struk­tur­sche­ma von Geschich­ten erst ansatz­wei­se, aber sie haben die­se Erwar­tun­gen über Geschich­ten, die sie schon gehört haben, aus­ge­bil­det. Sie kön­nen die Gesamt­struk­tur über­bli­cken und ihre Auf­merk­sam­keit danach aus­rich­ten. Gera­de weil Erzäh­lun­gen so sche­ma­tisch auf­ge­baut sein müs­sen, kön­nen die Prin­zi­pi­en, nach denen das sprach­li­che Gebil­de kon­stru­iert wird, durch­schaut und nach­voll­zo­gen wer­den. Die­se Abwei­chung von den offe­nen Bei­trä­gen eines in Rede und Gegen­re­de ver­lau­fen­den Dia­logs hat für das Sprach­ver­ständ­nis von Vor­schul­kin­dern eine wich­ti­ge Kon­se­quenz: Sie ler­nen mit län­ge­ren und in sich struk­tu­rier­ten sprach­li­chen Tex­ten unab­hän­gig vom kom­mu­ni­ka­ti­ven Kon­text umzu­ge­hen. Spra­che löst sich aus dem Dia­log und wird als eigen­stän­di­ges Gebil­de wahr­ge­nom­men: Sie wird „dekon­tex­tua­li­siert“. Damit wird eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung für die Lese- und Schreib­fä­hig­keit geschaffen.

Zur Spracherziehung in der Grundschule

Der Unter­richt in der Grund­schu­le setzt in sei­ner her­kömm­li­chen Form Kin­der vor­aus, die im Prin­zip bereits regel­ge­recht spre­chen, so dass der Lese- und Schreib­un­ter­richt dar­auf auf­bau­en kann. Die Regeln der gespro­che­nen Spra­che kön­nen dann nach und nach auf die ande­re Aus­drucks­wei­se der Schrift­spra­che über­tra­gen wer­den. Vie­le Kin­der brin­gen die­se münd­li­che Sprach­be­herr­schung aber nicht mehr in die Schu­le mit, weil die sprach­li­che Anre­gung in den Fami­li­en oder Kin­der­gär­ten zu gering aus­fällt oder weil sie Deutsch als zwei­te Spra­che spre­chen und manch­mal noch nicht ein­mal den Kin­der­gar­ten besuch­ten. Unter ande­rem wur­de auch des­we­gen Erzie­hung zum münd­li­chen Spre­chen als Lern­ziel in die Lehr­plä­ne auf­ge­nom­men. Der Grund­schul­un­ter­richt hat nun also gleich­zei­tig ange­mes­se­nes Spre­chen und den Über­gang zum Gebrauch der Schrift­spra­che zu leis­ten – und schei­tert oft daran.

Die Sprach­be­herr­schung ent­schei­det über den Schul­erfolg
Zusätz­lich wird die­se dop­pel­te Auf­ga­ben­stel­lung noch belas­tet durch die hohen Erwar­tun­gen, die an den Unter­richt gestellt wer­den. Sprach­be­herr­schung in Rede und Schrift ist mehr als je zuvor der Schlüs­sel für eine erfolg­rei­che Schul­bil­dung, die wie­der­um die unver­zicht­ba­re Ein­tritts­kar­te für die Arbeits­welt dar­stellt. Und umge­kehrt: Wer ohne aus­rei­chen­de Aus­bil­dung bleibt, des­sen Lebens­chan­cen schwin­den in der soge­nann­ten „Wis­sens­ge­sell­schaft“. Vor vier­zig Jah­ren hat­te ein Schü­ler ohne Haupt­schul­ab­schluss immer noch die Mög­lich­keit von kör­per­li­cher Arbeit zu leben. Heu­te hat er selbst mit dem qua­li­fi­zier­ten Haupt­schul­ab­schluss Pro­ble­me eine Leh­re zu fin­den. Und der Schul­erfolg hängt, selbst in natur­wis­sen­schaft­li­chen Fächern ent­schei­dend vom Sprach­ver­ständ­nis ab.

Moti­va­ti­on zum Spre­chen und Schrei­ben
Schu­le war und ist prin­zi­pi­ell dar­auf gerich­tet den Schü­lern bei­zu­brin­gen, was sie spä­ter „im Leben“ brau­chen wer­den. Abge­se­hen, dass das auch für die Päd­ago­gen nicht so ein­deu­tig zu klä­ren ist, kön­nen Anstren­gun­gen, die sich erst in Jahr­zehn­ten aus­zah­len sol­len die Schü­ler der Grund­schu­le nicht inter­es­sie­ren. Das Grund­pro­blem des Schul­un­ter­richts ist des­halb die Moti­va­ti­on der Schü­ler. Die tra­di­tio­nel­le Schu­le such­te die­sen Zwie­spalt zu lösen, indem sie Noten als abs­trak­te Leis­tungs­gra­ti­fi­ka­tio­nen ver­gab. Dazu kam und kommt gera­de in den ers­ten Schul­jah­ren das Inter­es­se der Schü­ler an einer guten Bezie­hung zur Lehr­kraft. Die­se Moti­vie­run­gen funk­tio­nie­ren noch, soweit die Schü­ler die­se all­ge­mei­ne Leis­tungs­be­reit­schaft aus den Eltern­häu­sern mit­brin­gen, aber sie wer­den offen­sicht­lich brü­chi­ger. Gera­de für Schü­ler, die aus einem „bil­dungs­fer­nen“ Milieu kom­men, müs­sen die Anfor­de­run­gen der Schu­le zugleich einen unmit­tel­ba­ren und ein­seh­ba­ren Gewinn ver­spre­chen, indem sie die Inter­es­sen der Schü­ler anspre­chen und/oder den Zusam­men­halt und das gemein­sa­me Tun mit den Gleich­alt­ri­gen stär­ken. Für den Sprach­un­ter­richt bedeu­tet das: Die münd­li­chen und schrift­li­chen Auf­ga­ben soll­ten nicht wegen der Noten oder der Lehr­kraft zulie­be gefor­dert, son­dern als sinn­vol­le Mit­tei­lung an Adres­sa­ten ange­legt wer­den, denen die Schü­ler sich mit­tei­len wol­len.
Für die Sprach­er­zie­hung ist zwei­tens zu beden­ken: Die intui­ti­ve Aneig­nung von Spra­che ist zwar in den ers­ten Schul­jah­ren noch wirk­sam, lässt aber all­mäh­lich nach. Auf der ande­ren Sei­te beginnt sich – unter­stützt durch einen guten Unter­richt – die bewuss­te Wahr­neh­mung sprach­li­cher Struk­tu­ren und Regeln zu ent­wi­ckeln. Das Lesen­ler­nen sel­ber erfor­dert ja die bewuss­te Umset­zung von Laut­ein­hei­ten in Schrift­zei­chen und damit eine Wahr­neh­mung der Sprach­lich­keit von Spra­che. Des­halb ent­wi­ckelt jetzt nach und nach sich ein „meta­sprach­li­ches“ Bewusst­sein. Es kann jetzt in gewis­sem Maß auch über rich­ti­ges Reden und Schrei­ben gespro­chen und die­se Regeln kön­nen zuneh­mend auch bewusst ange­wen­det wer­den.
Wenn Reden und Schrei­ben als sinn­vol­le und erkenn­ba­re Mit­tei­lung erlebt wird, wol­len die Schü­ler, dass die Mit­tei­lung ohne Feh­ler und in den rich­ti­gen For­men erscheint. Das setzt aber vor­aus, dass die­se Mit­tei­lun­gen einen erkenn­ba­ren Adres­sa­ten haben, dem sich die Schü­ler mit­tei­len wol­len. Dass das Spre­chen und Schrei­ben also in ihren Augen Sinn macht und sie des­halb motiviert.

Han­deln­der Sprach­un­ter­richt
Damit sind wir wie­der beim Hand­lungs­aspekt. Und dabei stößt man in der Schu­le auf enge­re Gren­zen als im Kin­der­gar­ten. Schu­le stellt von vorn­her­ein einen Raum dar, in dem Kennt­nis­se und Wis­sen in sym­bo­li­scher Zei­chen­haf­tig­keit ver­mit­telt wird um es spä­ter „im Leben“ anzu­wen­den. Die für die Schü­ler aktu­el­len Hand­lungs­wei­sen und über­haupt all­täg­li­ches Han­deln müs­sen weit­ge­hend vor der Schul­tür blei­ben. Das ist für das intui­ti­ve Sprach­ler­nen ein gro­ßes Han­di­cap, ins­be­son­de­re im rei­nen Deutsch­un­ter­richt.
Es ist eher der Sach­un­ter­richt, der sich für einen hand­lungs­be­ton­ten Unter­richt anbie­tet, in dem sich Raum für hand­lungs­be­glei­ten­des Spre­chen auf­tut. Für die Sprach­er­zie­hung ergibt sich dar­aus das Prin­zip des „durch­gän­gi­gen“ Sprach­un­ter­richts. Das heißt, auch in den sach­li­chen Fächern wird auf das Spre­chen und die Sprach­be­herr­schung geach­tet. Es ist ins­be­son­de­re für zwei­spra­chi­ge Kin­der sehr wich­tig und hilf­reich, wenn alle sach­li­chen Erläu­te­run­gen von durch­schau­ba­ren Hand­lungs­wei­sen und Vor­füh­run­gen beglei­tet wer­den und Tex­te, die die Schü­ler dazu schrei­ben, nicht nur auf ihre sach­li­che Rich­tig­keit, son­dern auch auf ihre sprach­li­che For­mu­lie­rung hin betrach­tet werden.

Die sprach­lich erzeug­te „sym­bo­li­sche“ Welt vor­ge­stell­ter Hand­lun­gen
Der Sprach­ge­brauch der Schü­ler ist ja aber längst nicht mehr auf den Umgang mit den Mit­men­schen beschränkt. Und es sind die­se Ver­wen­dungs­wei­sen, die ich als „sym­bo­lisch“ bezeich­nen möch­te, die sich für den Sprach- und Deutsch­un­ter­richt anbie­ten.
Das bereits erwähn­te aus dem Kon­text eines Gesprächs gelös­te Spre­chen beim Erzäh­len legt die Grund­la­ge für ein all­ge­mei­nes Text­ver­ste­hen, das wie­der­um für sinn­ge­mä­ßes Lesen und für das Ver­fas­sen eige­ner Tex­te gebraucht wird. Schü­ler, die gelernt haben, dass Erzäh­lun­gen einem struk­tu­rel­len Sche­ma fol­gen müs­sen (dem „sto­ry sche­ma“) und dass dabei eine Hand­lung sich aus der andern erge­ben muss („Kohä­renz“ der Erzäh­lung), kön­nen die­ses Ord­nungs­sche­ma dann auch benut­zen, um sie an Erzäh­lun­gen in ande­ren media­len For­men (lite­ra­ri­sche Tex­te, Hör­spie­le, audio­vi­su­el­le Erzäh­lun­gen) anzu­le­gen und sie dar­über bes­ser zu ver­ste­hen. Sie sind dann in der Lage, die­se Struk­tur auch beim Ver­fas­sen eige­ner Erzäh­lun­gen (der ers­ten selb­stän­di­gen Auf­satz­form der Grund­schu­le) als Leit­li­nie der Hand­lungs­füh­rung und der sprach­li­chen Gestal­tung zu benut­zen.
Die­se Struk­tu­ren kön­nen in den ers­ten Schul­jah­ren zunächst eben­so wenig wie gram­ma­ti­sche Regeln erklärt und dann bewusst ange­wen­det wer­den. Sie müs­sen über den wie­der­hol­ten Gebrauch intui­tiv über­nom­men wer­den und wer­den erst all­mäh­lich bewuss­ter wahr­ge­nom­men. Das heißt aber, um das Ord­nungs­sche­ma von Erzäh­lun­gen zu ver­mit­teln muss regel­mä­ßig erzählt wer­den. Das Vor­le­sen von Geschich­ten leis­tet das nur bedingt, da schrift­li­che Erzäh­lun­gen ein­mal einer hoch sti­li­sier­ten Schrift­spra­che ver­fasst sind, dar­über hin­aus von Beschrei­bun­gen durch­setzt sind und die zugrun­de lie­gen­den Struk­tu­ren dadurch weni­ger gut erkannt wer­den kön­nen. Die Tex­te set­zen des­halb bereits ein ent­wi­ckel­tes Sprach­ver­ste­hen vor­aus, das gera­de Kin­der mit man­gel­haf­ter Sprach­be­herr­schung nicht mit­brin­gen. Die­se Kin­der aber fol­gen ohne wei­te­res einer ges­ti­schen Erzähl­wei­se. Die auf die Hörer zuge­schnit­te­ne For­mu­lie­rung ermög­licht das sprach­li­che Ver­ständ­nis, die über­sicht­li­che Hand­lungs­fol­ge erleich­tert das Durch­schau­en der Struk­tu­ren. Über regel­mä­ßi­ges Erzäh­len kann sich die Lust an Geschich­ten ent­wi­ckeln und das Inter­es­se geweckt wer­den selbst zu lesen.
Anders ist das, wenn Kin­dern zu Hau­se von klein auf in Unter­hal­tun­gen erzählt und regel­mä­ßig vor­ge­le­sen wur­de. Dann beherr­schen sie auch die Struk­tur­ge­set­ze des Erzäh­lens und kön­nen sie auf eige­ne Geschich­ten über­tra­gen. Wenn die Sprach­för­de­rung in die­sem Bereich sich auf Vor­le­sen beschränkt, wie das häu­fig der Fall ist, wer­den des­halb gera­de die Kin­der geför­dert, die es weni­ger benötigen.

Regel­mä­ßi­ge Erzähl­stun­den
Das Erzäh­len vor der Klas­se braucht also eine gewis­se Regel­mä­ßig­keit, am bes­ten in Form von wöchent­li­chen Erzähl­stun­den. Es emp­fiehlt sich dafür jeweils ein eige­nes Ritu­al zu benut­zen, das die­se Stun­de aus dem lau­fen­den Unter­richt aus­grenzt, sei es dass vor­weg ein Lied gesun­gen wird, ein Gegen­stand, der die Geschich­te bezeich­net, aus einem Korb, einer Tasche, einem Fühl­sack etc geholt oder ein zum Los geroll­tes Papier mit dem Titel der Geschich­te gezo­gen und vor­ge­le­sen wird.
Die Erzähl­wei­se soll­te mög­lichst für Bemer­kun­gen, Vor­schlä­ge und Ergän­zun­gen der Schü­ler offen sein, es soll­te also „inter­ak­tiv“ erzählt wer­den (wie das spä­ter noch beschrie­ben wird). Regel­mä­ßi­ges Erzäh­len regt Kin­der an, sich selbst Geschich­ten aus­zu­den­ken und vor­zu­tra­gen. Auch die­ser Impuls kann in Kin­der­gar­ten und Grund­schu­le unter­stützt wer­den. Wie das gesche­hen kann, wird der Abschnitt über das Erfin­den von Geschich­ten mit Kin­dern behandeln.

Wie Kinder zu Erzählern werden

Wenn Kin­der im zwei­ten Lebens­jahr ihre ers­ten ”Ein­wort­sät­ze” spre­chen, ler­nen sie Spra­che als Instru­ment zu benut­zen, und sie bemer­ken schon bald, dass sich damit mehr errei­chen lässt als mit kör­per­li­chen Hand­lun­gen, über die sie sich bis­her aus­drück­ten. Statt nach einer Tas­se zu grei­fen, bewir­ken sie nun mit dem Wört­chen ”tin­ken”, dass ihnen die Tas­se gebracht wird. Wor­te sind Zau­ber­hän­de, die auch dann nach dem Gewünsch­ten zu grei­fen erlau­ben, wenn es sich außer­halb der Reich­wei­te der eige­nen Hän­de befin­det. Das Kind kann nun mit und über Spra­che auf sei­ne Umge­bung einwirken.

Nar­ra­ti­ve Sprach­ver­wen­dung
Im drit­ten Lebens­jahr erwei­tert sich sei­ne Wei­se Spra­che zu benut­zen: Es mag sich nun bei­spiels­wei­se erin­nern, dass am Vor­tag die Tas­se umge­sto­ßen wur­de und die Milch über den Tisch lief. Es wird dann viel­leicht sei­ne lee­re Tas­se umsto­ßen und sagen: ”Mich weg”. Der Erwach­se­ne, der die ver­schüt­te­te Tas­se mit­er­leb­te, wird ver­ste­hen, dass sich das auf den Vor­tag bezieht, und die kind­li­che Äuße­rung ver­voll­stän­digt wie­der­ho­len: ”Ja, ges­tern hast du dei­ne Tas­se umge­sto­ßen und die Milch ist über den Tisch gelau­fen”. Bald wird das Kind dann in der Lage sein, die­ses Ereig­nis mit sei­nen wach­sen­den sprach­li­chen Aus­drucks­mit­teln mehr oder weni­ger wie­der­zu­ge­ben, so dass es auch Nicht­be­tei­lig­te ver­ste­hen. Damit hat es im Ansatz gelernt, zu erzäh­len.
Wor­in liegt der Unter­schied zwi­schen bei­den Äuße­run­gen? Statt in einer gege­be­nen Situa­ti­on mit Sät­zen auf die­se Situa­ti­on ein­zu­wir­ken, wird die Hand­lung von ges­tern, die heu­te nur noch in der Vor­stel­lung des Spre­chen­den exis­tiert, im sprach­li­chen und ges­ti­schen Aus­druck nach­ge­stellt. Die­se Hand­lung lebt aber nur noch in der Erin­ne­rung, und sie teilt die­se luf­ti­ge Exis­tenz mit unse­ren Phan­ta­sien. Des­we­gen mischen sich beim Erzäh­len Phan­ta­sie und Erleb­tes so leicht, und häu­fig genug kön­nen wir sie selbst nicht mehr aus­ein­an­der hal­ten.
Das trifft um so mehr auf klei­ne­re Kin­der zu: Zwar unter­schei­den sie sehr genau zwi­schen ”echt” und ”aus­ge­dacht”, gren­zen damit aber die sinn­li­che und gegen­wär­ti­ge Welt, in der man mit Men­schen han­deln und die Din­ge anfas­sen kann, von der Welt ihrer Vor­stel­lung ab. Was ges­tern und vor­ges­tern pas­sier­te und nur noch in ihrer Erin­ne­rung lebt, gehört genau­so zum Aus­ge­dach­ten wie ihre Phan­ta­sien oder Träu­me. Erzäh­lend bil­den sie nach, was sozu­sa­gen auf dem Bild­schirm ihrer inne­ren Wahr­neh­mung erscheint. Wer­fen wir ihnen dann vor, sie wür­den doch nur lügen, beschnei­den wir ihre Vor­stel­lungs­welt und hin­dern sie am Erzäh­len. Übri­gens macht auch unse­re Sprach­ver­wen­dung hier kei­nen Unter­schied, erzählt doch der Zukunfts­ro­man unbe­se­hen in den sprach­li­chen For­men der Ver­gan­gen­heit, dem „Tem­pus des Erzählens“.

Die sprach­li­che Kon­struk­ti­on der Erzäh­lung
Erzäh­len fällt Kin­dern schwe­rer als das Spre­chen im all­täg­li­chen Umgang. Aus einem ein­fa­chen Grund: Beim all­täg­li­chen Spre­chen bezie­hen sie sich zunächst auf Men­schen und Din­ge, die gegen­wär­tig wahr­nehm­bar sind. Erzäh­lend müs­sen sowohl die Hand­lun­gen wie die Situa­tio­nen, in denen gehan­delt wur­de, nach­ge­stellt und damit für die Hörer vor­stell­bar gemacht wer­den. Erzäh­len erscheint des­halb spä­ter als all­täg­li­ches Spre­chen. Es setzt erst ein, wenn kom­ple­xe­re gram­ma­ti­sche Bezü­ge beherrscht wer­den, ins­be­son­de­re die Ver­gan­gen­heits­for­men, das heißt im drit­ten und vier­ten Lebens­jahr.
Das gilt aller­dings nur für das sprach­li­che Erzäh­len. Schon bevor sie mit Sät­zen zu erzäh­len wis­sen, ver­ste­hen Kin­der klei­ne Erzäh­lun­gen über ges­ti­sche Zei­chen mit­zu­tei­len. Schon die umge­sto­ße­ne lee­re Tas­se hat eine ande­re Qua­li­tät als das Grei­fen nach der fer­nen Tas­se. Es ist eine Art Spiel­ges­te, die das Ereig­nis der ver­schüt­te­ten Milch nach­bil­det, wäh­rend das Grei­fen nach der uner­reich­ba­ren Tas­se eine Bit­te for­mu­liert: Gib mit die Tas­se! Es ist kein Zufall, dass die­se Art ges­ti­scher Dar­stel­lung auch bei ver­bes­ser­ter Sprach­be­herr­schung alle Erzäh­lun­gen durch­setzt: Erzäh­lend ver­su­chen wir ja den Hörer aus dem Hier und Jetzt des Erzäh­lens in das Dort und Damals der Erzäh­lung zu ent­füh­ren, und damit sei­ne Auf­merk­sam­keit aus der gege­be­nen, sinn­lich wahr­nehm­ba­ren Situa­ti­on in die Welt der erzähl­ten Fik­ti­on zu len­ken. Die Spiel­ges­ten regen die Vor­stel­lungs­fä­hig­keit an und hel­fen, das Erzähl­te anschau­lich nachzuvollziehen.

Berich­ten von Erleb­nis­sen
Zunächst fällt es den meis­ten Kin­dern jedoch leich­ter, Tages­er­leb­nis­se sprach­lich wie­der­zu­ge­ben, von den Erfah­run­gen zu berich­ten, die von der erwar­te­ten täg­li­chen Rou­ti­ne abwei­chen und des­halb als erzäh­lens­wert erschei­nen. Indem sie davon vor den ande­ren berich­ten, ord­nen sie zugleich ihre Erin­ne­rung, machen sie sich bewusst und ler­nen sie in sprach­li­chen Äuße­run­gen wei­ter­zu­ge­ben. Da die sprach­li­che For­mu­lie­rung gera­de beim Erzäh­len grö­ße­re Schwie­rig­kei­ten berei­tet als im han­deln­den Umgang, hilft es den Erzäh­lern, wenn sie ihre Rede mit deut­li­chen Ges­ten unter­strei­chen kön­nen.
In jedem Fall begeg­nen Kin­der beträcht­li­chen Schwie­rig­kei­ten, selbst wenn sie All­tags­er­leb­nis­se in einer Erzäh­lung zu ord­nen und wie­der­zu­ge­ben ver­su­chen. Wie sehr sie dazu in der Lage sind, hängt vor allem von der Anre­gung ab, die sie in ihrer Umge­bung erhal­ten. Kin­der, denen häu­fig erzählt wird, wer­den es sehr viel frü­her und bes­ser beherr­schen, als Kin­der, denen kaum erzählt wird. Und lei­der ist das Erzäh­len selbst klei­ner All­tags­er­leb­nis­se oder gar von impro­vi­sier­ten Phan­ta­sie­ge­schich­ten in den Fami­li­en nicht selbst­ver­ständ­lich. Um so wich­ti­ger erscheint dann, dass sie die­se Anre­gung im Kin­der­gar­ten und im Schul­un­ter­richt erhal­ten, indem dort Erleb­nis­se in der Run­de aus­ge­tauscht und von Erzie­he­rin­nen und Lehr­kräf­ten Geschich­ten erzählt wer­den. Gera­de auch die durch­kon­stru­ier­ten Phan­ta­sie­ge­schich­ten kön­nen in einer Wei­se erzählt wer­den, die Äuße­run­gen von Kin­dern ein­be­zieht und ihnen dar­über einen Zugang zum selb­stän­di­gen Erzäh­len erlaubt.

Die offe­ne Form des Erzäh­lens
Eine über­kom­me­ne Vor­stel­lung ver­führt die erzäh­len­den Päd­ago­gen immer noch dazu, eine Erzäh­lung mit der Auf­for­de­rung zu begin­nen: „Nun seid alle mal mucks­mäus­chen­still!“ Oder Zwi­schen­be­mer­kun­gen wäh­rend der Erzäh­lung mit der Dro­hung zu quit­tie­ren, nicht wei­ter zu erzäh­len. Dahin­ter steht ein Kon­zept, das vom Vor­le­sen aus­geht und dem frei­en Erzäh­len nicht gerecht wird.
Anders als der abge­schlos­se­ne Text des Schrift­stel­lers sind die locker geweb­ten Tex­tu­ren einer Erzäh­lung offen für Varia­tio­nen und Ergän­zun­gen. Sie wer­den durch eine Zwi­schen­fra­ge nicht zer­ris­sen, son­dern ergänzt. Sie öff­nen sich dar­über den Asso­zia­tio­nen und Phan­ta­sien der Zuhö­rer, wer­den rei­cher und kom­ple­xer. Auch ein­ge­streu­te Erklä­run­gen, Varia­tio­nen und Anmer­kun­gen stö­ren nicht, son­dern glie­dern sich pro­blem­los in die Inter­ak­ti­on zwi­schen Erzäh­ler und Hörer ein. Erzäh­lun­gen ste­hen des­halb auch für erzäh­len­de Bei­trä­ge des Publi­kums offen. Die Zuhö­rer kön­nen zu Mit­er­zäh­lern wer­den.
Beim Lesen von Mär­chen macht man sich oft nicht klar, wie sehr über­lie­fer­te Erzäh­lun­gen auf Ergän­zun­gen hin ange­legt sind. Lesend geht man von einer fes­ten Hand­lungs­fol­ge und einer unab­än­der­li­chen Text­ge­stalt aus. Sobald man sie nicht rezi­tiert, son­dern in Spra­che und Spiel leben­dig erzählt, lässt die locke­re Bau­wei­se von Mär­chen Ein­grif­fe und Ergän­zun­gen zu, ohne dass die Geschich­te beein­träch­tigt würde.

Kin­der erzäh­len mit
Kin­der kön­nen des­halb zum Mit­er­zäh­len ange­regt wer­den, womit neben­bei ihre lite­ra­ri­sche Pro­duk­ti­vi­tät geweckt und geför­dert wird. Dafür eig­nen sich jene Erzäh­lun­gen beson­ders, in denen die glei­che Hand­lungs­fol­ge von Epi­so­de zu Epi­so­de vari­ie­rend wie­der­holt wird. Wir ken­nen die­ses Prin­zip aus den über­lie­fer­ten „Ket­ten­mär­chen“. Die vari­ie­ren­de Wie­der­ho­lung erlaubt, das Hand­lungs­ge­rüst rasch zu durch­schau­en und erleich­tert es, dazu selbst eine Epi­so­de aus­zu­den­ken.
Um ein bekann­tes Bei­spiel zu neh­men: Sobald der Pfann­ku­chen sich selb­stän­dig gemacht hat, durch die Land­schaft rollt und ihm zwei oder drei Mal Gestal­ten über den Weg lau­fen, die ihn ver­zeh­ren wol­len, denen er aber lis­tig ent­wischt, ist ein Grund­mo­dell vor­ge­ge­ben, das sich belie­big erwei­tern lässt. Ich brau­che nur zu fra­gen, wer ihm als nächs­ter über den Weg läuft, und kann einem zuhö­ren­den Kind für eine Epi­so­de die Erzäh­ler­rol­le über­las­sen. Am Ende hän­ge ich mei­ne Schluss­epi­so­de an, in dem er sei­nem Schick­sal nun doch nicht ent­geht.
Kin­der ler­nen zwar die Struk­tu­ren von Geschich­ten sehr früh ken­nen, aber es fällt ihnen lan­ge recht schwer, sie in ihren eige­nen Erzäh­lun­gen zu rea­li­sie­ren, es gelingt ihnen noch kaum eine voll­stän­di­ge Geschich­te zu kon­stru­ie­ren. Bekom­men sie dage­gen die „Spiel­re­gel“ über die erzähl­ten Epi­so­den vor­ge­ge­ben, dann kön­nen sie ohne wei­te­res ein­stei­gen und sich am Erzäh­len betei­li­gen. Je öfter sie die Gele­gen­heit dazu hat­ten und die Befrie­di­gung spür­ten, daß sie selbst zu erzäh­len ver­ste­hen, des­to eher wer­den sie begin­nen, vor ande­ren auch gan­ze Geschich­ten zu impro­vi­sie­ren.
Dabei kön­nen sich auch schon Kin­der betei­li­gen, die noch über gerin­ge Sprach­kennt­nis­se ver­fü­gen. Sie wer­den viel­leicht auf die Fra­ge, wer dem Pfann­ku­chen als nächs­ter begeg­net nur kurz „Fuchs“ ein­wer­fen. Der Erzäh­ler kann das auf­neh­men und eine kur­ze Epi­so­de mit einem Fuchs impro­vi­sie­ren. Die Befrie­di­gung, daß ihre Idee in die Geschich­te ein­ge­fügt wur­de, stellt einen Anreiz dar, sich bald mehr an der Aus­ar­bei­tung der Geschich­te zu betei­li­gen. Bei einem fest­ste­hen­den Dia­log, wie ihn der ent­sprun­ge­ne Pfann­ku­chen mit sei­nen Lieb­ha­bern führt, fällt es Kin­dern nicht schwer auch eine gan­ze Epi­so­de zu bestreiten.

Was du kannst, das kann ich auch
Denn Erzäh­lun­gen regen Kin­der an, sich selbst am Erzäh­len zu ver­su­chen. Man braucht nur die eige­ne Erzäh­lung mit der Bemer­kung zu been­den: „Ich habe euch erzählt, viel­leicht erzählt ihr jetzt mir“, und fast immer schlüpft ein Kind in die ange­bo­te­ne Erzäh­ler­rol­le. Man wird dabei häu­fig beob­ach­ten, daß sie Struk­tu­ren und Rhyth­men der gebo­te­nen Erzäh­lung benut­zen und sie neu ein­klei­den, sie mit ande­ren Hel­den und eige­nen Phan­ta­sien aus­stat­ten.
Am selbst­ver­ständ­lichs­ten ergibt sich das, wenn es in ein spie­le­ri­sches Ritu­al ein­ge­bet­tet wird, indem man bei­spiels­wei­se einen Erzäh­ler­stuhl ein­führt, den man dann natür­lich auch selbst benutzt und der danach von den Kin­dern über­nom­men wird, die eine Geschich­te erzäh­len wol­len. Er hat die wun­der­sa­me Eigen­schaft, sei­nem „Besit­zer“ eine schö­ne Geschich­te ein­zu­flö­ßen. Kaum lässt man sich dar­auf nie­der, beginnt es zu krib­beln und schon macht sich im Kopf eine Geschich­te breit. Erzählt man lie­ber im Ste­hen, weil man dabei einen grö­ße­ren Akti­ons­raum erhält und bes­ser gese­hen wird, führt man den ”Erzäh­ler­hut”, einen „Erzäh­ler­schal“ oder ähn­li­che Zei­chen ein, die alle die­se geheim­nis­vol­le Eigen­schaft besit­zen, zum Erzäh­len anzuregen.

Kin­der dik­tie­ren Geschich­ten
Von Kin­dern, die dar­an gewöhnt sind, sich Geschich­ten aus­zu­den­ken, kön­nen sich die Fach­kräf­te auch Geschich­ten dik­tie­ren las­sen. Auch die­se Wei­se Kin­der zum Erzäh­len anzu­re­gen, ist „anste­ckend“: Nach und nach wer­den alle ihre Geschich­ten dik­tie­ren wol­len. Damit wer­den die „lite­ra­ri­sche“ Pro­duk­ti­vi­tät ange­regt und Grund­la­gen der „Lite­ra­li­tät“ gelegt.
Geschich­ten, die ein­zel­ne Kin­der dik­tie­ren, soll­ten dann aber auch vor der Grup­pe vor­ge­le­sen wer­den. Es ist sehr zu emp­feh­len, das Lesen mit einer Vor­füh­rung zu ver­bin­den: Ent­we­der das Kind, das sich die Sto­ry aus­dach­te, oder ein Kind, das vom Geschich­ten­er­fin­der aus­ge­wählt wur­de, führt wäh­rend des Lesens Bewe­gun­gen dazu aus (also stellt etwa mit auf­ge­reck­ten Armen den Baum dar, der eine Tür im Stamm hat­te. Die Tür kann dann mit einer Vier­tel­be­we­gung des Armes vor dem Bauch geöff­net wer­den). Das dar­stel­len­de Kind darf sich die Vor­stel­lung vor­weg aus­den­ken oder mit der Erzie­he­rin bespre­chen.
Tippt man die dik­tier­ten Geschich­ten in den Com­pu­ter ein, kön­nen die Tex­te sau­ber aus­ge­druckt und mit nach Hau­se gege­ben wer­den. Aus einer Serie von Geschich­ten kön­nen zusam­men mit Zeich­nun­gen klei­ne „Bücher“ gestal­tet werden.

Anre­gun­gen zum Umgang mit Geschich­ten, die Kin­der sich selbst ausdenken:

Inge­borg Becker-Text­or/ Gretl Michel­feit: Was Kin­der­ge­schich­ten erzäh­len. Kin­der zuhö­ren – Kin­der ver­ste­hen ler­nen, Mün­chen 2000

Wie man Erzählungen nachbereiten kann

Die erzähl­ten Geschich­ten wer­den auch bei aus­ge­präg­ter ges­ti­scher Erzähl­wei­se kaum mit dem ers­ten Erzäh­len voll­stän­dig auf­ge­nom­men. Sie kön­nen auf ver­schie­de­ne Wei­se nach­be­rei­tet wer­den und sich dar­über genau­er ein­prä­gen.
Es emp­fiehlt sich, zu fes­ten Ter­mi­nen zu erzäh­len und dabei zunächst eine beim vori­gen Ter­min erzähl­te Geschich­te unter Betei­li­gung der Kin­der zu wie­der­ho­len. Dabei kann man die Erzäh­lung mit den Kin­dern rekon­stru­ie­ren, indem man den Ein­stieg erzählt und dann nach dem Fort­gang fragt.

Geschich­ten nach­spie­len
Eine wich­ti­ge Form der Nach­be­rei­tung, die das Ver­ständ­nis stärkt und zugleich die Phan­ta­sie anregt, stellt das rol­len­spiel­ar­ti­ge Nach­spie­len dar. Nach­dem die Rol­len ver­teilt wur­den, beginnt man den Ein­stieg der Geschich­te noch ein­mal zu erzäh­len, um das Spiel in Gang zu set­zen, und fügt immer wie­der dort erzäh­len­de Sät­ze ein, wo die Kin­der sto­cken. Häu­fig erge­ben sich beim Nach­spie­len inter­es­san­te Abwand­lun­gen und neue Ideen.
Das Nach­spie­len kann, ins­be­son­de­re mit Schul­kin­dern, genau­er vor­be­rei­tet und geplant wer­den. Zu beach­ten ist, dass thea­ter­mä­ßi­ge Spiel­wei­sen mit durch­ge­hen­den Rol­len, Kos­tü­mie­rung und Büh­ne Kin­dern bis ins Grund­schul­al­ter hin­ein am schwers­ten fal­len und län­ge­re Pro­be­zei­ten erfor­dern. Spon­tan und ohne gro­ße Vor­be­rei­tun­gen durch­führ­bar sind ein­fa­che­re Spiel­for­men, die den spon­ta­nen Spiel­wei­sen näher ste­hen.
Spiel als Sta­tio­nen­thea­ter: Im Raum wer­den ver­schie­de­ne Plät­ze bezeich­net, an denen die jewei­li­gen Sze­nen spie­len. Die „Hel­den“ wan­dern mit den Zuschau­ern von Sta­ti­on zu Sta­ti­on. Die­se Spiel­wei­se eig­net sich gut für typi­sche Ket­ten­er­zäh­lun­gen.
Die Spie­ler soll­ten zur Unter­stüt­zung jeweils ein Zei­chen für ihre Rol­le erhal­ten (Müt­ze, Schal, Nase, Jacke etc). Auch die Spiel­or­te kön­nen (in Abspra­che mit den Schü­lern) sze­nisch vor­be­rei­tet wer­den (z.B. Zwei Stüh­le neben­ein­an­der für Auto fah­ren, zwei Tische über­ein­an­der als Haus etc.)
Sze­ni­sches Rol­len­spiel: Die Sze­nen wer­den nach­ein­an­der auf einem abge­grenz­ten Spiel­raum gespielt. Die­se Form hat den Vor­teil, dass sie sich für Vor­füh­run­gen eig­net und dafür auch die Büh­ne augestat­tet und mit Kos­tü­men gespielt wer­den kann.
Figu­ren­thea­ter: Statt rol­len­spiel­ar­ti­gen Spie­lens kön­nen die Geschich­ten auch im Stil des Figu­ren­thea­ters mit Gegen­stän­den oder Spiel­pup­pen (Hand­pup­pen, Fin­ger­pup­pen) nach­ge­spielt wer­den. Bei der Ver­wen­dung von Gegen­stän­den wer­den die Gegen­stän­de aus einer Kiste/ einem Sack geholt und den Figu­ren zuge­ord­net. Gespielt wird dann ent­we­der an einem Tisch, hin­ter dem die spie­len­den Schü­ler sit­zen oder einer „Spiel­leis­te“ (z.B. zwei Tische über­ein­an­der mit einem Tuch ver­hängt, hin­ter denen die Spie­len­den ste­hen).
Beim Spie­len von Gegen­stän­den soll­ten die­se stets „stell­ver­tre­tend“ für ande­re Gegen­stän­de benutzt wer­den. (Zum Bei­spiel kann das Mes­ser den Vater dar­stel­len. Wenn es um ein Mes­ser geht, benutzt man dafür bes­ser das Lineal).

Geschich­ten malen
Kin­der brin­gen die Vor­stel­lun­gen, die die Erzäh­lung in ihnen aus­löst, ger­ne malend und zeich­nend zu Papier. Sie ver­ge­gen­wär­ti­gen sich die Erzäh­lung und gestal­ten damit ihre prä­gen­den Ein­drü­cke.
Ent­we­der lässt man die Kin­der malen und zeich­nen, was sie am meis­ten beein­druckt hat. Meist erhält man dabei eine Fol­ge ver­schie­de­ner Sze­nen. Oder die Sze­nen der Erzäh­lung wer­den durch­ge­spro­chen, jedes Kind darf sich eine Situa­ti­on zum Zeichnen/ Malen aus­su­chen. Dann wer­den die Bil­der in der Rei­hen­fol­ge der Erzäh­lung auf eine Leis­te gehef­tet und kön­nen an den Bil­dern ent­lang nach­er­zählt wer­den.
Bil­der mit Text­bei­trä­gen: In die Bil­der kön­nen auch Tex­te als klei­ne Schreib­übung ein­ge­fügt wer­den, z.B. als Sprech­bla­se oder erklä­ren­de Unter­schrift. Dafür eig­nen sich ins­be­son­de­re die for­mel­haf­ten Wie­der­ho­lun­gen (sowohl im Dia­log wie als Text­un­ter­schrift). Über das Ein­scan­nen von Bild und Text kann dar­aus ein klei­nes „Bil­der­buch“ ent­ste­hen, das man aus­dru­cken und wei­ter­ge­ben kann.
Vor­la­gen für Medi­en­pro­jek­te: Schließ­lich kön­nen eige­ne Geschich­ten als Vor­la­gen für klei­ne Medi­en­pro­jek­te die­nen. Dem sind im Kin­der­gar­ten zwar enge Gren­zen gesetzt, weil die Kin­der noch kaum die Aus­dau­er und Über­sicht auf­brin­gen, die dafür nötig ist. Im Rah­men von Unter­richts­pro­jek­ten in der Grund­schu­le bie­tet sich ins­be­son­de­re die Arbeit an einem Hör­spiel an, das rela­tiv rasch und ohne gro­ßen tech­ni­schen Auf­wand zu leis­ten ist, jeden­falls sofern man kei­ne gro­ßen Anfor­de­run­gen an die Ton­qua­li­tät stellt..

Wei­ter­ar­bei­ten mit den Erzäh­lun­gen im Unter­richt
Im all­ge­mei­nen sind Schü­ler bereit Arbeits­auf­trä­ge und Unter­richts­auf­ga­ben zu erle­di­gen, wenn sie die lust­voll genos­se­ne Geschich­te in Erin­ne­rung rufen. Die For­men, in denen das erfol­gen kann, hän­gen von der jewei­li­gen Geschich­te ab (und wer­den von der Lehr­kraft jeweils ent­spre­chend den Fähig­kei­ten der Schü­ler ange­setzt wer­den).
Münd­li­che Übungs­spie­le: Abge­se­hen von den schon erwähn­ten Mög­lich­kei­ten Erzäh­lun­gen über Spiel und Bild­ge­stal­tun­gen nach­zu­ar­bei­ten und wei­ter­zu­spin­nen, bie­ten sich Geschich­ten mit sich wie­der­ho­len­den Epi­so­den und zahl­rei­chen For­meln auch für spiel­ar­ti­ge Übun­gen der damit ange­spro­che­nen sprach­li­chen Lern­schrit­te an. Sie müs­sen jeweils aus den Hand­lungs­mus­tern der Erzäh­lun­gen ent­wi­ckelt wer­den.
Wenn in der Erzäh­lung von einer Wunsch­kis­te berich­tet wird, die Klei­dungs­stü­cke her­zau­bert, sofern sie durch geeig­ne­te Adjek­ti­ve benannt wer­den, dann kann sich dar­an ein Spiel anschlie­ßen, bei dem die Schü­ler ihre Wün­sche vor der Wunsch­kis­te äußern, die sie dann erfüllt oder genaue­re Kenn­zeich­nun­gen ein­for­dert.
„Lücken­tex­te“: Die for­mel­haf­ten Text­pas­sa­gen kön­nen auf einem Arbeits­blatt mit Leer­stel­len ange­bo­ten wer­den, die von den Schü­lern aus­zu­fül­len sind. Vor­aus­set­zung dafür ist aller­dings, dass die Lücken an den für die Geschich­te wich­ti­gen Pas­sa­gen anset­zen.
Wenn das Mäd­chen mit dem Spitz­na­men „Dings­da“ in ihr Dik­tat statt Haupt­wör­tern immer nur „Ding“ schreibt, kön­nen die Schü­ler dahin­ter das gemein­te Haupt­wort ein­set­zen und wer­den das des­to eher tun, je mehr Spaß das ver­rück­te Dik­tat in der Erzäh­lung mach­te.
Arbeits­bö­gen: Auf Arbeits­bö­gen kön­nen die ent­schei­den­den Pas­sa­gen der Erzäh­lung in Erin­ne­rung geru­fen wer­den, indem zu den ein­zel­nen Epi­so­den jeweils kur­ze Sät­ze zu ergän­zen sind. Dabei kön­nen auch Vor­schlä­ge vor­ge­se­hen wer­den, die von der erzähl­ten Hand­lung abwei­chen (und des­halb frei­er for­mu­liert wer­den müs­sen).
Wenn der Jun­ge, der im Zir­kus sei­ner kurz­sich­ti­gen Oma (in der Gegen­warts­form) immer erklä­ren muss, was gera­de in der Mane­ge läuft, und hin­ter­her dem schwer­hö­ri­gen Opa (in der Ver­gan­gen­heits­form), was er gera­de Oma erklärt hat­te, kön­nen die Schü­ler im Arbeits­bo­gen die Sät­ze des Jun­gen ein­tra­gen. Wenn der Jun­ge dazu über­geht sich ver­rück­te Num­mern in der Mane­ge aus­zu­den­ken, kön­nen sich die Schü­ler schließ­lich selbst ver­rück­te Zir­kus­num­mern aus­den­ken und sie erst der Oma vor­sa­gen, dann in der Ver­gan­gen­heit für den Opa wiederholen.

Zur Sprachförderung zweisprachiger Kinder

Für Kin­der, die zu Hau­se eine ande­re Mut­ter­spra­che spre­chen, stellt sich die Fra­ge der Sprach­för­de­rung etwas anders. In den meis­ten Fäl­len kom­men sie ohne oder mit gerin­gen Deutsch­kennt­nis­sen in den Kin­der­gar­ten, weil sie im Klein­kind­al­ter meist nur in der Her­kunfts­fa­mi­lie leb­ten und wenig Kon­takt zu deut­schen Kin­dern hat­ten. Man­che Kin­der besu­chen noch nicht ein­mal eine Ein­rich­tung und müs­sen den Zweit­sprach­er­werb in den ers­ten Schul­jah­ren nachholen.

Zum kind­li­chen Ler­nen einer Zweit­spra­che
Frü­he Zwei­spra­chig­keit ist für Kin­der prin­zi­pi­ell ein Gewinn und unter­stützt bei guten Vor­aus­set­zun­gen die Aus­bil­dung von Sprach­be­wusst­sein und Lite­ra­li­tät. Zwei­spra­chi­ge Kin­der begrei­fen frü­her, dass Wör­ter kon­ven­tio­nel­le Bezeich­nun­gen dar­stel­len und dass Spra­che auf Hand­lun­gen und Din­ge ver­weist.
Unter­schie­den wird im all­ge­mei­nen zwi­schen dem Dop­pel­sprach­er­werb, bei dem ein Kind von Anfang an mit ver­schie­de­nen Bezugs­per­so­nen unter­schied­li­che Spra­chen spricht, und dem Zweit­sprach­er­werb, der erst nach dem Erler­nen der Mut­ter­spra­che ein­setzt. Wenn die Zweit­spra­che im Vor­schul­al­ter über­nom­men wird, ist die Erst­spra­che aller­dings noch nicht voll­stän­dig aus­ge­bil­det, und das scheint, ent­ge­gen frü­he­ren Annah­men, von Vor­teil zu sein. Der gerin­ge­re Abstand zur Erst­spra­che erleich­tert den Gebrauch der Zweit­spra­che, denn die Kin­der befin­den sich noch in einer Pha­se des natür­li­chen Sprach­er­werbs. Auch die Sprach­mi­schun­gen, wie sie bei die­sen Kin­dern häu­fig auf­tre­ten, ver­schwin­den mit der Zeit von selbst, wenn ihnen anre­gen­de Sprach­vor­bil­der gebo­ten wer­den. Sie haben einen ähn­li­chen Stel­len­wert wie die „fal­schen“ Ablei­tun­gen, die Kin­der beim Erst­sprach­er­werb konstruieren.

Die Zweit­spra­che wird wie die Erst­spra­che erwor­ben
Kin­der ler­nen spre­chen in Gesprä­chen, die von den Bezugs­per­so­nen vom ers­ten Lebens­tag an sys­te­ma­tisch mit ihnen geführt wer­den. Eine in ihrer Umge­bung gespro­che­ne Zweit­spra­che eig­nen sie sich im Prin­zip nach dem glei­chen Ver­fah­ren an, mit dem sie ihre Mut­ter­spra­che erwor­ben haben. Mit einem wich­ti­gen Unter­schied: Sie beherr­schen bereits das für die sprach­li­che Ver­stän­di­gung wesent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­hal­ten sowie die Aus­drucks­wei­sen der non­ver­ba­len Mit­tei­lung. Sie ver­ste­hen sich damit bereits bis zu einem gewis­sen Grad zu ver­stän­di­gen, ehe sie die frem­de Spra­che zu gebrau­chen begin­nen. Und sie ler­nen die neue Spra­che zu gebrau­chen, indem sie ihren non­ver­ba­len kör­per­li­chen Aus­druck immer mehr mit Sprach­äu­ße­run­gen anrei­chern und erset­zen. Die Über­nah­me der Zweit­spra­che wird des­halb ent­schei­dend davon abhän­gen, wie inten­siv sie ange­regt wer­den, sich in der Zweit­spra­che aus­zu­drü­cken und wie weit sie sich auch im Milieu der Zweit­spra­che an Gesprä­chen und Kom­mu­ni­ka­ti­on betei­li­gen kön­nen und sich mit­tei­len wol­len.
Der her­kömm­li­che schu­li­sche Sprach­un­ter­richt geht gera­de anders her­um vor: Zuerst wer­den ein­zel­ne Wort­be­deu­tun­gen, dazu die Aus­spra­che die­ser Wör­ter gelernt, dann die gram­ma­ti­ka­li­schen Ver­knüp­fungs­re­geln und erst dann wird ver­sucht, damit Sät­ze zu bil­den, die eine Unter­hal­tung ermög­li­chen. Für Kin­der im Vor­schul­al­ter und noch weit ins Grund­schul­al­ter hin­ein sind die Metho­den des Fremd­spra­chen­un­ter­richts kaum anwend­bar.
Eine zen­tra­le Rol­le spielt wie schon beim Erst­sprach­er­werb die Bezie­hung, in der das Kind zum Gesprächs­part­ner steht und die es über das Spre­chen zu eta­blie­ren und zu fes­ti­gen sucht. Dar­in liegt auch eine stän­dig unter­schätz­te Feh­ler­quel­le von Sprach­tests, deren Resul­ta­te – abge­se­hen von der Tages­form des Kin­des – eben immer auch davon beein­flusst wer­den, wie die tes­ten­de Per­son auf das Kind wirkt, ob es sich öff­net und sei­ne Fähig­kei­ten akti­viert oder sich ver­schließt.
Kin­der ler­nen eine Zweit­spra­che zunächst ein­mal vor allem andern im täg­li­chen Umgang mit Gleich­alt­ri­gen und Erwach­se­nen, mit denen sie sich ver­stän­di­gen und mit denen sie in Bezie­hung tre­ten wol­len. Aller­dings reicht der blo­ße Umgang mit Deutsch spre­chen­den Kin­dern und Fach­kräf­ten nicht aus, um sich die frem­de Spra­che voll­stän­dig anzu­eig­nen. Es wird davon aus­ge­gan­gen, dass Kin­der für die­se „natür­li­che“ Aneig­nung min­des­tens ein Drit­tel des Tages der Zweit­spra­che aus­ge­setzt sein müs­sen. Das nor­ma­le „Sprach­bad“ eines Kin­des im All­tag der Ein­rich­tung fällt aber wesent­lich gerin­ger aus, zumal sich häu­fig auch noch Kin­der in der Grup­pe auf­hal­ten, die die glei­che Mut­ter­spra­che spre­chen. Zwei­spra­chi­ge Kin­der brau­chen des­halb, auch wenn sie eine Ein­rich­tung besu­chen, eine geziel­te Unter­stüt­zung, die ihre beson­de­ren Bedin­gun­gen berück­sich­tigt, um sich Deutsch als Zweit­spra­che anzueignen.

Das mehr­spra­chi­ge Kind als Man­gel­we­sen
Die Kon­zep­te, wie die Sprach­för­de­rung fremd­spra­chi­ger Kin­der anzu­le­gen ist, gehen recht weit aus­ein­an­der.
Auf der einen Sei­te ste­hen kurs­ar­ti­ge För­der­stun­den, die die­sen Kin­dern Grund­kennt­nis­se des Deut­schen zu ver­mit­teln suchen und dar­auf bau­en, dass sich die Beherr­schung der Umge­bungs­spra­che durch den Umgang wei­ter ver­bes­sert. In die­ser Sicht­wei­se wer­den die man­gel­haf­ten Deutsch­kennt­nis­se die­ser Kin­der betont, sie ist „defi­zit­ori­en­tiert“. Sie über­sieht die Tat­sa­che, dass Kin­der mit einer ande­ren Mut­ter­spra­che Kennt­nis­se besit­zen, die die der deut­schen Kin­der über­tref­fen. Die­se Sicht beherrscht auch weit­ge­hend die Schul- und Bil­dungs­po­li­tik.
Sie impli­ziert eine unaus­ge­spro­che­ne Bewer­tung der Mut­ter­spra­che die­ser Kin­der. Wenn Kin­der zwei­spra­chig mit einer „Welt­spra­che“ wie eng­lisch oder fran­zö­sisch auf­wach­sen, löst das all­ge­mein Bewun­de­rung aus. Spre­chen sie zu Hau­se „nur“ per­sisch oder kur­disch, wird das eher als Man­gel gese­hen. Die­se gerin­ge Wert­schät­zung erfah­ren Migran­ten­kin­der immer wie­der und begeg­nen damit einer dop­pel­ten Frus­tra­ti­on: Ein­mal wer­den sie mit ihren pro­vi­so­ri­schen Sprach­äu­ße­run­gen in der Zweit­spra­che nicht ver­stan­den oder oft auch nicht für ernst genom­men. Ande­rer­seits erle­ben sie immer wie­der, wie wenig ihre mut­ter­sprach­li­chen Kennt­nis­se gewür­digt wer­den.
Die gerin­ge Wert­schät­zung wirkt häu­fig auf die Eltern­häu­ser der Kin­der zurück und ver­an­lasst man­che Eltern sogar, im Inter­es­se des Schul­erfolgs mit den Kin­dern Deutsch zu spre­chen. Da sie aber meist kei­ne kor­rek­ten Vor­bil­der lie­fern kön­nen, über­neh­men die Kin­der feh­ler­haf­te For­men, die sich durch die Bestä­ti­gung im Umgang mit den Eltern zu ver­fes­ti­gen dro­hen. Man spricht dann von „Fos­si­lie­rung“, eine Erschei­nung, die bei erwach­se­nen Migran­ten häu­fig anzu­tref­fen ist und durch das kin­di­sche „Gast­ar­bei­ter­deutsch“ geför­dert wird, das die deut­schen mit aus­län­di­schen Kol­le­gen ver­wen­den. Die Fol­ge für die Kin­der ist, dass sie auch die eige­ne Mut­ter­spra­che nicht mehr aus­rei­chend beherr­schen. Man spricht, wie­der etwas abschät­zig, von einer „dop­pel­ten Halb­s­pra­chig­keit“, die den kor­rek­ten Erwerb des Deut­schen stark behindert.

För­de­rung in Erst- und Zweit­spra­che
Da Erfah­run­gen und Emo­tio­nen des Kin­des eng mit der Mut­ter­spra­che ver­bun­den sind, wird das Kind, das sich in der Ein­rich­tung oder Schu­le nun mit einer frem­den Spra­che kon­fron­tiert sieht, einen wesent­li­chen Teil sei­nes bis­he­ri­gen Lebens aus­klam­mern müs­sen. Das hat Aus­wir­kun­gen auf sei­ne Selbst­wahr­neh­mung und droht die Kin­der in ihrer gesam­ten Ent­wick­lung zu behin­dern.
Um die­se miss­li­che Situa­ti­on zu behe­ben, ver­sucht ein alter­na­ti­ver Ansatz, die Mut­ter­spra­che die­ser Kin­der in die För­de­rung mit ein­zu­be­zie­hen. Die­se Sicht kann sich mit Recht dar­auf beru­fen, dass der Zweit­sprach­er­werb wesent­lich von dem gelun­ge­nen Erwerb der Mut­ter­spra­che abhängt und auf ihm auf­bau­en kann. Mut­ter­sprach­li­che För­de­rung stößt jedoch, abge­se­hen von dem feh­len­den poli­ti­schen Wil­len, auf gro­ße Schwie­rig­kei­ten. Es setzt vor­aus, dass neben den deut­schen auch mut­ter­sprach­li­che Fach­kräf­te in der Ein­rich­tung ange­stellt wer­den, was wie­der­um nur Sinn macht, wenn eine grö­ße­re Grup­pe Kin­der die glei­che Her­kunfts­spra­che spricht. Meist sind die Grup­pen jedoch aus Kin­dern sehr unter­schied­li­cher sprach­li­cher und kul­tu­rel­ler Her­kunft zusam­men­ge­setzt. Die deut­sche Spra­che bil­det dann die ein­zi­ge Ver­stän­di­gungs­mög­lich­keit zwi­schen ihnen. Das heißt aber die Ent­frem­dung von ihrer Mut­ter­spra­che ist kaum zu umgehen.

Wert­schät­zung der Mut­ter­spra­che
Das kann bis zu einem gewis­sen Grad auf­ge­fan­gen wer­den, indem die Mut­ter­spra­che und der kul­tu­rel­le Hin­ter­grund die­ser Kin­der in den All­tag der Ein­rich­tung ein­be­zo­gen wer­den. Die Wert­schät­zung, die die Her­kunfts­spra­chen der Kin­der erfah­ren, kann deren Selbst­wert­ge­fühl stär­ken und ihnen ver­mit­teln, dass sie etwas kön­nen, was weder die übri­gen Kin­der noch die Fach­kräf­te beherr­schen. Das wird sich auch auf ihre Ver­wen­dung der Zweit­spra­che posi­tiv aus­wir­ken.
Ihre Her­kunfts­spra­che soll­te als eine Fähig­keit gewür­digt wer­den, die ande­re Kin­der nicht haben. Das kann schon dadurch gesche­hen, dass Ele­men­te ihrer Mut­ter­spra­che in der All­tags­ar­beit berück­sich­tigt wer­den. Sie kön­nen der Erzie­he­rin und den Kin­dern zum Bei­spiel eini­ge Wör­ter oder ein­fa­che Sät­ze ihrer Mut­ter­spra­che bei­brin­gen, die dann auch wie­der im Umgang mit ihnen benutzt wer­den. Man kann mit ihnen Wör­ter tau­schen, die dann spä­ter wie­der­holt wer­den, um in einen Wett­be­werb zu tre­ten, wer von den deut­schen Kin­dern sich die frem­den Wör­ter am bes­ten gemerkt hat und wer von den fremd­spra­chi­gen sich der deut­schen Wör­ter erin­nert. Noch ein­präg­sa­mer fal­len Lie­der und Ver­se aus, die gemein­sam gelernt und immer wie­der benutzt wer­den.
Man kann Migran­ten­kin­der auch auf­for­dern, in ihrer Mut­ter­spra­che zu erzäh­len, und die deut­schen Kin­der raten las­sen, wovon die Rede sein könn­te. Abge­se­hen von dem Rät­sel­ef­fekt kön­nen die deut­schen Kin­der die Situa­ti­on nach­er­le­ben, in der sich anders­spra­chi­ge Kin­der zurecht fin­den müs­sen.
Auch kön­nen Per­so­nen ein­ge­la­den wer­den, die die Mut­ter­spra­che der Kin­der spre­chen. In sol­chen Fäl­len oder bei Exkur­sio­nen in den Stadt­teil kön­nen Kin­der, die die Migran­ten­spra­che spre­chen und schon über gute Deutsch­kennt­nis­se ver­fü­gen, als „Über­set­zer“ die­nen. Sie kön­nen auch ein­ge­setzt wer­den, um sich mit neu ankom­men­den Kin­dern zu ver­stän­di­gen, die nicht aus­rei­chend Deutsch spre­chen. Indem sie die glei­che Aus­sa­ge ein­mal in der deut­schen, danach in der Fremd­spra­che hören, wer­den sich Tei­le der gehör­ten Sät­ze ein­prä­gen. Zugleich wird das über­set­zen­de Kind in sei­nen Fähig­kei­ten aner­kannt und ange­spornt, sie wei­ter zu ver­voll­komm­nen.
Und natür­lich soll­ten auch zwei­spra­chi­ge Bil­der­bü­cher und Kas­set­ten­hör­spie­le in der Mut­ter­spra­che die­ser Kin­der vor­han­den sein und den Kin­dern zur Ver­fü­gung stehen.

Kin­der ohne Deutsch­kennt­nis­se
Grund­sätz­lich ist zu unter­schei­den zwi­schen Kin­dern, die fast ohne Deutsch­kennt­nis­se in die Ein­rich­tung kom­men, und sol­chen, die sich im All­tag schon eini­ger­ma­ßen aus­drü­cken kön­nen.
Für die ers­te Grup­pe dürf­te es in den meis­ten Fäl­len sinn­voll sein, eige­ne För­der­kur­se anzu­bie­ten, soge­nann­te „Sprach­an­bah­nun­gen“, die, sofern sie gut gemacht wer­den, Grund­kennt­nis­se bei­brin­gen kön­nen. Die­se Kur­se müs­sen jedoch, wol­len sie ihren Zweck erfül­len, ers­tens erlau­ben, dass die Kin­der eine gewis­se Bezie­hung zur Lehr­per­son ent­wi­ckeln kön­nen (zeit­li­cher Umfang der För­der­stun­den) und nach offe­nen spie­le­ri­schen Ver­fah­ren arbei­ten. Im all­ge­mei­nen wird dabei so viel Wort­schatz gelernt, dass die Kin­der erst ein­mal die wich­tigs­ten Din­ge in der neu­en Spra­che benen­nen kön­nen oder der vor­han­de­ne Wort­schatz erwei­tert wird. Das Erler­nen von Wör­tern allein führt aber nicht zum leben­di­gen Spre­chen.
Wort­be­deu­tun­gen wer­den auch rasch wie­der ver­lernt, wenn sie nicht in eine ele­men­ta­re Gram­ma­tik ein­ge­fügt und damit ange­wandt wer­den. Die Grund­re­geln, nach denen Wör­ter zu Äuße­run­gen ver­bun­den wer­den, sind Vor­schul­kin­dern nicht als abs­trak­te gram­ma­ti­sche Regeln bei­zu­brin­gen. Sie müs­sen, ähn­lich wie das Kin­der beim Erst­sprach­er­werb tun, im Umgang mit den Per­so­nen erkannt und abge­lei­tet wer­den, die die­se Spra­che spre­chen. Sprach­an­bah­nung darf also kei­nes­wegs die ein­zi­ge Sprach­för­de­rung dar­stel­len, die Migran­ten­kin­der erhalten.

Non­ver­ba­le und ges­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on
Wich­ti­ger als För­der­stun­den, die ja immer nur weni­ge Stun­den in der Woche umfas­sen wer­den, ist es, die­se Kin­der in die Kin­der­grup­pe zu inte­grie­ren und ihnen den all­täg­li­chen Umgang in der frem­den Sprach­um­ge­bung zu ermög­li­chen.
Dafür sind im Umgang mit fremd­spra­chi­gen Kin­dern die kom­mu­ni­ka­ti­ven Fähig­kei­ten anzu­spre­chen und zu för­dern, über die die­se Kin­der außer­halb der Spra­che ver­fü­gen, also die brei­te Palet­te non­ver­ba­ler und ges­ti­scher Ver­stän­di­gung. Das stellt vor allem an die Fach­kräf­te eini­ge Anfor­de­run­gen, da die­se Aus­drucks­wei­sen auf­grund kul­tu­rel­ler Prä­gung hier­zu­lan­de sehr zurück­ge­drängt sind.
Die ges­ti­sche und spie­le­ri­sche Dar­stel­lung, die den Sinn des Gesag­ten so weit wie mög­lich „red­un­dant“ ver­mit­telt, d.h. gleich­zei­tig auf der ver­ba­len wie auf der non­ver­ba­len Schie­ne mit­teilt, stellt in Ver­bin­dung mit der sprach­li­chen Äuße­rung eine wirk­sa­me Lern­si­tua­ti­on dar. Über die aus­sa­ge­kräf­ti­ge Ges­tik wird die Bedeu­tung des Gehör­ten andeu­tungs­wei­se ver­stan­den und all­mäh­lich auch ohne die spie­le­ri­sche Ges­te ver­ständ­lich sein. Dass man sich dabei einer ein­fa­chen und wie­der­ho­len­den Wort­wahl bedient, bedarf wohl kei­ner Erwähnung.

Zur Sprach­mi­schung
Schließ­lich wer­den zwei­spra­chi­ge Kin­der auch immer wie­der die „Codes wech­seln“, also oft im sel­ben Satz Aus­drü­cke der einen Spra­che mit der andern mischen. Das ist in der Anfangs­pha­se, in der sie die neue Spra­che ken­nen ler­nen, ein nor­ma­les Ver­hal­ten. Erst über eine genaue­re Sprach­kennt­nis kön­nen sie dann die bei­den Sprach­sys­te­me aus­ein­an­der­hal­ten und die in jeder ein­zel­nen Spra­che gül­ti­gen Bil­dungs­re­geln unter­schei­den. Auch dann noch wer­den sie manch­mal bei­de Spra­chen ver­men­gen.
Ent­schei­dend ist, wem gegen­über sie das tun. Jede sprach­li­che Aus­sa­ge bezieht sich auf ein Gegen­über, auf das sich der Spre­cher ein­stellt. Sprach­mi­schung ist unter zwei­spra­chi­gen Jugend­li­chen sehr ver­brei­tet, die bei­de Spra­chen spre­chen. Jede Spra­che ver­fügt über Bezeich­nun­gen, die Zusam­men­hän­ge ange­mes­se­ner zum Aus­druck bringt als die ver­gleich­ba­ren Bezeich­nun­gen der ande­ren Spra­che. Sie wer­den dann her­an­ge­zo­gen um sich genau­er mit­zu­tei­len. Spre­chen Kin­der mit Men­schen, die gleich­falls bei­de Spra­chen beherr­schen, ist das wie­der­um ein nor­ma­les und sinn­vol­les Ver­hal­ten. Tun sie das auch gegen­über Men­schen, die nur eine Spra­che spre­chen, ist das bedenk­lich, weil sie eine wesent­li­che Regel mensch­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­hal­tens nicht beachten.

Vor zweisprachigen Kindern erzählen

Über das Hören von Erzäh­lun­gen allein wer­den Kin­der, die eine ande­re Mut­ter­spra­che spre­chen, natür­lich nicht deutsch ler­nen. Aber frei­es Erzäh­len kann dazu bei­tra­gen, indem es neben dem all­täg­li­chen “Sprach­bad”, über das Vor­schul­kin­der sich eine zwei­te Spra­che aneig­nen, wich­ti­ge Anre­gun­gen bie­tet. Es kann die Sprach­be­herr­schung ins­be­son­de­re jener Kin­der ent­schei­dend unter­stüt­zen, die sich bereits in Gesprä­chen eini­ger­ma­ßen behaup­ten. Und es kann dabei zugleich eine Grund­la­ge für die spä­te­re Lite­ra­li­tät in der Zweit­spra­che legen.
Beim Vor­le­sen oder Bil­der­buch­be­trach­ten füh­len sich Migran­ten­kin­der sehr häu­fig aus­ge­schlos­sen und wen­den sich ab, weil sie über zu wenig Sprach­kennt­nis­se ver­fü­gen, um den Tex­ten zu fol­gen. Beim Erzäh­len vor Kin­der­grup­pen kann man immer wie­der beob­ach­ten, wie auf­merk­sam und fas­zi­niert sie auch dann noch zuhö­ren, wenn sie die Geschich­te nur bruch­stück­haft ver­ste­hen. Indem Dar­stel­lung und Spra­che auf ihr Ver­ständ­nis zuge­schnit­ten wird, kön­nen die Erzäh­lun­gen von die­sen Kin­dern bes­ser ver­stan­den wer­den. Weil sie die Geschich­ten voll­stän­dig mit­be­kom­men möch­ten, stren­gen sie sich an, die sprach­li­chen For­mu­lie­run­gen zu ver­ste­hen. Die sprach­li­chen Vor­bil­der, die sie dabei gebo­ten bekom­men, kön­nen sich ein­prä­gen und ihre Sprach­be­herr­schung erweitern.

Ver­ste­hen ermög­li­chen
Um den Kin­dern mit ande­rer Mut­ter­spra­che die Erzäh­lun­gen zugäng­lich zu machen, ist zu beach­ten:
Nor­ma­ler­wei­se wer­den sowohl beim spon­ta­nen wie beim geplan­ten Erzäh­len die­je­ni­gen Hand­lungs­ele­men­te in Ges­te und Spiel her­aus­ge­ho­ben, die zen­tral für das Ver­ständ­nis der Erzäh­lung erschei­nen. Im Wesent­li­chen sind das die dra­ma­ti­schen Kno­ten­punk­te der Hand­lung sowie alle Vor­gän­ge, die das Vor­stel­lungs­ver­mö­gen bean­spru­chen, wun­der­ba­re Ver­wand­lun­gen z.B. oder unwahr­schein­li­che Erschei­nun­gen. Die­se sinn­li­che und bild­li­che Begleit­schie­ne der sprach­li­chen Erzäh­lung kann nun wei­ter aus­ge­dehnt wer­den, indem alle wich­ti­gen sprach­li­chen Aus­sa­gen auch ges­tisch illus­triert wer­den. Das unge­fäh­re asso­zia­ti­ve Ver­ste­hen kann sich mit den Laut­fol­gen der Bezeich­nun­gen ver­bin­den, die sie illus­trie­ren.
Erzäh­lun­gen wer­den bes­ser ver­stan­den, wenn leicht durch­schau­ba­re Struk­tu­ren benutzt wer­den. Die grund­sätz­li­che Kennt­nis des „Geschich­ten­sche­mas“ kann bei Migran­ten­kin­dern im Prin­zip vor­aus­ge­setzt wer­den, da es kul­tur­über­grei­fend gül­tig ist. Zum sprach­för­dern­den Erzäh­len eig­nen sich auch hier vor allem die erwähn­ten „Ket­ten­er­zäh­lun­gen“, bei denen ein­fa­che Epi­so­den vari­ie­rend anein­an­der­ge­reiht wer­den. Spä­tes­tens mit dem zwei- oder drei­ma­li­gen Durch­lauf der Epi­so­de durch­schau­en Kin­der die Grund­struk­tur, ihre Auf­merk­sam­keit ist dadurch auch inhalt­lich aus­ge­rich­tet.
Wie weit sie die sprach­li­chen Aus­sa­gen ver­ste­hen, hängt von dem gebo­te­nen Sprach­ma­te­ri­al ab. Ein­fa­che For­mu­lie­run­gen im Erzähl­text sowie sich in jeder Epi­so­de wie­der­ho­len­de wört­li­che Reden bie­ten struk­tu­rel­le Vor­la­gen, die gespei­chert und für das eige­ne Spre­chen genutzt wer­den können.

Sprech­an­läs­se schaf­fen
Die akti­ve Sprach­be­herr­schung wird geför­dert, indem die Kin­der die vor­ge­führ­ten sprach­li­chen For­meln und ritua­li­sier­te Dia­lo­ge benut­zen und dar­über Model­le für einen regel­ge­rech­ten Sprach­ge­brauch ange­bo­ten bekom­men. Dazu wer­den die erwähn­ten For­men des Mit­er­zäh­lens und Nach­be­rei­tens auf die Sprach­kennt­nis­se der fremd­spra­chi­gen Kin­der zuge­schnit­ten.
Das kann über das Mit­er­zäh­len gesche­hen, ins­be­son­de­re in „Ket­ten­er­zäh­lun­gen“, sowie beim gemein­sa­men Rekon­stru­ie­ren einer bereits erzähl­ten Geschich­te, wie das schon ange­spro­chen wur­de (Vgl. s. 22). Dabei soll­te die Fach­kraft stets eine stüt­zen­de Hal­tung ein­neh­men, die Vor­schlä­ge der Kin­der in die Erzäh­lung auf­neh­men, undeut­li­che oder feh­ler­haft for­mu­lier­te Vor­schlä­ge über Nach­fra­gen und Wie­der­ho­lung rich­tig stel­len.
Wir­kungs­vol­le Sprech­an­läs­se ent­ste­hen beim rol­len­spiel­ar­ti­gen Nach­spie­len der Geschich­ten, da die Kin­der aus der ange­nom­me­nen Rol­le her­aus spre­chen müs­sen (und auch spre­chen kön­nen, weil ihnen das stan­dar­di­sier­te Sprach­ma­te­ri­al der Erzäh­lung zur Ver­fü­gung steht). Sofern sich aus den Rol­len­spie­len ein­fa­che Auf­füh­run­gen erge­ben, ist es sehr zu emp­feh­len, gera­de die zwei­spra­chi­gen Kin­der damit vor andern Kin­dern oder Erwach­se­nen auf­tre­ten zu las­sen. Die Selbst­be­stä­ti­gung, die sie dadurch bekom­men, ist ein wir­kungs­vol­ler Ansporn sich in und mit der neu­en Spra­che auszudrücken.

Erzäh­len in der frem­den Spra­che
Bei die­sen Auf­trit­ten wer­den Kin­der auf­ge­for­dert, auch in ihrer Mut­ter­spra­che zu erzäh­len oder man enga­giert Men­schen, die in die­ser Spra­che zu erzäh­len oder auch vor­zu­le­sen bereit sind. Meist lau­schen die übri­gen Kin­der fas­zi­niert den frem­den Klän­gen. Man kann dar­aus auch ein Rate­spiel machen, indem die übri­gen Kin­der berich­ten, was sie sich vor­ge­stellt haben. Mit etwas Glück gibt es viel­leicht sogar ein ande­res Kind in der Grup­pe, das als „Über­set­zer“ die­nen und das Rät­sel auf­lö­sen kann. Damit ist bei­den gehol­fen, dem erzäh­len­den Kind, das vor allen andern spricht, wie dem Über­set­zen­den, der sei­ne Sprach­kennt­nis­se demons­trie­ren durf­te. Das dop­pel­te Hören (und Sehen der ges­ti­schen Beglei­tung) in der Erst- und Zweit­spra­che scheint einen wei­te­ren wirk­sa­men Lern­an­lass zu bie­ten. Zugleich wird damit die mut­ter­sprach­li­che Kom­pe­tenz gewür­digt und mit der Zweit­spra­che verbunden.

„Gram­ma­tik­ge­schich­ten“
In einem Pro­jekt zur För­de­rung der Deutsch­kennt­nis­se zwei­spra­chi­ger Kin­der haben wir eine Serie von Geschich­ten ent­wi­ckelt, die jeweils „Stol­per­stei­ne“ des Deut­schen (z.B. Plu­ral­bil­dung, Verb-Sub­jekt-Kon­gru­enz, Ver­gan­gen­heit, Prä­po­si­tio­nen etc) im Rah­men einer inter­es­san­ten Erzähl­hand­lung behan­deln und sich für das Wei­ter­ar­bei­ten der Sprach­struk­tu­ren eig­nen. Sie fin­den sich nach Sprach­pro­ble­men geord­net in Mer­kels Erzähl­ka­bi­nett (sie­he s. 38) unter der Rubrik „Spra­che för­dern“.
Das von einer Leh­rer­grup­pe ent­wi­ckel­te Mate­ri­al zur wei­te­ren Unter­richts­be­hand­lung der Erzäh­lun­gen erscheint 2007 im Per­sen-Ver­lag Hamburg.

Woher geeignete Geschichten nehmen?

Wer sich ans freie Erzäh­len macht, steht zunächst vor dem Pro­blem, eine geeig­ne­te Geschich­te aus­zu­wäh­len. In den meis­ten Fäl­len wird man sich in der geschrie­be­nen Lite­ra­tur nach brauch­ba­ren Vor­la­gen umse­hen. Die­se Tex­te sind aller­dings für das Lesen ver­fasst und müs­sen des­halb für den freie­ren Umgang des Erzäh­lens auf­be­rei­tet wer­den. Das erfor­dert etwas Vor­be­rei­tung, die sich aber auf die Dau­er aus­zahlt. Denn spä­tes­tens nach dem drit­ten Erzäh­len behält man die Geschich­te sehr gut im Gedächt­nis und kann mit der Zeit über ein klei­nes Reper­toire ver­fü­gen, das jeder­zeit zur Ver­fü­gung steht.

Wie aus ein Text zur Erzäh­lung wird
Im all­ge­mei­nen wer­den wir geschrie­be­ne Tex­te zur Vor­la­ge von Erzäh­lun­gen neh­men. Die schrift­li­chen Vor­la­gen, die zum Lesen bestimmt sind, müs­sen dann jedoch umge­formt und sozu­sa­gen mund­ge­recht gemacht wer­den, um sie frei erzäh­len zu kön­nen. Bewährt hat sich dafür ein Vor­ge­hen, das man sche­ma­tisch in vier Schrit­te unter­tei­len kann:
Zunächst wird die Text­vor­la­ge mehr­mals hin­ter­ein­an­der und mög­lichst auch laut gele­sen. Danach wird der Text bei­sei­te gelegt und nicht mehr ange­se­hen.
Im zwei­ten Schritt wird die Erzäh­lung memo­riert, also dem eige­nen Gedächt­nis ein­ge­prägt, indem man die Hand­lungs­fol­ge der Geschich­te in der Vor­stel­lung rekon­stru­iert (einen „inne­ren Film“ bil­det). Wer lie­ber mit sprach­li­chen Kon­zep­ten arbei­tet, notiert sich zum Mer­ken kur­ze Stich­wor­te. Die Geschich­te wird jetzt ent­lang den Vor­stel­lungs­bil­dern oder Stich­wor­ten mit eige­nen Wor­ten wie­der­ge­ge­ben.
Im drit­ten Schritt wer­den dar­stel­len­de Ele­men­te hin­zu­ge­fügt. Dazu sucht man die Stel­len aus, die nach einer ges­ti­schen Unter­strei­chung rufen. Das sind im all­ge­mei­nen die dra­ma­ti­schen Momen­te der Hand­lung sowie wun­der­ba­re und unwahr­schein­li­che Vor­gän­ge. Da wir Ges­ten weni­ger impro­vi­sie­ren kön­nen als sprach­li­che Äuße­run­gen, hat man hier etwas mehr Zeit und Sorg­falt auf­zu­wen­den. Sinn­voll ist es, die Wir­kung der Ges­ten ent­we­der vor dem Spie­gel oder vor einem Zuschau­er zu pro­ben.
Im letz­ten Schritt nimmt man den Text noch ein­mal zur Hand und baut eini­ge weni­ge fest­ste­hen­de Wen­dun­gen in die Erzäh­lung ein. Vor allem wich­ti­ge Dia­log­par­tien soll­ten genau sit­zen. Sie, aber auch wirk­lich nur sie, wer­den im Wort­laut ein­ge­prägt.
Mit die­ser Vor­be­rei­tung kann man die Geschich­te dann schon ein­mal pro­be­wei­se zum Bes­ten geben.

Zum Erzäh­len von Mär­chen
Auch wenn ihr Wort­laut von den Bear­bei­tern lite­r­a­ri­siert wur­de, las­sen sich doch die meis­ten Mär­chen wun­der­bar erzäh­len: Sie sind ganz auf die Hand­lun­gen ihrer Hel­den aus­ge­rich­tet und ver­fol­gen ohne Abschwei­fun­gen das mit dem Ein­stieg genann­te The­ma. Aller­dings ent­hal­ten sie auch vie­le Ele­men­te aus der länd­li­chen Gesell­schaft, in der sie ent­stan­den und wei­ter­erzählt wur­den, die sich Kin­der heu­te schwer vor­stel­len kön­nen, die länd­li­chen Arbeits­wei­sen etwa oder die Gerät­schaf­ten, mit denen gear­bei­tet wur­de. Man soll­te sich nicht scheu­en, sie zu erklä­ren. Beim offe­nen Erzäh­len wird das Mär­chen durch sol­che Ein­schü­be nicht gestört.
In Buch­hand­lun­gen und Biblio­the­ken wer­den unzäh­li­ge Samm­lun­gen von Mär­chen ange­bo­ten. Die Tat­sa­che, dass sich eine Erzäh­lung in die­sen Samm­lun­gen fin­det, heißt noch nicht, dass sie auch gut erzähl­bar ist oder dass man sie erzäh­len soll­te.
Zwei Grund­sät­ze soll­ten bei der Suche nach erzähl­ba­ren Vor­la­gen beach­tet wer­den:
Nur sol­che Geschich­ten zu erzäh­len, die einen selbst berüh­ren und begeis­tern,
die Geschich­te nicht wört­lich wie­der­zu­ge­ben, son­dern mit eige­nen Wor­ten vor­zu­tra­gen.
Es sind in jeder Samm­lung nur weni­ge Geschich­ten, die sich für das eige­ne Erzäh­len anbie­ten. Es bleibt des­halb die Qual der Wahl. Die fol­gen­de Samm­lung ver­eint sehr unter­schied­li­che und meist gut erzähl­ba­re Mär­chen und kann des­we­gen für das Suchen nach geeig­ne­ten Vor­la­gen sehr emp­foh­len wer­den. Sie ist in ver­schie­de­nen Aus­ga­ben erschie­nen und wird prak­tisch in jeder Biblio­thek geführt.

Lisa Tetz­ner: Mär­chen für 365 und einen Tag, Aar­au 1946-49
(Zahl­rei­che wei­te­re Ausgaben)

Zum Erzäh­len von lite­ra­ri­schen Vor­la­gen
Grö­ße­re Schwie­rig­kei­ten berei­ten von Schrift­stel­lern ver­fass­te Erzäh­lun­gen, die für das Lesen geschrie­ben sind. Sie arbei­ten mit aus­führ­li­chen Beschrei­bun­gen, die sich kaum erzäh­len las­sen. Bei der Aus­wahl von Geschich­ten ist dar­auf zu ach­ten, dass sie aus­rei­chend Hand­lung bie­ten und sie in einer über­sicht­li­chen Form ent­wi­ckeln. Eini­ge weni­ge Schrift­stel­ler schrei­ben in einer erzähl­ba­ren Dik­ti­on, die fast so zu erzäh­len sind, wie sie im Buch ste­hen. Für das freie Erzäh­len zu emp­feh­len sind zum Bei­spiel die Geschich­ten von Hein­rich Han­no­ver. Erzähl­ba­re Vor­la­gen kön­nen kos­ten­los aus “Mer­kels Erzähl­ka­bi­nett” im Inter­net ent­nom­men werden.

sie­he Inhalt des Erzählkabinetts

Erzählungen improvisieren

Fas­zi­nie­ren­de Geschich­te aus dem Stand zu erfin­den schaf­fen meist nur „gebo­re­ne“ Erzäh­ler. Aber auch ihre Geschick­lich­keit ist nicht ange­bo­ren, sie erzäh­len häu­fig und ger­ne und erwer­ben sich dar­über gro­ße Übung. Wir alle ver­ste­hen es, klei­ne all­täg­li­che Erzäh­lun­gen zu impro­vi­sie­ren und tun es im all­täg­li­chen Umgang ohne nach­zu­den­ken. Im Umgang mit Kin­dern kommt dar­auf an, es ein­fach zu ver­su­chen. Und mit eini­ger Übung wird man sich bald auf die eige­ne Erzähl­lust und die eige­ne Phan­ta­sie ver­las­sen können.

Erzäh­lun­gen aus der eige­nen Kind­heit
Ein The­ma, zu dem Jede und Jeder spon­tan etwas zu erzäh­len ver­mag, sind Erleb­nis­se aus der eige­nen Kind­heit. Sie sind für Kin­der des­to anre­gen­der, je näher sie den Erzäh­len­den ste­hen. Schließ­lich ist es über­ra­schend und fas­zi­nie­rend, dass auch die Gro­ßen ein­mal Klei­ne gewe­sen sind und macht ihnen Mut, grö­ßer zu wer­den. Und dann beob­ach­ten Sie, wie sich Ihre Kind­heits­er­leb­nis­se mit dem Erzäh­len ver­än­dern! Je öfter und begeis­ter­ter man davon erzählt, eine des­to leuch­ten­de­re und bedeut­sa­me­re Kind­heit wird man gehabt haben – und nach wie­der­hol­tem Erzäh­len selbst nicht mehr recht unter­schei­den kön­nen, was man „wirk­lich“ erlebt und was man im Eifer des Erzäh­lens aus­ge­schmückt hat. Es liegt in der Natur des Erzäh­lens, Lücken zu ergän­zen und Erleb­nis­se abzu­run­den, und je unbe­fan­ge­ner wir uns dar­auf ein­las­sen, des­to offe­ne­re Ohren wer­den wir fin­den. Sie wer­den dabei mit­be­kom­men, dass die Inten­si­tät der Kom­mu­ni­ka­ti­on beim frei­en Erzäh­len für die Kin­der eben­so wich­tig ist wie die anre­gen­de Sto­ry, und dass mit dem Erzäh­len Geschich­ten und Vor­trags­wei­se stän­dig bes­ser wer­den. Man muss also nicht als ”gebo­re­ner” Erzäh­ler beginnen.

Erzäh­len von Erleb­nis­sen
Auch man­che selt­sa­me Erleb­nis­se oder Beob­ach­tun­gen, die wir in der Stra­ßen­bahn, im Super­markt oder beim Spa­zier­gang machen, kön­nen brauch­ba­re Anläs­se zum Erzäh­len bie­ten, vor allem wenn wir sie wei­ter zu spin­nen unter Fra­gen wie: Was hät­te wei­ter pas­sie­ren kön­nen? Zu wel­chem Ende hät­te das geführt?
Beim spon­ta­nen Erzäh­len sind es vor allem die sicht­ba­ren und unter­schwel­li­gen Reak­tio­nen unse­rer Zuhö­rer, nach denen wir unse­re Erzäh­lun­gen anrei­chern und aus­ge­stal­ten. Ihre Erwar­tun­gen an eine voll­stän­di­ge und unter­halt­sa­me Erzäh­lung aber lässt sich vor­weg­neh­men, da wir sie mit den Zuhö­rern tei­len. Wir alle haben schon in der Kind­heit gelernt, wie sich eine gute Geschich­te auf­baut und was sie erzähl­bar macht. Wir kön­nen des­halb das Mate­ri­al, das uns All­tags­er­leb­nis­se lie­fern, schon vor jeder Erzäh­lung und sozu­sa­gen im stil­len Käm­mer­lein zu einer erzähl­ba­ren Geschich­te aus­bau­en.
Um All­tags­er­eig­nis­se grö­ßer und erzäh­lens­wer­ter zu machen, las­sen sich bemer­kens­wer­te Ereig­nis­se, die einem selbst begeg­net sind oder von denen man gehört hat, kom­bi­nie­ren: Aus dem Mate­ri­al erleb­ter oder gehör­ter Sto­rys mon­tie­ren wir neue denk­ba­re Geschich­ten. Das ist nicht ganz ein­fach und ver­langt beträcht­li­che Ein­grif­fe in das Mate­ri­al, weil die ver­schie­de­nen Fund­stü­cke sonst kaum zusam­men­pas­sen und auf­ein­an­der auf­bau­en wür­den. Nur mit einem guten Schuss Phan­ta­sie ver­setzt wer­den sie sich zu einer durch­ge­hen­den Geschich­te zusam­men­fü­gen, und es kos­tet eini­ges Nach­den­ken, sie so mit­ein­an­der zu ver­schwei­ßen, dass eine Erzäh­lung aus einem Guss entsteht.

Erzäh­len mit fes­ten Figu­ren
Ins­be­son­de­re beim impro­vi­sie­ren­den Erzäh­len für Kin­der ist es sehr hilf­e­reich, von vor­ne­her­ein fes­te Figu­ren zu ver­wen­den, deren Eigen­schaf­ten, Reak­tio­nen und Hand­lungs­wei­sen bekannt sind und das Impro­vi­sie­ren erleich­tern. Am bes­ten erfin­det man die­se Figu­ren gleich mit den zuhö­ren­den Kin­dern oder benutzt Kuschel­tie­re, Freun­de oder auch ver­trau­te Gegen­stän­de, um Phan­ta­sie­fi­gu­ren zu erfin­den. Man kann natür­lich auch aus Mär­chen, Kin­der­li­te­ra­tur oder Fern­se­hen usw. bekann­te Gestal­ten benut­zen, aber dabei ist Vor­sicht am Plat­ze: Die Zuhö­rer wer­den dann auf den vor­ge­ge­be­nen Eigen­schaf­ten die­ser Gestal­ten bestehen, der eige­ne Ein­falls­reich­tum ist behin­dert und vor allem gelingt es nicht mehr ohne wei­te­res die Sto­rys auf die Lebens­welt, Nei­gun­gen und Wün­sche der Zuhö­ren­den zu beziehen.

Phan­ta­sie­ge­schich­ten
Wenn wir von Erzäh­lun­gen für Kin­der reden, den­ken wir jedoch eher an phan­tas­ti­sche Sto­rys, in denen Wun­der gesche­hen, gezau­bert wird oder gefähr­li­che Mons­ter aus dem Weg geräumt wer­den. Sol­che Geschich­ten sind kaum aus dem hoh­len Bauch zu holen. Wer hier die eige­ne Lust und Fähig­keit am Fabu­lie­ren erpro­ben möch­te, soll­te sich die Mühe machen, sei­ne Geschich­te in ruhi­gen Momen­ten zu kon­stru­ie­ren und sie dann vor Zuhö­rern zu erpro­ben.
Von Erwach­se­nen aus­ge­dach­te Sto­rys nei­gen dazu, ent­we­der zu sehr im All­täg­li­chen hän­gen zu blei­ben oder sich in ange­streng­ten Phan­ta­sie­wel­ten zu erge­hen. Jede gute Geschich­te ist aber eine Mischung aus bei­den Berei­chen, und genau die­se oft über­ra­schen­de Mix­tur las­sen spon­ta­ne Erzäh­lun­gen von Kin­dern erken­nen. Es lohnt sich Kin­der zum selb­stän­di­gen Erzäh­len anzu­re­gen. Man schlägt damit zwei Flie­gen mit einer Klap­pe: Die Kin­der erhal­ten die Gele­gen­heit, über ihre Erzäh­lung zum Aus­druck zu brin­gen, was in ihnen vor­geht. Die Erwach­se­nen ver­ste­hen, was die Kin­der bewegt, und erhal­ten zugleich Anre­gun­gen für Geschich­ten, auf die sie selbst nicht so leicht gekom­men wären. (Nicht zufäl­lig gehen vie­le erfolg­rei­che Kin­der­ge­schich­ten auf kind­li­che Ein­fäl­le zurück. Als berühm­tes­tes Bei­spiel mag Pip­pi Lang­strumpf dienen).

Mit Kindern Geschichten erfinden

Kin­der, denen häu­fig erzählt wird, lie­ben es, selbst Geschich­ten zu erfin­den. Kin­der im Kin­der­gar­ten­al­ter erzäh­len aller­dings meist nur, wenn sie dazu ange­regt wer­den, und die bes­te Anre­gung bie­tet das Hören von Erzäh­lun­gen: Nach der erzähl­ten Geschich­te wer­den die Zuhö­rer auf­ge­for­dert: ”Ich habe euch erzählt, jetzt erzählt ihr eine Geschich­te”.
Aller­dings haben Vor­schul­kin­der noch oft gro­ße Pro­ble­me, ihre Ein­fäl­le zu einer Geschich­te anzu­ord­nen und sich ver­ständ­lich aus­zu­rü­cken. Sie brau­chen dazu die Unter­stüt­zung durch die Gro­ßen. Dabei ist zu beach­ten, dass sie zwar eine Men­ge Ideen in die Welt set­zen wer­den, dass sie aber mit den Ein­fäl­len hin- und her­sprin­gen (unter ande­rem auch, weil sie in die­sem Alter noch kei­ne voll­stän­di­ge Vor­stel­lung davon haben, wie eine Geschich­te auf­ge­baut sein muss). Es ergibt sich dabei eine frucht­ba­re und befrie­di­gen­de ”Arbeits­tei­lung”: Die Kin­der schla­gen ihre Ideen vor, die Erzie­hen­den bekom­men eine Men­ge über­ra­schen­de Ein­fäl­le, ach­ten aber dar­auf, dass sie in einen geschich­ten­ar­ti­gen Zusam­men­hang ein­ge­glie­dert wer­den, was wie­der­um die Kin­der begeis­tert, weil aus ihren Ideen eine rich­ti­ge Geschich­te ent­steht, die sich erzäh­len, aber auch malen oder auf­schrei­ben lässt. Aller­dings darf dann die Grup­pe nicht zu groß aus­fal­len, zu emp­feh­len sind Grüpp­chen von ca vier bis fünf Teil­neh­mern. Mit eini­gen ein­fa­chen Ver­fah­ren, die sich auch ohne wei­te­res im Kin­der­gar­ten durch­füh­ren las­sen, kann das gemein­sa­me Erfin­den unter­stützt werden.

Geschich­ten erfin­den nach Bild­vor­la­gen
Wir haben offen­bar eine unaus­rott­ba­re Nei­gung, zusam­men­hangs­lo­sen Bil­dern einen zusam­men­hän­gen­den Sinn zu unter­le­gen. Man kann die Pro­be dar­auf machen, indem man nach dem Zufalls­prin­zip Bil­der neben­ein­an­der legt: Unwill­kür­lich asso­zi­iert unser Gehirn Über­gän­ge von einem Bild zum nächs­ten. Die­se Eigen­schaft lässt sich benut­zen, um sich zu Geschich­ten anre­gen zu las­sen: Man schnei­det aus alten Illus­trier­ten etwa ein Dut­zend Abbil­dun­gen im glei­chen For­mat aus und ver­sucht sie so in einer Rei­hen­fol­ge zu legen, dass sich eine Geschich­te abzeich­net. Wir haben dabei zwar kaum Pro­ble­me, die Bil­der in einen Zusam­men­hang zu brin­gen, er fällt aber meist zu luf­tig aus, gera­de die kind­li­che Phan­ta­sie macht da über­ra­schen­de Sprün­ge. Die Geschich­te muss mit den Kin­dern noch wei­ter­ge­spon­nen, auf ihre Kon­se­quenz und Brauch­bar­keit kon­trol­liert und abge­än­dert wer­den.
Kon­se­quen­ter und wirk­lich­keits­be­zo­ge­ner wer­den die Ergeb­nis­se, wenn die Bil­der eine Per­son oder den glei­chen Per­so­nen­kreis in unter­schied­li­chen Situa­tio­nen zei­gen. Dazu kann man auch selbst Fotos machen oder Kol­la­gen von gedruck­tem Bild­ma­te­ri­al und Fotos anfer­ti­gen. Die­se Fotos soll­ten mög­lichst unab­ge­schlos­se­ne Hand­lun­gen fest­hal­ten, da sie dadurch für jede Rich­tung offen blei­ben. Ein Mensch, der bei­spiels­wei­se mit der Klin­ke in der Hand in einer halb geöff­ne­ten Tür steht, kann das Haus betre­ten oder auch ver­las­sen.
Statt Fotos kön­nen auch Figu­ren aus Comics aus­ge­schnit­ten wer­den. Wegen des klei­nen For­mats ist zu emp­feh­len die Figu­ren ver­grö­ßert zu kopie­ren. Im all­ge­mei­nen sind unbe­kann­te­re Seri­en dafür geeig­ne­ter, weil die Kin­der bei bekann­ten Seri­en­fi­gu­ren sonst auch die Hand­lungs­mo­del­le der Seri­en nach­zu­ah­men suchen. Die aus­ge­schnit­te­nen Figu­ren wer­den dann auf die Bild­hin­ter­grün­de auf­ge­klebt und zu einer Bild­ge­schich­te ver­bun­den, die den übri­gen Teil­neh­mern anhand der Bild­kol­la­gen erzählt werden.

Geschich­ten erfin­den nach Gegen­stän­den
Beim Phan­ta­sie­ren nach einer belie­bi­gen Bil­der­se­rie hat man bei jedem ein­zel­nen Bild die Wahl, es kon­kret oder meta­pho­risch auf­zu­fas­sen. Eine durch die Wol­ken schwe­ben­de Ver­kehrs­ma­schi­ne kann je nach dem Kon­text der umge­ben­den Bil­der eben­so gut die tat­säch­li­che Rei­se des Hel­den wie auch sei­nen Wunsch oder gar sei­ne unüber­wind­li­che Abnei­gung zu flie­gen bezeich­nen. Noch unbe­fan­ge­ner lässt sich mit Funk­tio­nen und Bedeu­tun­gen jon­glie­ren, wenn wir die Bil­der durch Gegen­stän­de erset­zen und uns nun durch eine belie­bi­ge Aus­wahl von Din­gen zu einer Erzäh­lung anre­gen las­sen. Ähn­lich wie bei den Bil­dern kommt es nun dar­auf an, die Lücken zwi­schen den ein­zel­nen Gegen­stän­den zu fül­len, den Über­gang von einem zum nächs­ten zu fin­den. Die Din­ge in ihrer über­tra­ge­nen Bedeu­tung zu neh­men, erwei­tert nicht nur den Bewe­gungs­spiel­raum, es eröff­net auch über­ra­schen­de Wei­sen der Vor­füh­rung: Das Löf­fel­chen ist nicht mehr dar­auf beschränkt, den Zucker im Kaf­fee umzu­rüh­ren, es kann sich als Kind mit der Mut­ter strei­ten, die (war­um wohl?) von der zän­ki­schen Gabel oder dem gut­mü­ti­gen Sup­pen­löf­fel gespielt wird. Und wer gibt dann wohl den stren­gen Vater ab?
Übri­gens eig­nen sich dafür jene Gegen­stän­de am bes­ten, die vie­le Funk­tio­nen aus­fül­len kön­nen, und Küchen­ge­rä­te sind wegen ihrer all­täg­li­chen Ver­traut­heit dafür ganz beson­ders geeig­net. Aber auch Werk­zeu­ge wie Ham­mer und Zan­gen oder Tücher emp­feh­len sich durch ihre viel­sei­ti­ge und über­ra­schen­de Ver­wend­bar­keit. Ähn­lich wie beim Bil­der­le­gen soll­ten nicht zu vie­le Gegen­stän­de ver­wen­det wer­den, wie­der am bes­ten nur etwa ein Dut­zend, damit sie über­schau­bar blei­ben und sich mit ihnen cha­rak­te­ris­ti­sche Figu­ren ent­wi­ckeln lassen.

Geschich­ten schrei­ben in der Grund­schu­le
Das Schrei­ben von Erzäh­lun­gen, das als ers­te Auf­satz­form in der Grund­schu­le üblich ist, fällt Kin­dern nicht nur wegen der anstren­gen­den Schreib­ar­beit schwer. Um eine Geschich­te erfin­den zu kön­nen müs­sen sie ihre Ein­fäl­le ord­nen und in eine ange­mes­se­ne Abfol­ge brin­gen. Das fällt leich­ter, wenn die Geschich­te über vor­ge­ge­be­nes Mate­ri­al struk­tu­riert wird und wenn sich in einer Arbeits­grup­pe ihre Ideen ergän­zen und die Schreib­ar­beit ver­teilt wer­den kön­nen.
Da Geschich­ten sich aus Bild­vor­stel­lun­gen und Spra­che zusam­men­set­zen, kön­nen sie ent­we­der durch Bild­ma­te­ri­al oder durch sprach­li­che Vor­ga­ben ange­regt wer­den.
Das Geschich­ten­er­fin­den nach Bild­vor­la­gen, wie es oben beschrie­ben wur­de, kann in der Schu­le wei­ter­ge­führt wer­den: Die Schü­ler erzäh­len ihre Geschich­ten nach dem Kle­ben der Bild­vor­la­gen, die Erzäh­lun­gen wer­den auf Band auf­ge­nom­men. In der nächs­ten Sit­zung schnei­den sie aus einer Vor­la­ge lee­re Sprech- und Denk­bla­sen aus, schrei­ben Dia­log­tex­te drauf und kle­ben sie in die Bil­der. In einer wei­te­ren Sit­zung bekom­men sie Blät­ter, die sie zwi­schen die Bil­der legen und dar­auf den Erzähl­text schrei­ben. Vor jeder Sit­zung wer­den die Ton­auf­nah­men der Erzäh­lun­gen zur Erin­ne­rung wie­der abge­hört. Die Tex­te wer­den auf Aus­druck und Recht­schrei­bung kor­ri­giert und kön­nen im Klas­sen­raum auf einer Leis­te aus­ge­stellt oder auch in den Com­pu­ter ein­ge­tippt und aus­ge­druckt wer­den.
Geht man von Sprach­ma­te­ri­al aus, kann das Geschich­ten­er­fin­der­spiel ange­wen­det wer­den: Die Schü­ler erhal­ten ver­schie­den­far­bi­ge Kar­tei­kar­ten und schrei­ben nun dar­auf nach Anwei­sung Stich­wor­te für die zen­tra­len Ele­men­te einer Erzählung.

Das Erzähl­spiel (ver­ein­facht nach Claus Claussen)

Land­schaf­ten und Orte ( z.B. Wald, Insel, Groß­stadt, Auto­bahn­rast­stät­te, Rat­haus­platz etc)

Zei­ten (z.B. Uhr­zeit, Datum, Jahr, Lebens­zeit, his­to­ri­sche Epoche)

Hel­den ( Men­schen, Tie­re, Phantasiegestalten)

Eigen­schaf­ten (von Lebe­we­sen oder Gegenständen)

Fort­be­we­gungs­mit­tel ( z.B. Wan­dern, Rei­ten, Auto fah­ren etc)

All­tags­ge­gen­stän­de ( z.B. Gabeln, Hosen­knöp­fe, Kugen­schrei­ber etc)

Wun­der­din­ge (Zau­ber­ge­gen­stän­de wie das Tisch­lein-deck-dich oder tech­ni­sche Gerä­te mit unglaub­li­chen Mög­lich­kei­ten wie den Com­pu­ter, der Gedan­ken liest)

Ereig­nis­se (z.B. Auto­un­fall, Schnee­ka­ta­stro­phe, Brief­ta­sche fin­den etc)

Hand­lun­gen (z.B. Über die Stra­ße gehen, Haus kau­fen, Bank überfallen)

Spiel­re­gel: Jede Arbeits­grup­pe zieht Kar­ten für Hel­den, Gegen­spie­ler, Zeit und Ort der Erzäh­lung, dazu von den übri­gen Kate­go­rien je drei Kar­ten.
Mit den Kar­ten wird nun eine Geschich­te erfun­den, indem die Kar­ten in der ent­spre­chen­den Rei­hen­fol­ge gelegt wer­den.
Kann man eine Kar­te nicht unter­brin­gen oder setzt die Phan­ta­sie aus, legt man die­se Kar­ten zuun­terst auf den Sta­pel zurück und nimmt die obers­te vom Stapel.

Anre­gun­gen zum Geschich­ten Erfin­den mit Kin­dern nach sprach­li­chen Mate­ri­al:
Gian­ni Roda­ri: Gram­ma­tik der Phan­ta­sie. Die Kunst, Geschich­ten zu erfin­den, Leip­zig 1992
Claus Claus­sen / Valen­tin Mer­kel­bach: Erzähl­werk­statt, Braun­schweig 1995
Claus Claus­sen: Mit Kin­dern Geschich­ten erzäh­len, Ber­lin 2006
Eva Maria Kohl: Spiel­zeug Spra­che, Neu­wied 1995

Aus Erzählungen lernen?

Das freie ges­ti­sche Erzäh­len vor Kin­dern, noch mehr das Erzäh­len mit und von Kin­dern, schafft also vie­le Sprech­an­läs­se, die über die all­täg­li­che Ver­stän­di­gung hin­aus­rei­chen und bei denen geäu­ßert wer­den kann, was in der All­tags­kom­mu­ni­ka­ti­on kei­nen Platz fin­det. Über die Sprach­för­de­rung hin­aus bie­ten Geschich­ten aber auch eine Men­ge an Infor­ma­ti­on und Welt­ver­ständ­nis, an die in vie­len Fäl­len der Sach­un­ter­richt der Grund­schu­le anschlie­ßen kann. Ich will nur eini­ge Punk­te andeu­ten:
Geschich­ten erzäh­len von Lebens­be­rei­chen, die meist weit außer­halb der Erfahr­bar­keit lie­gen und damit über die Welt außer­halb des per­sön­li­chen Umfelds berich­ten. Man kann des­halb vom Erzäh­len, ähn­lich wie das für die Medi­en gel­tend gemacht wur­de, als einer kör­per­li­chen ”Exten­si­on” spre­chen: Bei­de erlau­ben Zusam­men­hän­ge zu ”begrei­fen”, die weit außer­halb der Reich­wei­te der eige­nen Hän­de lie­gen.
Da Geschich­ten immer von mensch­li­chen Hand­lun­gen berich­ten, und zwar auch da, wo Gegen­stän­de, Tie­re und der­glei­chen die Hel­den stel­len, wer­den den Kin­dern so etwas wie Hand­lungs­mo­del­le vor Augen geführt. Gera­de weil sie die kind­li­che Hand­lungs­fä­hig­keit fast immer über­stei­gen, erwei­tern sie das Reper­toire denk­ba­rer Hand­lun­gen und leh­ren über sym­bo­li­sche Hand­lun­gen die Zusam­men­hän­ge der Welt bes­ser zu ver­ste­hen, in der wir leben.
Aus Geschich­ten ent­neh­men Kin­der aber auch vie­le schein­bar neben­säch­li­che Details, und auch dabei wird stän­dig ”gelernt”. Ein­zel­ne Wis­sens­par­ti­kel wer­den auf­ge­nom­men, lagern sich an bereits Bekann­tes an und erwei­tern den Wis­sens­vor­rat.
Die­se zufäl­li­gen und unvor­her­seh­ba­ren Lern­ef­fek­te sind nicht auf Erzäh­lun­gen beschränkt, ähn­li­che Wir­kun­gen erge­ben sich bei allen Geschich­ten, die Kin­der aus Bücher oder Medi­en auf­neh­men. Beim offe­nen Erzäh­len wer­den sie sich meist aller­dings meist bes­ser ein­prä­gen, da dabei ja jeder­zeit Nach­fra­gen oder Erklä­run­gen ein­ge­scho­ben wer­den kön­nen, die auch sol­che Wis­sens­split­ter haut­nah vermitteln.