1.
Im Grunde waren die sagenhaften Pantoffeln von unserm Herrn Meier ein Paar recht gewöhnliche Schlappen. Nun gut, etwas Ausgefallenes hatten sie schon, schließlich waren sie aus echtem Kalbsleder gearbeitet und mit bunten Stickereien verziert, aber so außergewöhnlich ist das ja auch wieder nicht. Außerdem weiß ich ganz genau, dass er sie in einem stinknormalen Kaufhaus erstanden hat. Und er wäre damit ja auch nicht groß aufgefallen, wäre er nicht am Abend, nachdem er sie erstanden hatte, schlicht zu faul gewesen wäre, sich Straßenschuhe anzuziehen, um eben im Kiosk an der Ecke ein Bier zu holen. Bei dem schönen trockenen Wetter konnte er die paar Schritte doch geradeso gut in seinen stabilen neuen Hausschuhen machen! Und dann wäre immer noch nichts aus seinen berühmten Pantoffeln geworden, wären sie der Frau im Kiosk nicht sofort in die Augen gestochen.
„Ja aber Herr Meier“, rief sie aus, „was haben Sie für elegante Schuhe an den Füssen! Haben Sie die aus dem Urlaub mitgebracht?“
Urlaub? Ja warum nicht? Ein kleiner Angeber war der gute Meier schon immer, und deswegen tischt er der guten Frau auch gleich eine nette Geschichte auf: Maßanfertigung vom Dorfschuster einer griechischen Insel. Echte Handarbeit, und so gut wie unverwüstlich.
Mit unverwüstlicher griechischer Handarbeit an den Füßen kann man sich auch mal abends in der Kneipe sehen lassen. Na ja, und bei dem Schritt, den er vorlegte, haben sie seine Stammtischbrüder die edlen Hausschuhe auch gar nicht übersehen können. „Mensch Meier, wo hast du bloß diese geilen Latschen her? Die wirken ja irgendwie orientalisch“.
Orientalisch? Ja, warum nicht? Und schon legt Meier los. Von seinem letzten Trip nach Marokko hat er sie mitgebracht. Und wie ihn die Brüder im Bazar von Marrakesch übers Ohr hauen wollten! Aber da sind sie bei ihm gerade an den Richtigen geraten. Er hat ihnen die Wucherpreise glatt auf ein Drittel runtergehandelt, und unter der Hand gesagt, eigentlich wären sie wenigstens das Fünffache wert.
Bei dem Erfolg, den er mit seinen stilechten marokkanischen Pantoffeln hatte, ist es nicht verwunderlich, dass er gleich am nächsten Tag damit im Büro erschien. Der Sekretärin im Vorzimmer von Herrn Meier entgeht so leicht nichts, und schon gar nicht ein Paar buntbestickte Pantoffeln. „Nein, sind die niedlich. Ich tippe auf indianische Mokassins.“
Mokassins? Ja, warum nicht? Und schon legt Herr Meier los. Von seinem letzten Trip in die Staaten kennt er doch den Sioux-Häuptling Schleichende Sohle. Was heißt kennen, es ist quasi sein bester Freund. Und der hat ihm zum Beweis ihrer unverbrüchlichen Freundschaft diese Mokassins verehrt, eine Ehre, die soweit er weiß, ihm als ersten Weißen erwiesen wurde.
Natürlich hatte die Frau in der Imbissbude inzwischen längst allen Kunden erzählt, was für traumhafte Hausschuhe Herr Meier aus dem Urlaub in Griechenland mitbrachte. Und die Stammtischbrüder erzählten jedem, der es hören wollte, wie der Meier die Händler im Bazar von Marrakesch austrickste. Und im Büro beneideten ihn sämtliche Kollegen um die unverwechselbaren indianischen Mokassins. Und so gesehen kann man ja gut verstehen, wenn unser Herr Meier diese außergewöhnlichen Schlappen kaum mehr von den Füßen kriegte. Ob Tag oder Nacht, ob es regnete oder schneite, beim Einkaufen oder Spazierengehen, nirgends sah man Herrn Meier mehr ohne seine sagenhaften Lederpantoffeln. Das fiel den Leuten natürlich auf, bald schon kannte jeder in unserer Straße, ja was sag ich, im ganzen Stadtviertel, den komischen Kerl, der tagaus, tagein in bunt bestickten Hausschuhen herumlief.
Leider wurden die guten Stücke vom vielen Tragen nicht gerade besser, schließlich waren es ja auch nur ganz gewöhnliche Lederschlappen, und alles andere als unverwüstlich. Erst platzten die Nähte auf, die konnte Herr Meier noch recht und schlecht flicken. Dann war die Sohle durchgelaufen und er musste sie neu besohlen lassen. Schließlich aber wurde das Leder abgewetzt und brüchig, und wie die rochen, davon will ich noch gar nicht reden. Außerdem befürchtete der gute Meier, dass sie ihm hinter die Schliche kämen, von wegen Bazar in Marrakesch oder gar original indianische Handarbeit. Zwar blutete ihm das Herz, aber da war nichts zu machen. Also ab in die Mülltonne mit den abgenutzten Latschen!
2.
Nun war aber die Tonne schon vollgepackt bis zum Rand. Mit Mühe konnte Meier die Schlappen noch reinschieben, aber der Deckel war nicht mehr voll zu schließen.
Zur Mittagszeit kommen zwei Jungen aus der Schule, sehen die alten Latschen aus der Tonne glotzen, und kommen auf die Idee mit den guten Stücken in einer Regenpfütze Bootfahren zu spielen. Als ihre Mutter sie zum Mittagessen ruft, ist sie entsetzt: Da spielen doch ihre Knaben mit den wertvollen Mokassins ihres Nachbarnn, des Herrn Meier! Sie reißt ihnen die Schlappen aus den Händen und am Abend bringt sie sie dem guten Meier zurück, entschuldigt sich noch tausend Mal für die Ungehörigkeit, aber so sind eben Kinder, dafür wird er ja Verständnis haben.
Meier nickt nur, schaut dabei aber recht verdutzt aus der Wäsche, und da hat er seine edlen Treter wieder. Aber was soll’s, übermorgen ist Sperrmüll, er packt die Pantoffeln in eine Plastiktüte und legt sie, ehe er ins Büro geht, auf den Sperrmüllhaufen vorm Haus.
Es gibt immer Leute, die im Sperrmüll nach brauchbaren Sachen herumstochern. Sie kippen auch die Plastiktüte von unserem Herrn Meier aus und was finden sie? Ein paar abgewetzte Hausschuhe. Nein danke, darauf ist nun wirklich keiner scharf, und die wertvollen Stücke bleiben vorm Eingang auf dem Gehsteig liegen. Es dauert nicht lang, da geht die alte Frau, die in Meiers Haus im Erdgeschoss wohnt, aus dem Haus, stolpert über die Pantoffel, rutscht aus, verstaucht sich ein Bein und prellt sich auch noch zwei Rippen.
Und was muss Meier erleben als er abends vom Büro zurückkommt? Kaum hat er den Flur betreten, kommt die alte Dame aus ihrer Wohnung geschossen und hält ihm eine Arztrechnung unter die Nase: Was ihm überhaupt einfällt, seine abgelatschten Hausschuhe vor die Haustür zu werfen, und wenn er die Rechnung nicht anstandslos begleicht, kriegt er es mit ihrem Rechtsanwalt zu tun. Was bleibt unserm Herrn Meier anderes übrig? Er wollte doch keinen Streit mit der guten Frau und deshalb zahlt er und kriegt dafür seine einmaligen Mokassins überreicht.
Ich sage euch, allmählich hatte er diese komischen Latschen satt, und deswegen kann man es ja gut verstehen, wenn er sie in einem Wutanfall kurzerhand durchs offene Fenster schleuderte. Sollen sie doch bleiben, wo der Pfeffer wächst!
3.
Tatsächlich hört und sieht er von seinen Pantoffeln tagelang nichts mehr. Bis eines Abends der Nachbar von gegenüber vor Meiers Tür steht und ihm mit spitzen Fingern zwei triefende und stinkende Lappen unter die Nase hält. Ob er vielleicht abstreiten möchte, dass es sich dabei um seine stadtbekannten Hausschuhe handelt?
Was war passiert? Die guten Teile waren im Haus gegenüber durchs offene Badezimmerfenster gesegelt und direkt in der Kloschüssel gelandet. Ein paar Tage später war das Klo hoffnungslos verstopft. Der Nachbar holte einen Rohrreinigungsdienst und was zogen die aus der Kloröhre? Herrn Meiers Hausschuhe. Da war nichts zu machen, zähneknirschend musste Herr Meier die Rechnung des Reinigungsdienstes bezahlen: 164 Euro. Der Nachbar warf ihm seinen außergewöhnlichen Pantoffel vor die Füße und ging.
Nun hatte er sie wieder. Was sollte er bloß mit ihnen anfangen?
Am liebsten hätte er sie wieder durchs Fenster gefeuert, aber er riss sich zusammen. Zuerst hielt er sie unter die Dusche und hing sie dann zum Abtropfen und Auslüften auf dem Balkon auf. Vor allem aber beschloss er genau nachzudenken, wie er sie am besten entsorgen könnte. Ich muss diese Biester irgendwo lassen, wo sie mich nicht so gut kennen, sagt er sich, also weit weg von unserer Straße und von unserem Viertel, und erst recht vom Büro. Er packt sie also in eine Einkaufstüte und zieht damit am nächsten Tag so um fünf Uhr abends ins dickste Gewühl der Innenstadt. Und als er ringsrum von Menschen eingekeilt ist, lässt er die Tüte mit den Pantoffeln vorsichtig fallen, und dann nichts wie weg! Na, Gott sei Dank, das hat geklappt, die sieht er bestimmt nicht wieder.
Aber wo er schon einmal da ist, will er noch einige Einkäufe machen. Er geht in ein Kaufhaus, und gerät an einen Stand mit einem Ausschreier, der ein neuartiges sensationelles Reinigungsspray vorführt, das blitzschnell und hemmungslos jede Art Schmutz nachhaltig beseitigt, eine echte haushaltstechnische Revolution. Einmal gesprüht und weg ist der Dreck! Bitte, wer immer möchte, darf ihm jederzeit jeden Gegenstand auf den Tisch legen, einmal kurz gesprüht und schon strahlt er wieder im alten Glanz.
Vor solchen Ausschreiern sammeln sich Trauben von Neugierigen, und auch unser Herr Meier stellt sich dazu. Da sieht er, wie ein kleines Mädchen ganz vorne ein Paar Hausschuhe auf den Tisch schiebt. Erst meint er, nicht richtig zu sehen. Er reibt sich die Augen, aber nichts zu machen, da liegen doch unverkennbar seine sagenhaften Mokassins. Nichts wie weg, schießt es ihm durch den Kopf. Aber schon hat der Ausschreier zweimal kurz gesprüht, hat den Leuten vorgeführt, wie das alte Leder in neuem Glanz strahlt und will sie dem Mädchen zurückgeben, kann sie aber nicht mehr finden. Da bemerkt er, wie sich ein älterer Herr aufgeregt durch die Leute drängt, hält ihn für den Opa des Mädchens und drückt ihm kurzerhand die blitzenden Pantoffel in die Hand.
4.
Da hatte er sie schon wieder, was sollte er jetzt bloß damit anfangen? Eins jedenfalls ist ihm klar: Er wird sie nicht wieder mit nach Hause nehmen, im Gegenteil, sofort und auf der Stelle wird er sich wieder von ihnen trennen. Klar ist auch, dass er sie irgendwo zurücklassen muss, wo sie nicht gleich wieder gefunden werden. Um sein Vorgehen genau zu durchdenken, setzt er sich erst einmal in das Kaufhausrestaurant und bei einer Tasse Kaffee kommt ihm die Lösung: Kurz darauf sieht man ihn mit einer Einkaufstüte in der Kaufhaustoilette verschwinden, die er aber mit leeren Händen wieder verlässt. Zwar sieht sich der gute Herr Meier dabei immer wieder ängstlich um, um ganz sicher zu sein, dass ihm nicht doch zwei bunt bestickte Pantoffel nachschleichen, aber das ist natürlich Unsinn. Erst als er in die nächste Straßenbahn steigt, beruhigt er sich. Diese aufdringlichen Schlappen hatte er ja nun endgültig abgehängt.
Tatsächlich hört und sieht er wochenlang nichts mehr von ihnen. Fast hatte er den ganzen Ärger schon vergessen, da steht eines Abends die Polizei vor seiner Tür, und was hält sie ihm unter die Nase? Seine edlen Lederhausschuhe.
Unsern Herrn Meier hätte fast der Schlag getroffen. Wie haben die nur zu ihm zurückgefunden? Die beiden Beamten konnten ihm das erklären. In der Nacht zuvor war nämlich in der Innenstadt in eine Bank eingebrochen worden. Verteilt in in der Schalterhalle und im Tresorraum fand man deutliche Spuren von ausgetretenen Schuhen und die Fußbekleidung, die genau zu den Spuren passte, wurde schließlich vor der Bank in einem Papierkorb entdeckt. Die Polizei brachte noch am gleichen Tag eine Suchmeldung auf den Weg, und als Herrn Meiers stadtbekannte Mokassins im Lokalfernsehen gezeigt wurden, rief natürlich gleich das halbe Stadtviertel bei der Polizei an.
Da konnte unser Herr Meier reden wie ein Wasserfall, er wurde erst einmal verhaftet und verhört. Zum Glück war er während der Tatzeit bei seiner Tante zu Besuch gewesen und hatte ein hieb- und stichfestes Alibi vorzuweisen. Die Polizei musste ihn wieder laufen lassen, und nachdem die ganze Aufregung überstanden war, dachte sich unser Meier, dass er Glück im Unglück hatte: Immerhin war er auf diese Weise ja nun endlich die anhänglichen Pantoffeln losgeworden. Denn die behielten die Justizbehörden als Beweismittel zurück, um damit die Bankräuber zu überführen.
Bis Herr Meier Monate später ein eingeschriebenes Paket bekam und was fand er darinnen? Seine mit einer langen Registriernummer versehenen Schlappen. Die Bankräuber waren nämlich doch nicht gefunden worden, das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, und weil die Polizei fremdes Eigentum nicht einfach behalten darf, wurden die Beweisstücke an den rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben. Auf diese Weise waren seine außergewöhnlichen Latschen nun wieder heimgekehrt. Was sollte er denn jetzt bloß damit anfangen?
5.
Die nächste Nacht brachte er kaum ein Auge zu. Er grübelte darüber nach, wie er sich von diesen aufdringlichen Schlappen befreien könnte. Gegen Morgen hatte er es geschafft: Eine Bombenidee! Diesmal konnte nichts mehr schief gehen, da war er sich ganz sicher. Was für ein Glück, dass sein Freund ein begeisterter Rudersportler ist. In aller Herrgottsfrühe schleicht sich Herr Meier an die Weser, macht das Ruderboot seines Freundes vom Ufer los und rudert in die Mitte des Flusses. Er blickt sich erst noch einmal um, ob ihn auch wirklich keiner beobachtet, dann steckt er die beiden Schlappen ineinander, beschwert sie mit einem Stein und lässt sie ins Wasser plumpsen. Und noch bevor die Sonne hinter dem Horizont aufgeht, sitzt er fröhlich zu Hause am Frühstückstisch und freut sich über seinen genialen Einfall. Seine unverwüstlichen Hausschuhe stecken im Schlamm am Grunde des Flusses, und es ist vollkommen ausgeschlossen, dass sie jemals wieder zu ihm zurückfinden.
Haben sie aber doch! Es dauerte keine ganze Woche, da bekam er ein Einschreiben vom Wasserwirtschaftsamt. Er hatte ja schon so ein ungutes Gefühl, als er die Adresse las. Und tatsächlich, ein Strafbefehl wegen unerlaubten Verschmutzens öffentlicher Gewässer, satte 280 Euro. Und im übrigen möge er umgehend die unerlaubt entsorgten Gegenstände auf dem Amt abholen, da ihm sonst auch noch eine öffentliche Entsorgung in Rechnung gestellt werden müsste. Zähneknirschend zahlte unser guter Meier und ging am nächsten Tag auf das Wasserwirtschaftsamt, um seine Schlappen abzuholen.
Da erfuhr er dann auch, was passiert war: Kurz nach ihm war ein Angler auf den Fluss rausgerudert, hatte die Ruten ausgelegt, und tatsächlich, bald hatte etwas angebissen. Der Angler kurbelte, die Angelrute bog sich durch, durch das trübe Flusswasser sah er ein riesiges aufgerissenes Maul und freute sich: „Das ist ein Riesenfang!“
Er kurbelte noch aufgeregter, und was zog er aus dem Wasser? Zwei ineinander gesteckte alte Pantoffeln. Der Kerl war für diesen Morgen bedient, ging ins Anglerheim, knallte die Pantoffeln auf den Tresen und schimpfte: „Da schaut euch an, was diese Schmutzfinken heutzutage ins Wasser werfen!“
„Bist du verrückt?“ mault die Bedienung. Mit spitzen Fingern fasst sie die nassen Trümmer an, um sie in die Mülltonne zu befördern, da stutzt sie und sagt: „Die kenn ich doch! Na klar, der Verrückte, der bei uns im Viertel immer nur in Pantoffeln rumrennt!“
Für den Angler war das ein gefundenes Fressen. Auf der Stelle ging er zum Wasserwirtschaftsamt und zeigte Meier an. Und auf diese Weise holten die alten Pantoffeln den guten Herrn Meier wieder ein.
Was sollte er noch alles anstellen, um diese verrückten Pantoffel endlich loszuwerden?
Und was ist denn hier mit den Pantoffeln von Herrn Meier passiert?
6.
Er sagte sich, es gibt nur noch eine Lösung: Er musste diese aufdringlichen Schlappen, die wie Kletten an ihm klebten, doch nur verbrennen und die Asche in den Wind zu streuen, dann würde er totsicher nie mehr von ihnen belästigt werden. Wenn er in seiner Wohnung nur einen Ofen hätte, wären sie bald aus Welt geschafft. Aber leider hatte er Zentralheizung. Dann wird er sie eben irgendwo im Freien verbrennen.
Also fährt er am nächsten Abend über die Weser auf die Werderinsel, erkundet versteckt hinter Holunderbüschen einen Platz zwischen den Kleingärten, sucht sich dürre Zweige und trockenes Gras zusammen und schichtet sie, als die Dämmerung hereinbricht, zu einem kleinen Scheiterhaufen auf. Erst blickt er sich noch nach allen Seiten um, damit ihn auch tatsächlich niemand beobachtet, bevor er seine Latschen oben auf den Haufen legt und den Scheiterhaufen anzündet. Der brennt auch sofort lichterloh, die Flammen beginnen schon an den Hausschuhen zu züngeln. Meier will nur noch abwarten, bis sie vollkommen zu Asche verbrannt sind, da schubsen ihn zwei Kerle weg, zerstreuen mit Stöcken das angefachte Feuer. Von ferne hört man eine Sirene heulen, dann einen Wagen mit quietschenden Reifen bremsen. Meier fährt der Schreck durch alle Glieder, er versucht sich still durch den Busch zu verdrücken, aber er kommt nicht weit, die beiden Männer halten ihn fest und zerren ihn zur Feuerstelle zurück.
Was war jetzt nur wieder passiert? Es stellte sich heraus, dass die Fäuste zwei Männern zum Vorstand des Kleingartenvereins gehörten, der gerade an diesem Abend im Vereinsheim getagt hatte. Und als sie durch die Fenster einen Feuerschein sahen, alarmierten sie auf der Stelle die Feuerwehr, und liefen selber los, um nach dem Rechten zu sehen. Schließlich ist es bei Strafe verboten, im Kleingartengelände ein offenes Feuer anzuzünden. Meier bekommt eine Geldstrafe wegen unerlaubten Entfachens eines Feuers aufgebrummt, und zum Abschied bekommt er noch den guten Tipp, seine angekohlten Schlappen besser sofort aus dem Verkehr zu ziehen, andernfalls es auch noch eine Strafe wegen Verschmutzung öffentlicher Grünanlagen setzen würde.
Oje, auch diese Bombenidee ging daneben, Meier bezahlte die Strafgebühr, sackte seine Schlappen ein und verschwand. Es war wieder daneben gegangen! Sollte er die denn niemals mehr loswerden?
Und wo hat Meier dies Mal versucht, seine Schlappen loszuwerden?
7.
Es traf sich gut, dass unser Herr Meier kurze Zeit später einen Urlaub in der Schweiz gebucht hatte, wo ihn ja nun wirklich niemand kannte, und seine Pantoffeln erst recht nicht.
Am Urlaubsort angekommen, suchte er sich den höchsten Berg der Gegend aus, packte seine Pantoffel in den Rucksack und stieg in aller Herrgottsfrühe auf den Gipfel. Solche Touren war er nicht gewohnt, und der Schweiß lief ihm übers Gesicht, aber wenn er nur die Pantoffeln los würde, dafür war ihm nichts zu anstrengend. Auf dem Gipfel beliebter Berge steht oft ein Gipfelkreuz mit einem Gipfelbuch, in dem man sich eintragen kann. Das liegt dann in einem Blechkästchen, damit es nicht nass wird. So war es auch auf diesem Berggipfel. Unser Herr Meier holte das Buch aus der Kassette, und was legt er unter das Buch? Seine anhänglichen alten Latschen. Natürlich klappt er die Kassette zu, ohne sich einzutragen, schließlich steigt er beruhigt wieder ins Tal, endlich, endlich hat er es geschafft, sich ein für allemal von diesen anhänglichen Schweißlappen zu befreien.
Um dieses Ereignis zu feiern setzt er sich erst einmal in ein Gasthaus, genehmigt sich eine gute Mahlzeit und hinterher einige Schnäpse. Aber als er am späten Abend sein Pensionszimmer betritt, was steht da vor seinem Bett? Unser Herr Meier dachte ernsthaft, er sieht Gespenster. Ob er vielleicht einfach nur zu viel getrunken hat? Er greift nach den Pantoffeln, er dreht sie in der Hand rum, er beißt sogar rein. Leider, leider, da ist nichts zu machen, sie sind und bleiben seine Pantoffeln. Wie in Teufels Namen sind die schon wieder zu ihm zurückgekehrt? Als er ganz vorsichtig die Pensionswirtin ausfragt, konnte sich Meier einigermaßen zusammenreimen, wie das zugegangen war.
Es war eben doch keine so gute Idee, die alten Hausschuhe in die Kassette des Gipfelbuchs zu packen. Sicher hatte der nächste Bergwanderer, der nach ihm auf den Gipfel geklettert war, sich ins Gipfelbuch eintragen wollen, dabei die alten Schlappen aus der Blechkassette genommen und sie in hohem Bogen über den Felsabsturz hinter dem Gipfel gepfeffert.
Dort mussten sie die Ziegen aufgestöbert haben, die ein Junge auf einer Bergwiese hütete. Der Junge nahm sie den Ziegen aus dem Maul, fand sie eigentlich noch ganz in Ordnung und packte sie in einen Rucksack. Zu dumm auch, dass er das Kind von Meiers Pensionswirtin war, die neben Fremdenzimmern noch eine kleine Landwirtschaft führte. Als die Mutter am Abend seinen Rucksack auspackt, denkt sie, solche Pantoffeln hat sie doch schon irgendwo gesehen. Natürlich, der Herr aus Bremen, der sich bei ihnen einquartiert hat. Und sie stellt sie unserm Herrn Meier frisch gewienert vors Bett.
8.
Es ist zum Haarausraufen, aber nun hat er sie wieder, seine unzertrennlichen Pantoffeln. Wo soll er jetzt nur damit hin? Diesmal, sagt er sich, werden Nägel mit Köpfen gemacht. Er beschließt, erst einen genauen Plan auszuarbeiten, peinlich danach vorzugehent nichts mehr dem Zufall zu überlassen.
Zuerst kundete er auf einem Spaziergang eine einsame Waldwiese aus. Dann nahm er sich einen Leihwagen, besorgte eine Kiste voll Kies und einen Sack Zement. Zwei Tage später war Neumond, die Nacht war stockfinster und das kam Herrn Meier grade recht. Kurz nach Mitternacht schleicht sich Meier in den Wald und hebt im Schein seiner Taschenlampe ein metertiefes Loch aus. Mit dem Zement, dem Kies und Sand vom Waldboden rührt er eine Betonmischung an, und das ist keine Kleinigkeit, allein und in stockfinsterer Nacht. Dann beerdigt er seine Pantoffel in der Grube, kippt die Mischung drauf und stampft den Beton fest, schaufelt die ausgegrabene Erde drüber und breitet schließlich zur Tarnung noch eine Schicht Laub drüber aus.
So kurz vor der Dämmerung war er endlich fertig, beseitigte noch sorgfältig alle Spuren und verschwand. Zwei Stunden später schon sitzt er im Zug auf dem Weg nach Bremen, lehnt sich in die Polster des Sitzes zurück und ist stolz darauf, dass er diese aufdringlichen Schlappen endlich und unwiderruflich abgehängt hat.
Es muss so ungefähr zwei oder drei Wochen später gewesen sein, da klingelte es und vor seiner Wohnungstür stand eine Frau, zeigte ihm seine Pantoffeln und flehte ihn an: „Bitte Herr Meier, geben Sie zu, dass das Ihre stadtbekannten Mokassins sind, in denen Sie jahrelang bei Wiund und Wetter herumgelaufen sind.“
Jetzt denkt ihr natürlich, ich würde euch was vormachen, wie sollen denn die Pantoffel unter der Betondecke hervorgekrochen und den weiten Weg wieder nach Bremen zurückgefunden haben? Dabei ist das ganz einfach zu erklären. Noch am Tag nach dem Vergraben war der Förster unterwegs in diesem Waldstück. Sein Hund schnupperte einer Spur nach, blieb mit den Füßen scharrend auf einer Waldlichtung stehen. Der Förster denkt: Was hat der Köter nur? Da sieht er unter der aufgescharrten Erde frischen Beton. Seltsam, wenn hier was gebaut worden wäre, davon müsste er doch wissen. An der Sache ist was faul, der Förster holt seine Waldarbeiter und lässt den Platz aufgraben. Sie wuchten den noch feuchten Beton aus dem Waldboden, und was entdecken sie drunter? Ein Paar abgewetzte Hausschuhe.
Der Förster schüttelt den Kopf und erzählt die ganze Geschichte am nächsten Abend im Wirtshaus, in dem er mit Freunden immer zu Mittag isst. Das will ihm aber keiner abnehmen, er soll doch bitte kein Jägerlatein auftischen. Da zieht der Förster zum Beweis zwei alte Latschen aus der Tasche und knallt sie auf den Tisch.
Sitzt da doch am Nachbartisch ein deutsches Ehepaar, das seinen Urlaub in der schönen Schweiz verbringt. „Ja sag mal“, meint die Frau, „diese Dinger hab ich doch schon mal irgendwo gesehen.“
Ihr guter Mann findet das natürlich wieder typisch. Ein Paar alte Schuhe, die mitten in der Schweiz in einem Waldstück unter Beton vergraben waren, aber seine Frau muss sie natürlich schon mal gesehen haben. Dabei ist sie noch nie zuvor in der Schweiz gewesen. Wirklich zum Lachen!
Aber sie lässt sich das nicht gefallen. Natürlich hat sie die schon gesehen, da lief doch ewig so ein Kerl mit verschlissenen Mokassins durchs Viertel oder wie man die Dinger nennt. Und das sind genau die gleichen, dafür legt sie die Hand ins Feuer.
Die beiden geraten ins Streiten, und die Frau steht schließlich auf, um den Förster zu fragen, ob er ihr nicht die alten Latschen überlassen könnte. Wie soll sie sonst diesem Besserwisser beweisen, dass sie im Recht ist? Nun ja, der Förster wusste ja auch nicht so recht, was er mit den abgewetzten Schlappen anfangen sollte. In Gottes Namen, soll sie sie haben.
Ihr habt ja sicher schon gemerkt, dass dieses Ehepaar zufällig aus der gleichen Stadt kam wie unser Herr Meier, ja sogar aus dem gleichen Viertel, und kaum waren sie zurück, hatte die gute Frau nichts Eiligeres zu tun, als gleich zu unserem Herrn Meier zu rennen, um ihrem Mann zu beweisen, dass sie keinen Quatsch erzählt hat. Und natürlich drückt sie dafür dem guten Meier seine Schlappen in die Hand.
Nun hatte er sie wieder. Diesmal hatte er wirklich nicht mehr die geringste Idee, wie er sie loswerden sollte. Er warf sie erst einmal in seinen Schuhschrank und da lagen sie bis zum nächsten Winter.
9.
Als er sie schon fast vergessen hatte, kam ihm ein glücklicher Zufall zu Hilfe. Es war nämlich gerade Faschingszeit und da begegneten Herrn Meier drei verkleidete Kinder und bewarfen ihn mit Konfetti. Plötzlich wusste er, wie er die anhänglichen Pantoffeln loswerden würde: Er würde sie in kleine Fetzen zerhacken und auf einem Faschingsball als Konfetti werfen. Drei Tage lang sägte, schnitt, zwickte Herr Meier in seiner Küche den ganzen Abend lang an seinen Pantoffeln herum. Dabei schwitzte er, dass ihm der Schweiß über die Stirn runter lief. Schließlich schaffte er es sie in Stücke zu zerlegen, aber so winzig klein wie Konfettifetzen waren sie einfach nicht zu zerschnipseln. Es waren eher Stückchen in der Größe von Bonbons.
Herr Meier sammelte alle diese Stückchen in eine Plastiktüte, kaufte sich eine Pappnase, nahm sich einige Tag frei und fuhr in die Hochburg des Karnevals. Weißt du, wo die liegt? Natürlich in Köln. Dort kaufte er sich eine Eintrittskarte für den größten Karnevalsball der Stadt. Am Abend setzte er seine Pappnase auf, stopfte sich die Plastiktüte mit den zerschnippelten Stückchen von seinen Pantoffeln unter den Hosengürtel und ging auf den Ball.
Der Ball fand in einem Haus mit 20 Sälen statt und in allen Sälen spielte Musik, alle Besucher waren verkleidet, tanzten wie wild und brüllten: „Kölle alaaf!“ Sowas hatte Meier noch nicht erlebt, er stand zwischen den Leuten herum und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Während er da stand, stürzte sich plötzlich ein Teufel mit zwei spitzen Hörnern auf dem Kopf auf ihn, fuhr ihm mit seinen spitzen Krallen ins Gesicht, kratzte ihn und flüsterte mit rauchiger Stimme: „Du gehörst mir! Ich schlepp dich in die Hölle!“ Und damit zog ihn der Teufel zwischen die Tänzenden.
Der Teufel war aber in Wirklichkeit eine Teufelin, das sah Meier ganz genau. Und er hätte ja auch gerne weiter mit der Süßen getanzt, leider aber rutschte Meier, als ihn seine Tänzerin herumwirbelte, die Plastiktüte mit den zerschnippelten Pantoffelfetzen aus dem Gürtel ins Hosenbein. Weil er Angst hatte, dass sie ihm durch das Hosenbein auf den Boden rutschte, tanzte er hilflos und steif, dabei trat er seiner Tänzerin auf die Füße, bis sie genervt losließ und kreischte: „Blödes Trampeltier!“
Meier schlich sich vorsichtig aufs Klo, wo er die Plastiktüte aus dem Hosenbein holte, sie sich unter das Hemd schob und wieder in den Ballsaal ging. An einer Theke bestellte er sich ein Bier, dabei fragte er die Bedienung hinter der Theke, wann denn hier Konfetti geworfen wird. „Na wart mal ab!“ meinte sie. „Gleich kommt das Prinzenpaar vorbei, dann regnet es Konfetti.“
Meier musste sich erst noch eine langwierige Ankündigung seiner und ihrer Tollität anhören, dann sprangen die Flügeltüren auf, die Musik spielte einen Tusch, Mädchen in Uniformen tanzten durch den Saal und hinter ihnen kam der Karnevalsprinz und die Prinzessin herein. Und wirklich, plötzlich regnete es von allen Seiten Konfetti. Die Leute hatten riesige Tüten in der Hand, die sie aufrissen und das Konfetti in die Luft schleuderten. Da riss auch Meier sein Hemd auf, griff in die Plastiktüte und schleuderte eine Faust voll Lederschnipsel in die Luft. Und gleich griff er wieder in die Tüte, und noch einmal und nach einmal, bis seine Tüte leer war. Meier knüllte sie zusammen und schob sie in seine Hosentasche.
Wunderbar! Diesmal war er die Pantoffeln losgeworden. Ein für allemal! Was hatte er also noch auf dem Ball zu suchen? Nichts! Er drängte sich durch die Leute in Richtung Ausgang.
Er war noch nicht zum Saal hinaus, da brach plötzlich die Musik ab, es wurde wild durcheinander geschrieen, von der Straße her hörte man Sirenen heulen, und gerade als es Meier bis zur großen Freitreppe geschafft hatte, sah er einen Trupp Sanitäter mit einer Trage die Treppe heraufhetzen und im Ballsaal verschwinden. Vielleicht hatte ein Besucher einen Anfall gehabt. Vielleicht waren sich einige Kerle in die Wolle geraten und hatten sich verletzt. Aber was kümmerte das unsern Herrn Meier? Der war froh, dass er seine Pantoffeln los war. Draußen auf der Straße zog er sich die Pappnase vom Gesicht und nahm das nächste Taxi zum Bahnhof.
„Haben Sie schon gehört?“ fragte ihn der Taxifahrer.
Meier wusste nicht, was er gehört haben sollte. „Na das mit der Prinzessin. Die hat auf einmal keine Luft mehr gekriegt und wird grad ins Krankenhaus gefahren. Furchtbar, nicht wahr!“ Meier nickte, aber was interessierte ihn die Kölner Karnevalsprinzessin.
Am Bahnhof nahm er den nächsten Zug, geriet in einen überfüllten Waggon, in dem laut quäkend ein Radio lief und alle Passagiere aufgeregt zuhörten. Der Sprecher berichtete, dass Ihre Tollität soeben im Krankenhaus mit einem Schnitt in die Luftröhre vor dem Ersticken bewahrt werden musste. Bei genauerer Untersuchung habe man einen lederartigen Brocken in ihrer Luftröhre gefunden, dessen Herkunft den Ärzten Rätseln aufgebe. Seine Tollität, der Karnevalsprinz habe daraufhin alle weiteren Ballbesuche abgesagt um am Krankenbett der Prinzessin zu bleiben.
Ehrlich gesagt, Meier war etwas mulmig zu Mute. Er versuchte nicht mehr dran zu denken und das gelang ihm desto besser, je weiter er sich im Zug von Köln entfernte. Als er nachts um halb drei endlich in Bremen ankam, fühlte er sich bestens und hatte den Kölner Karneval schon so gut wie vergessen.
Leider blieb es nicht dabei. Schon vier Tage später bekam er eine polizeiliche Vorladung. Sie sagten ihm, er sei dabei gesehen worden, wie er beim Einmarsch des Kölner Prinzenpaares statt harmloser Papierkonfetti harte Lederstücke in die Luft schleuderte. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Erstickungsanfall der Prinzessin auf einen dieser Lederstücke zurückzuführen. Er bekam die Auflage sich täglich bei der Polizei zu melden, damit er nicht versuchen konnte, sich ins Ausland abzusetzen.
Und dann gab es vier Wochen später einen Aufsehen erregenden Prozess. Herr Meier wurde angeklagt, ein Attentat auf die Kölner Tollitäten versucht zu haben. Die Beweislage war unwiderleglich: Den Einmarsch der Karnevalsprinzen hatte ein Reporter des Westdeutschen Rundfunks gefilmt. Auf den Aufnahmen war deutlich zu sehen, wie Herr Meier eine Plastiktüte mit Lederstückchen aus dem Hemd zieht und die Schnipsel in Richtung auf die einmarschierenden Tollitäten in die Luft wirft. Wie es der Zufall wollte, hatte dieser Reporter früher bei Radio Bremen gearbeitet. Er erkannte den verrückten Kerl, der damals im Steintorviertel immer mit seinen Pantoffeln herumstieg und berichtete das der Polizei.
Noch am selben Morgen machte die Putzfrau, die den Ballsaal reinigte, ihre Aussage: Sie hatte nämlich schon zum Frühstück in der Zeitung gelesen: „Unglaublich! Konfetti-Attentat auf unsere Prinzessin! Attentäter wirft mit Lederbrocken um sich.“ Und als sie dann beim Reinemachen zwischen dem Konfetti seltsame Lederbrocken entdeckte, sammelte sie diese Stück für Stück zusammen und brachte sie auf die Polizeiwache.
Der Richter, der die Ermittlungen übernahm, ließ die Schnipsel von einem orthopädischen Schuster untersuchen und wieder zu zwei vollständigen Schlappen zusammenkleben. Diese rekonstruierten Schlappen wurden vom Gericht als Beweisstück anerkannt. Alles, was Meiers Verteidiger erreichen konnte, war der Nachweis, dass Meier keinen Anschlag auf die Tollitäten geplant hatte, sondern lediglich mit Lederkonfetti geworfen hatte, um seine alten Pantoffeln loszuwerden.
Meier wurde zwar vom Mordversuch freigesprochen, erhielt aber drei Monate Gefängnis auf Bewährung. Was ihn aber viel mehr belastete, war, dass er auch für alle Kosten aufzukommen hatte: 8000 Euro für die Operation der Prinzessin, 6000 Euro Schmerzensgeld, 4500 Euro Gerichtskosten, dazu noch das Honorar für die Rekonstruktion seiner Pantoffeln in Höhe von 7500 Euro.
Dafür wurden ihm aber auch am Ende die zusammengeklebten Schlappen überreicht. Der Orthopäde hatte eine hervorragende Arbeit geleistet: Man musste schon sehr genau hinschauen, um überhaupt zu sehen, dass sie aus Hunderten von Schnipseln zusammengesetzt waren. Der einzige Schönheitsfehler: Am rechten Schlappen fehlte an der Ferse ein Schnipselchen, vermutlich das Teil, das der Prinzessin in die Luftröhre geraten war.
10.
Meier war endgültig am Ende Was hatte er nicht schon alles ausprobiert, um diese unverwüstlichen Latschen loszuwerden? Alles umsonst, ihm fiel einfach nichts mehr sein. Er steckte zu unterst in seinen Besenschrank, dort störten sie ihn nicht weiter und dort konnten liegen bleiben.
Es war seine kleine Nichte, die ihn eines Tages mit ihrer Mutter besuchte und ihn auf eine geniale Idee brachte. Beim Stöbern in Meiers Besenschrank stieß sie auf die wertvollen Stücke. „Du, willst du mir die verkaufen?“ fragte sie ihren Onkel.
„Die fasst du mir nicht an!“ schimpfte ihre Mutter, die die Geschichte mit Meiers Schlappen kannte.
Aber Meier hatte wieder eine zündende Idee, und zum Dank kaufte er dem Mädchen die größte Schokolade, die er finden konnte.
Schon am nächsten Tag ließ er eine Kleinanzeige ins Internet, mit der er original indianische Mokassins für schlappe sechstausend Euro anbot. Noch am gleichen Abend klingelte ununterbrochen das Telefon und Meier musste circa fünfzig Mal erklären, dass er sich nun leider aufgrund persönlicher Schulden von den Mokassins des Häuptlings Schleichende Sohle trennen müsse. Der erste, der schließlich an seiner Tür klingelte, war ein Antiquitäter, der sich brennend für die exotischen Objekte interessierte. Der Mann verstand sein Geschäft, er handelte den Preis auf fünftausendsechshundertneunundfünfzig Euro runter und zog damit ab.
So glücklich wie an diesem Tag war unser Herr Meier selten. Aber es interessierte ihn doch, was der Kerl mit den alten Latschen anstellte, und als er am nächsten Tag an dessen Geschäft vorbeischlich, grüßten ihn seine alten Schlappen aus dem Schaufenster und verrieten ihm auf einem sauber geschriebenen Schildchen: „Original indianische Mokassins des Siouxhäuptlings Schleichende Sohle. Sonderpreis nur 9.500 Euro.“
Bald darauf soll der Einkäufer vom Bremer Überseemuseum vorbeigekommen sein, so heißt das Bremer Völkerkundemuseum. Echte Handarbeit der Sioux für diesen bescheidenen Preis? Da musste das Museum natürlich rasch zugreifen, bevor es ein privater Sammler wegschnappte. Seitdem sind die alten Schlappen von unserm Herrn Meier in einer Glasvitrine im Überseemuseum zu besichtigen. Falls ihr einmal in Bremen seid, geht dort ins Übersee-Museum. Es liegt gleich am Bahnhofsvorplatz. Wenn ihr dort in die Nordamerkiakabteilung geht, stoßt ihr dort auf eine Vitrine mit zwei Mokassins. Lasst euch von der Beschriftung an der Vitrine nicht beirren. Von wegen Handarbeit, Sioux und Häuptling Schleichende Sohle: Das sind nämlich in Wahrheit die anhänglichen Pantoffeln von unserm Herrn Meier.
Ursprünglich erschienen in: Johannes Merkel: Die verrückten KLamotten. Hamburg 1982. S.5-22
Zeichnungen Horst RudolphDie Erzählung geht in ihrer Grundstruktur auf die arabische Geschichte von Abu Kassem und seinen Pantoffeln zurück, die sich gleichfalls in einer Version im Erzählkabinett findet.
Die nach diesem Vorbild ausgearbeitete Geschichte von Herren Meiers anhänglichen Pantoffeln stellt ein schier unverwüstliche Vorlage für eine lebendige Erzählung zur Verfügung, die sich in Rücksprache mit der Zuhörerschaft erzählen lässt.
Sie hat sich insbesondere sehr bewährt vor Schülern von ca 8–12 Jahren.
Die Zuhörenden können auf verschiedenen Stufen an der Erzählung beteiligt werden: Einmal indem man etwa ab Nr. 5 nach jeder Rückkehr der Pantoffeln nachfragt: Was soll Herr Meier jetzt tun, um diese anhänglichen Schlappen ein und für allemal loszuwerden?
Erfahrungsgemäß wird dann vorgeschlagen: Ins Wasser werfen, vergraben, verbrennen, zerstückeln etc. Für jede dieser Vorschläge findet sich eine Episode, die sich daraufhin erzählen lässt. Die Überraschung steigert den Spaß an der Geschichte. Vor der Präsentation der Schlussepisode können zusätzlich auch noch die Zeichnungen von Horst Rudolph gezeigt und die Zuhörenden aufgefordert werden, einzeln oder gemeinsam zu beschreiben, was Meier mit den Pantoffeln unternimmt und wie sie zurückkehren.Auch lässt sich die Erzählung nach den einleitenden Episoden unterbrechen. Die Zuhörenden werden dann aufgefordert, sich (allein oder in einer kleinen Gruppe) auszudenken, was Herr Meier nun unternehmen wird um sie loszuwerden und auf welchen Wegen die Pantoffeln trotzdem wieder zurückkehren. Erst nachdem alle ihre Versionen vorgetragen haben, wird dann die Schlussepisode erzählt.
Wenn das von der Zeit und den Interessen der Zuhörenden möglich erscheint, kann eine Gruppe den Auftrag bekommen sich auszudenken, was Meier unternimmt, damit die Pantofflen endgültig und nie mahe zurückkehren. Ihre (in Stichworten gefasst oder ausgeschriebene) Version erhält die nächste Gruppe, um auszuknobeln, wie sie trotz allem wieder bei ihm auftauchen.Nach beiden Verfahren lassen sich die Episoden der Schüler mit den Eingangs- und der Schlussepisode zu einer gemeinsamen Geschichte zusammenführen, die dann auch in irgendeiner Form „veröffentlicht“ werden sollte, schlicht als Wandzeitung oder als Datei, die auf einem Datenträger vervielfältigt und verteilt wird. In beiden Fällen können sie mit Zeichnungen der Schüler illustriert werden.
Beispiele solcher gemeinsamen Versionen können hier eingesehen werden.
Der Gruppenaufsatz einer vierten Schulklasse in Freiburg
Die Comicversion einer dritten Schulklasse in Bremen